Dosen raus

Lokale Initiativen kämpfen gegen Getränkedosen im Handel, teilweise erfolgreich  ■ Aus Herrischried Markus Fortwängler

Wenn die Kleinen dem großen Dualen System ein Bein stellen können, dann liegt der Rückgriff auf populäre Vorbilder nahe: „Wir befinden uns im Jahr 1993 nach Christus. Ganz Deutschland ist von der Verpackungsindustrie besetzt. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Hotzen bevölkertes Dorf hört nicht auf, der Verpackungsflut Widerstand zu leisten.“ Frei nach Asterix verkündeten die beiden Initiatorinnen des „Ökoteams Hotzenwald“, Iris Wallaschek und Erika Jeske, ihren Sieg gegen die Getränkedose. In den drei Lebensmittelgeschäften der 2.000-Seelengemeinde Herrischried in Baden-Württemberg gibt es seit April 1992 keine Getränke in Dosen mehr zu kaufen. Die zwei Frauen hatten einfach den Inhaber des größten örtlichen Marktes angesprochen. Dem gefiel die Idee – die beiden anderen, kleineren Geschäfte zogen mit.

Solche Anti-Dosen-Initiativen auf Graswurzelebene gibt es immer mehr in der Bundesrepublik. Am bekanntesten dürfte der Göttinger Stadtteil „Holtensen Berg“ mit rund 4.000 EinwohnerInnen sein, in dessen zwei Läden seit über drei Monaten keine Getränkedosen mehr stehen.

Bereits 1991 kam es zu Wyk auf Föhr zum „Föhrer Dosenschwur“. Anlaß war das „Integrierte Inselschutzkonzept“ der Kieler Landesregierung, das Bewegung in die Insel-Umweltpolitik brachte. Seitdem verzichten die Händler auf der „grünen Insel“ (Föhrer Eigenwerbung) auf Getränkeeinwegverpackungen, insbesondere Dosen. Martin Schmidt vom Umweltzentrum auf Föhr sieht diese Erfolge in erster Linie als Marketing-Instrument der Inseln, die, weil es fast keine Industrie dort gibt, auf Tourismus angewiesen sind. Die Eilande seien überschaubar, die Touristen im Urlaub sensibler als sonst.

Auch der Vorsitzende des Handels- und Gewerbevereins auf der kleineren Nachbarinsel Amrum, Matthias Theis, ist überzeugt, Umweltschutz sei kein Kosten-, sondern ein Werbefaktor. „Der Verbraucher ist willig“, so Theis. „Die Verpackungsindustrie interessiert uns nicht.“ Die Geschäfte der Insel von 2.400 Einwohnern und zusätzlich in der Saison rund 11.000 Urlaubern haben sich ebenfalls zur Abkehr von der Getränkedose aufgerafft, auch wenn dieser Schritt hier weniger medienwirksam verkauft wurde.

Das Beispiel Göttingen zeigt jedoch, daß der Kampf gegen die Getränkedose von unten nicht immer ganz einfach ist. „Wenn Aldi in der Nähe ist, haben wir keine Chance“, sagt Gerd Sanders von der Aktionsgruppe „Total Tote Dose“. Denn: Was im dosenfreien Stadtteil Holtensen Berg problemlos funktioniert, geht in der Umgebung des Mehrwegboykotteurs mit den großen Umsatzzahlen keineswegs. Die Kaufleute haben Angst, daß die Dosen einfach bei der Konkurrenz gekauft werden, wenn sie allein darauf verzichten.

Die Erfahrung, daß Verpackungsindustrie und Billigstdiscounter um keinen Preis von der Getränkedose lassen wollen, machte Gerd Sanders, als die AktivistInnen das Gespräch mit deren VertreterInnen suchten. Und dieser Widerstand gegen die Einsicht in ökologische Notwendigkeiten macht auch anderen zu schaffen, die weitaus mächtiger als der Göttinger Schüler sind.

Die bayrische Landeshauptstadt München verbot als erste Kommune 1991 Einweg-Getränkeverpackungen. Der Handel ging jedoch sofort vor Gericht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin war dann die Niederlage der „Weltstadt mit Herz“ perfekt. Zwar zeigten sämtliche Richter „Verständnis für den von der Landeshauptstadt eingeschlagenen Weg, der eine sinnvolle Lösung des Problems verspricht“. Aber: Einer Kommune stehe es nicht an, sich über Bundesrecht, sprich die Töpfersche Verpackungsverordnung mit dem grünen Punkt, hinwegzusetzen.

Der Kampf geht weiter. Die Stadt Kassel, die auf Einwegdosen, -flaschen und -geschirr in der Imbißgastronomie ab Juli 1992 eine Steuer erheben wollte, findet sich ebenso vor den Verwaltungsgerichten wie die Städte Freiburg und Frankfurt, die gegen Einwegverpackungen warben und nun wegen angeblicher, natürlich ungerechtfertigter „Boykottaufrufe“ vor den Kadi gezogen wurden. Die Urteile stehen aus. Das Problem: „Es gibt bis heute noch keine gesetzlichen Kriterien für eine Ökobilanz von Dosen und anderen Einwegverpackungen“, erklärt Lothar Krikowski vom BUND im badischen Ettenheim. Deshalb haben die Klagen des Handels weiterhin Chancen auf Erfolg.