Dozentin Mitrovic über Frauenhandel: "Prostitution ist immer noch ein Tabu"
Oft sind es Freier, die auf die Zwangslage von Prostituierten aufmerksam machen. Diese aufzuklären sei besser als zu bestrafen, meint Prostitutions-Expertin Mitrovic.
taz: Frau Mitrovic, Justizministerin Zypries hat vorgeschlagen, die Freier von Zwangsprostituierten hart zu bestrafen. Ist das der richtige Weg?
Emilija Mitrovic: Das bedeutet, die Freier zum Gegner zu machen. Ich halte diesen Weg für sehr schwierig. Wenn es heute überhaupt Hinweise auf Zwangslagen von Prostituierten gibt, dann kommen die oft von Freiern. Wenn diese sich strafbar machen, werden sie sich nicht mehr an die Polizei wenden. Es ist besser, die Freier aufzuklären: Sie für Hinweise auf Zwangsprostitution zu sensibilisieren und Freiertelefone einzurichten.
Die Bundesregierung setzt aufs Strafrecht. Was wäre Ihr Ansatz?
Um den Frauenhandel anzugehen, müßten ganz andere Aufklärungskampagnen und vor allem eine Enttabuisierung der Prostitution stattfinden. So lange man die Arbeitsbedingungen von Prostituierten nicht diskutieren kann, ändert sich auch nichts.
Diese Enttabuisierung sollte das Prostitutionsgesetz von Rot-Grün leisten.
Aber an der Doppelmoral hat sich nichts geändert. Prostitution ist kein "anständiger" Beruf. Das erkennen Sie an Sperrgebietsverordnungen, Gewerbeverboten und ähnlichem. An den Arbeitsbedingungen selbst ist da kein Mensch interessiert.
Das erhofft sich die CDU von der Freierbestrafung: Die Freier müssen sich dann für die Arbeitsbedingung der Prostituierten interessieren.
Das ist eine Illusion. Die Freier werden nicht jedesmal die gesamte Situation einer Prostituierten erkunden, das ist unmöglich. Der einzige Weg, um diese Bedingungen zu verbessern ist die Stärkung der Prostituierten selbst.
Und wie?
Wenn sie ein Bleiberecht bekommen würden, falls sie in einem Prozess gegen Menschenhändler aussagen, dann würden mehr Frauen sich dies trauen. Doch heute werden sie nach dem Prozeß nach Hause geschickt. Da sitzt unter Umständen der Menschenhändler und will sich rächen. Unter solchen Bedingungen sagt niemand in Prozessen aus. Man müßte auch die Beratungsstellen stärken. Aber das ist natürlich teurer als so ein Gesetz.
Prostitutierten-Organisationen haben eine Art Gütesiegel vorgeschlagen, für "saubere" Bordelle. Ist das gut?
Ich weiß nicht. Wer soll das kontrollieren? Und wie soll der Bordellbesitzer oder die Kontrollinstitution sehen, ob die Papiere der Frauen gefälscht sind oder nicht? Man kann nur den Frauen selbst Instrumente an die Hand geben, sich zu wehren. Wichtig ist, dass erstmal das Prostitutionsgesetz richtig umgesetzt wird. Es gibt nur wenige Städte wie etwa Dortmund, die dafür sorgen, dass Prostituierte ihr Gewerbe anmelden können. In Hamburg zum Beispiel geht das nicht.
Über die Hälfte aller Prostituierten sind Ausländerinnen. Sie haben oft nur Touristenvisa und arbeiten deshalb illegal. Denen ist nicht geholfen, oder?
Das stimmt. Und wer nicht legal hier ist, nimmt Hilfe von Schleusern und Vermittlern an, die dann eben auch zu Menschenhandel ausarten kann. Eine Green Card, ein Visum für Saisonarbeit, solche Regelungen kann man sich überlegen, um die Migrantinnen aus der Grauzone heraus zu holen.
Sehen Sie dafür eine Chance?
Nein. Mit der CDU in der Regierung wird es keine Fortschritte geben. In der CDU versteckt man sich hinter dem Satz, Prostitution sei kein normaler Beruf. Und dann macht man Prostituierten das Leben schwer: Doppelmoral eben.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!