piwik no script img

Dragqueen-Show mit Heidi KlumDie Meisterin der Abwertung

Heidi Klum wird eine Art deutsche Version von „RuPaul's Drag Race“ moderieren. Das ist eine Beleidigung für alle Fans der schwulen US-Show.

Heidi Klum war zwar ein paar Mal auf CSDs, doch sorry, zur Fag Hag reicht das nicht Foto: dpa

Berlin taz | ProSieben hat am Mittwoch verkündet, dass Heidi Klum ab diesem Winter eine deutsche Dragqueen-Show präsentieren wird. Gesucht wird die talentierteste Dragqueen dieses Landes. Schon seit Wochen gab es Gerüchte, dass in Deutschland eine Version der amerikanischen Kult-Show „RuPaul's Drag Race“ (RPDG) geplant und diese möglicherweise mit Klum besetzt wird. „Queen of Drags“ wird zwar kein offizieller Ableger, das Vorbild ist jedoch eindeutig. Amerika hat RuPaul, Deutschland bekommt Heidi Klum. Wie kommt ProSieben auf die absurde Idee, die Moderatorin der frauenfeindlichen Sendung „Germany's Next Topmodel“ (GNTM) eine Drag-Show moderieren zu lassen?

Sänger und Dragqueen RuPaul sucht seit 2008 nach „Charisma, Einzigartigkeit, Mut und Talent“ und hat die queere Kulturpraxis des Drags in den Mainstream gebracht. Das theatralische Spiel mit Geschlecht und Sexualität, die Übertreibung in Gestik, Mimik, Make-up, Kleidung und Bewegung, die Herausforderung von Geschlechterrollen, all das mit enger Verbindung zu schwuler Subkultur.

Er ist die Mutter der Queens, die in seiner Show während der Gestaltung von Runway Outfits oder der Vorbereitung auf Sketches und Performances auch mal über Homophobie, Coming-out-Prozesse, Konversionstherapien, HIV oder Polizeigewalt sprechen. Oft ist eine grundsätzliche Solidarität unter den Teilnehmern zu spüren, die vielfach ähnliche Erfahrungen als meist schwule oder bisexuelle Männer gemacht haben. Auch Transfrauen haben bereits an der Show teilgenommen.

Heidi Klums „Germany's Next Topmodel“ ist das Gegenteil davon. Konkurrenz unter Frauen wird hier geradezu angestachelt. Junge Frauen, im Format durchgehend als „Mädchen“ oder „Mädels“ bezeichnet, werden einer Jury bewertet, die nicht davor zurückschreckt, die Kandidatinnen bloßzustellen. Sie werden objektiviert, zur Ware gemacht und dazu angehalten, immer „sexy“ zu sein.

Es geht nicht darum, dass sie keine Dragqueen ist

Die Sendung propagiert extrem limitierte Körper- und Schönheitsideale, die junge Frauen stark unter Druck setzen können. Teilnehmerinnen, die von diesen Idealen abweichen, haben keine Chance – im Gegensatz zu „RuPaul's Drag Race“, wo Menschen mit allen möglichen Körperformen gefeiert und geliebt werden. Bento hat besonders schäbige von Klum in der Show geäußerte Zitate gesammelt: „Ich will nichts schwabbeln sehen“, „Ein kleines bisschen sieht sie aus wie ein geprügelter Hund!“, „Mach ein bisschen mehr sexy. Du siehst im Moment aus, als ob du ein bisschen besoffen wärst“, oder: „Bist du schwanger geworden, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben?“

Bei GNTM geht es also um Abwertung, Beschämung und Konkurrenz. Bei RPDR geht es um Empowerment, subversive Fabelhaftigkeit und Solidarität. Für die deutschen Fans von RuPaul und seinen Queens ist die Wahl Klums als Jury-Vorsitzende eine Beleidigung. Sie hat mit Drag-Kunst nichts zu tun. An dieser Stelle möchte man sie allerdings schon fast gegen ihre KritikerInnen verteidigen: Denn es geht nicht darum, dass sie eine heterosexuelle Frau und keine Dragqueen ist.

Dieses Argument ähnelt der falschen Forderung, dass schwule Figuren im Film ausschließlich von schwulen Darstellern gespielt werden sollen. Selbstverständlich ist Repräsentation wichtig, doch wer dies behauptet, hat nicht verstanden, was Schauspiel ist. Schauspiel ist Drag und Drag ist Schauspiel. Doch während sich RuPaul seit Jahrzehnten für die Belange der LGBT-Bewegung einsetzt, hört Heidi Klums Liste bei ein paar CSD-Besuchen auf.

2011 verriet sie dem US-Magazin Lucky, dass „der beste Mensch, um shoppen zu gehen“, ihr schwuler Freund Michael Ostrow sei. Als Kämpferin für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transpersonen hat sie sich nicht gerade hervorgetan – auch wenn sie sich bei GNTM in den letzten Jahren mit Dragqueens geschmückt hat. Sorry, aber zur Fag Hag reicht das nicht. Dass sie Dragqueens mit dem gleichen Respekt behandelt wie RuPaul, ist schwer vorstellbar. Da wären ihre Mit-Juroren Conchita Wurst und Bill Kaulitz schon geeigneter gewesen.

RuPaul's Drag Race funktioniert auch deshalb so gut, weil es die großartigen Seiten schwuler Subkultur mit den großartigen Seiten amerikanischer Popkultur verbindet

Sashay away!

Die Berliner Dragqueen Jurassica Parka will sogar herausgefunden haben, dass das Konzept der deutschen Show „komplett entschwult“ werden soll. „Szenerelevante Themen wie HIV oder Coming-out haben bei ProSieben so gar nichts zu suchen. Dass das Leben als queerer Mensch ganz vielleicht auch etwas mit der Drag-Kunst zu tun haben könnte … soviel Transferleistung traut man in Unterföhring dem gemeinen Zuschauer nicht zu“, schreibt sie in der Siegessäule, in der das Gerücht bereits Anfang Juni thematisiert wurde.

„RuPaul's Drag Race“ funktioniert auch deshalb so gut, weil es die großartigen Seiten schwuler Subkultur mit den großartigen Seiten amerikanischer Popkultur verbindet. Eines von vielen Slangwörtern, das RuPaul in seiner Show erfunden hat, wird genutzt, um sich von einer Dragqueen zu verabschieden, die den Wettbewerb verlassen muss. Man möchte es Heidi Klum jetzt zurufen: „Sashay away!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • fernshen bildet ja schon lange nicht mehr. alles also nicht der rede wert. die privilegierte weisse hetero-normal frau ist aber auf alle fälle voll fehl am platz. die hat nämlich von drag und queer sein und selfemporement als queere person keine ahnung... da gehts noch um allerhand mehr als nur um schauspiel... aber eben, fernsehn, ich bitte euch. macht was anderes***

  • Sorry Frederik, es hat aber sehr wohl damit zu tun, dass Heidi weder Homo noch Drag ist, sondern dass sie eine überprivilgierte weiße Frau ist, die, ja, du schreibst es ja auch, die dominierende Konkurrenzmasche — nein, und hier stimme ich dir nicht zu, nicht nur repräsentiert, sondern ganz einfach ist. Und dadurch kann sie noch nicht einmal annähernd einen Raum für Verständnis und auch nur einen Ansatz für Empowerment bieten.

  • 9G
    93649 (Profil gelöscht)

    Das passt doch super zusammen... was soll eine DragQueen-Show und wieso gibt es noch keine DragKing-Show? Darüber sollte mal ernsthaft nachgedacht werden!

  • Also, als bisexueller Mann aus einer Generation, wo man seine sexuellen Bedürfnisse irgendwie noch selber entdecken konnte und nicht vom Privatfernsehen vorgeschrieben bekam, weiß ich nicht so recht, ob das nicht doch ganz gut zusammenpasst. Ich habe bislang nur was über Klumps Show gelesen und das, was ich über die Verwertung von Sexualität im Komerz - Fernsehen mitbekomme, zu denen lt. Beschreibung in diesem Artikel auch diese neue Show wohl gehört, ruft das bei mir nur einen bestimmten abstoßenden Ekel hervor. Bei beiden Sendeformaten.

    Was haben eigentlich Conchita Wurst und Bill Kaulitz (?) für Kämpfe für Schwulen- und Lesbenrechte ausgefochten?

  • Also es gibt auch heterosexuelle männliche Dragqueens und weibliche sogar auch, nennt sich Double-Draging: Eine Frau die sich in einen eine Frau darstellenden Mann verkleidet...der Grad der Queerness ist jedenfalls oft schon ein paar Zacken schärfer als es in diesem Artikel hier den Anschein hat...

    • @Saile:

      In dem Sinne, vielleicht möchte Heidi das ja unbedingt, sozusagen als Eigenklon von sich selbst?

  • Verstehe ich das richtig, dass Drag Queens nach Ansicht des Autors im Gegensatz zu Frau Klums "Mädels" einen besonderen Schutzraum benötigen, in dem man sie nicht knallhart be-/abwertet, damit sie sich - angekuschelt an eine verständnisvolle und möglichst konstruktive Moderator-Personality - auch ja schön "empowern" können?

    Oder mag er einfach Frau Klum nicht und würde fairerweise von JEDEM Castingshow-Format sagen, das man sie den jeweiligen Kandidat*_Innen nicht als Zeremonienmeisterin zumuten kann?

    Oder spielt doch so ein wenig mit, dass so eine Show doch irgendwie politisch sein und die soziale Akzeptanz der gezeigten Lebensmodelle pushen muss (genau was die besorgten Eltern potenziell magersüchtiger Möchtgernmodels Heidi bei GNTM immer so bitter vorwerfen...) und dafür eine zentrale Autorität braucht, die selbst diese Akzeptanz verkörpert - also nicht nur berühmt und sondern auch wenigstens ein bißchen queer ist?

    • @Normalo:

      Normalo (Nomen ist Omen), oder könnte vielleicht mitspielen, das jede/r erdenkliche Mensch so einen Schutzraum braucht, in dem er/sie NICHT vorgeführt, ausgestellt, bloßgestellt wird?

      • @Steph Nah:

        Solche Schutzräume sind was Feines. Fragt sich nur, inwierweit dieser Anspruch mit dem Konzept "Castingshow" vereinbar ist. Die Teilnahme an solchen Shows ist - soweit mir bekannt - immer noch freiwillig. Wer sich darum reißt, muss wissen, dass der Sender kein Wohlfahrtsverein ist und daher auch auf seine Kosten kommen will. Inwieweit er das über "Drama! Drama! Drama!" macht, bleibt naturgemäß ihm überlassen.

  • Zitat: „Wie kommt ProSieben auf die absurde Idee, die Moderatorin der frauenfeindlichen Sendung „Germanys next Topmodel“ (GNTM) eine Drag-Show moderieren zu lassen?“

    Ist vielleicht so ein Vertrags-Dings. Womöglich muss ja nach einer Anschlussverwendung für die Dame gesucht werden, weil sie clevere Juristen bezahlt hat. So, wie eine Anschlussverwendung für in Ungnade gefallene oder überzählige Berufspolitiker gesucht (und viel zu oft gefunden) wird – etwa bei der EU. Mit ähnlichem Ergebnis übrigens.

    Worum es „bei RPDR geht“, ist denen, die Heidi Klum absichern wollen, offenbar genau so egal wie Heidi Klum. So, wie es auch den Polit-Strategen und den „weggelobten“ Politikern egal ist, was aus der EU wird. Die wollen das „Ding“ einfach zu ihrem machen. Zu ihrem Privateigentum. Heuschrecke nennt man solche Leute, wenn sie Firmen übernehmen.

    Alles kahl fressen und dann weiterwandern. Aber was soll‘s. Hat denn GNTM nicht auch funktioniert? Gibt es nicht eine zwar schrumpfende aber immerhin noch messbare Einschaltquote für auf Hochglanz polierte „Abwertung, Beschämung und Konkurrenz“, für Respektlosigkeit in Designerkleidern und an „Top-Destinationen“?

    Doch, die gibt es. Immer noch. Leider. Na also bitte: Das ist die Marktwirtschaft. Und zwar von ihrer ekligen Seite. Leider wird man diese Seite nicht los, indem man einen ausgedachten Zauberspruch wie „Sashay away!“ aufsagt. Das ist der Unterschied zwischen einer Show und der Realität.