Zehnte Staffel der US-Drag-Show: Queen, please!
Die Kult-Dragshow „RuPauls Drag Race“ ist in die 10. Staffel gestartet. Nach jüngsten Kontroversen stellen sich die Fans neue Fragen.
„RuPaul's Drag Race“ ist auf seinem Höhepunkt. Gerade hat die US-Dragshow den Wechsel vom Spartensender Logo TV zu VH1 vollzogen, jetzt ist die zehnte Staffel gestartet – und sie macht Spaß. Doch zehn Jahre nach der ersten Staffel reicht Selbstreferenz als Erkennungszeichen allein nicht mehr aus.
„Wir werden nackt geboren, der Rest ist Drag“. So brachte Drag-Ikone RuPaul einst auf den Punkt, dass Gender im Alltag erst „konstruiert“ wird – durch Kleidung, Mimik und andere Körpertechniken. Drag als Bühnenkultur setzt diese Merkmale durch Übertreibung in Szene, zelebriert sie und kehrt gleichzeitig ihren theatralischen Gehalt heraus.
RuPauls Reality-TV Sendung „RuPaul’s Drag Race“ hat diese queere Kulturpraxis ins Mainstream-Fernsehen gebracht. Drag-Queens treten gegeneinander für die Krone und 100.000 Dollar an. Sie müssen dabei Runway-Outfits gestalten und „Challenges“ gewinnen: zu ihren Aufgaben gehören kleine Sketche, Live-Performances und Musikvideos. Wer am wenigsten überzeugen kann, scheidet aus.
Das besondere an der Show: Auch wenn die Queens Konkurent*innen sind, verstehen sie sich als Teil einer großen Wahlfamilie, helfen sich gegenseitig beim Nähen und sprechen über politische Themen wie AIDS, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und Polizeigewalt. Nach der Show gehen alle gemeinsam auf Tour (aktuell: „Werq the World“, die im Mai nach Deutschland kommt). Nicht nur Fans lieben Drag Race, auch die Stars reißen sich um die Gästeplätze in der Jury: LaToya Jackson, Chloë Sevigny, Margaret Cho, Beth Ditto, Regina King, Lady Gaga.
Wer darf „Queen“ sein?
Zum 10. Jubiläum der Sendung gibt es einen neuen Work Room und neue, glänzende Trophäen. Vor einer Riege von Queens aus vorangegangenen Staffeln mussten die neuen Kandidat*innen in der ersten Folge der 10. Staffel auf dem Laufsteg tanzen und wieder mal unter dem Motto „Drag on a Dime“ ein Outfit aus Materialien aus dem 1. Euro-Shop zusammenstellen. Mayhem Miller gewinnt mit einem Kleid aus schwarzen Mülltüten.
In der ersten Folge tritt auch Christina Aguilera in Drag auf – ist Travestie damit also für alle offen, auch für heterosexuelle Popstars? Die Frage stellt sich, weil RuPaul vor wenigen Wochen für ihre Kommentare über Trans*frauen bei Drag Race in die Kritik geraten ist.
In einem Interview mit dem Guardian hatte RuPaul bezweifelt, ob post-operative Trans*frauen noch an der Show teilnehmen könnten – und hatte später auf Twitter Hormoneinnahme mit Doping verglichen. Drag verliere an Schlagkraft, wenn auch „Frauen“ bei der Reality-Show antreten würden, sagte RuPaul.
Peppermint, die als Transfrau in der 9. Staffel den zweiten Platz belegt hatte, reagierte mich Kritik. Es sei politisch fragwürdig, Frausein immer wieder auf Körperteile zu reduzieren. Nicht alle Trans*Menschen würden Operationen anstreben, und nicht alle könnten sie sich leisten. Drag, so Peppermint, sei „die Hervorhebung von Gender zum Zweck der Performance.“ Auch Cher sei eine Drag Queen.
Dass auch Trans*frauen die Geschlechterordnung subvertieren und Drag als Mittel dazu nutzen, verlor RuPaul offenbar aus dem Blick. Fans und ehemalige Queens, darunter einige Trans*Queens der Show, protestierten. RuPaul entschuldigte sich später auf Twitter: „Jeden morgen bete ich, dass ich alles was ich zu wissen glaube, beiseite lassen kann, um offen zu sein und neue Erfahrungen zu machen. Ihr seid meine Lehrer*innnen“, schrieb sie.
Die Diskussion verläuft also produktiv. Es ist nämlich die Solidarität, die die Sendung von anderen Reality-Formaten unterscheidet und sie ist auch, was der Diskussion um die Deutungshoheit über Drag nur gut tun kann. Die 10. Staffel war vor dem Trouble des letzten Monats bereits abgedreht. Für die 11. Staffel aber ist alles offen: Vielleicht spiegelt ja die nächste Zusammensetzung die Lerneffekte wieder, die in RuPauls Entschuldigung angeklungen sind.