Drama im ZDF: Mit Banane im Mund gegen die Stasi

Statt auf den Mond flüchtet eine Frau aus der DDR in den Westen: „Deckname Luna“ (Montag, 20.15 Uhr, ZDF) ist charmant plump.

Die junge, idealistische Lotte aus der DDR möchte mit dem Raumfahrtprogramm der UdSSR zum Mond. Stattdessen landet sie aber wie zufällig im Westen. Bild: ZDF/ Oliver Vaccaro

Dieser Film ist wie eine anstrengende Beziehung. Er hat seine Macken, ein paar wird man ihm auch nicht verzeihen. Doch wenn man nur geduldig ist und nicht gleich den „Aus, aus, aus!“-Knopf drückt, wird man ab und zu überrascht. Er, also dieser Zweimal-zwei-Stunden-Monolith namens „Deckname Luna“, hat es aber auch nicht leicht.

Ein Kind des ZDF, soll er als der diesjährige öffentlich-rechtliche Beitrag zum nahenden Mauerfall-Gedenken am 9. November angemessen intelligent unterhalten. Aber richtig spannend oder kompliziert darf es dabei nicht werden – wir befinden uns schließlich in der Primetime.

Wenig Adrenalin, kein Sex, und schon wieder geteiltes Deutschland: schwierig also. Vor allem, wenn Drehbuch (Christian Jeltsch, Monika Peetz) und Regie (Ute Wieland) nicht viel mehr als die üblichen Figuren mit ihren üblichen Sätzen und Konflikten zur bereits rundum dokumentierten und fiktionalisierten Ost-West-Materie einfallen.

Verträumte Utopie

Der erste Teil von „Deckname Luna“ läuft am Montag, 5. November, 20.15 Uhr im ZDF.

Der zweite Teil von „Deckname Luna" läuft am Donnerstag, 8. November um 20.15 Uhr im ZDF.

Es ist also 1961, kurz vorm Mauerbau, in Peenemünde. Da ist die junge, idealistische Lotte (Anna Maria Mühe), die noch an die sozialistische Idee glaubt und an sich selbst: Sie will ins Raumfahrtprogramm der UdSSR und dann zum Mond. Für Lotte sieht das Drehbuch folgende Sätze vor: „Warum sollte es falsch sein, von einer gerechteren Welt zu träumen? Die DDR kann eine Chance für alle sein, man muss es nur wagen.“

Ihre Familie bezweifelt, dass Lotte als Frau und deutsche Arzttochter ins Kosmonautenprogramm aufgenommen wird. Und als die Mauer gebaut wird, erklärt Lotte dem Stasi-Mann Julius Moll (Heino Ferch), wie sie sich den sozialen Realismus wünscht: „Offen und ehrlich, nicht mit Einmauern.“

Die verträumte Utopie, in diesem Fall Lotte, kann natürlich nicht ohne ihre Gegenspieler, die kleinkarierte Realität, deren Text hier Lottes Mutter (Kirsten Block) und Moll übernehmen. Die Mutter ist Abteilungsleiterin auf einer Werft, auf der auch Lotte arbeitet: „Sei realistisch“, gemahnt sie, „es gibt dringendere Dinge hier, auf der Erde, zu erledigen. Auf der Werft.“ Moll wiederum will, dass Lotte ihren West-Opa (Götz George) ausspioniert, einen Raketenbauingenieur. Lotte lehnt ab, aber Moll wird später noch Gelegenheit haben, sie zu erpressen.

Klischee und Mauerrealismus

Damit wäre der Konflikt Mauerrealismus und wie es eigentlich hätte laufen können mit dem Sozialismus (gerechter, offen, ehrlich), schon mal abgehakt. Fragt sich bloß, warum man diesen ohnehin immer mitschwingenden DDR-Subtext immer noch mal plump Text werden lassen muss.

Ähnlich plump bis dramaturgisch unglaubwürdig wird teilweise die Story vorangetrieben. Als Lottes Freund Holger (Christian Näthe) sie beim Flugblätterschreiben gegen den Mauerbau erwischt, zeigt er sie – warum, wird nicht ganz klar – bei der Stasi an. Die beiden streiten sich, er stürzt unglücklich und stirbt, sie flieht vor der drohenden Mordanklage – irgendwie halt – über den Gefängniszaun.

Ihr Bruder Kurt (Ludwig Trepte) bringt sie zum Peenemünder Hafen, dort soll sie sich auf einem Fischerboot verstecken, an dessen Heck festgebunden dümpelt – wie praktisch! – ein Ruderboot. „Damit ruderst du in den Westen, wenn ihr auf hoher See seid.“

Manchmal auch lustig

Immerhin: Eine gewisse kreative Spielfreude, was den Einsatz formaler Mittel angeht, muss man dem Film zugutehalten. Da wird historisches Archivmaterial – Fotos und Filmsequenzen, die einen allerdings auch nicht gerade mit Seltenheitswert umhauen: der Sprung des Soldaten über den Stacheldraht, Walter Ulbricht: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ – auf dem Bildschirm gegengeschnitten mit den Emotionen der Filmhelden. Das Auge sortiert verwirrt Fiktion und Realität auseinander, das macht Spaß.

Und dann ist der Film manchmal einfach doof, aber lustig: Da wird der schiffbrüchigen Lotte, die am Timmendorfer Strand angespült wird, allen Ernstes von einem hilfsbereiten Ehepaar erst mal Coca-Cola eingeflößt. Per Anhalter fährt Lotte dann über die Dörfer Richtung Augsburg, wo ihr Großvater wohnt, und verspeist dabei staunend eine Banane. Man lacht und hofft, dass das jetzt Selbstironie seitens der Regie war – und verzeiht noch mal.

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