Korruption bei Bürgermeisterwahl: Wie ein Mafiakrimi
Ein kleiner Ort in Kroatien wird Schauplatz eines politischen Dramas – zwischen Hoffnung auf Wandel, Mafia-Methodik und einem korrupten Bürgermeister.
K ein normaler Sonntagabend an der Adria (Ost). In ganz Kroatien werden die Ergebnisse der Lokalwahlen erwartet, Bürgermeister, Gemeinderäte, Länderbezirke und Länderchefs. Nur eine Gemeinde wird keine offiziellen Ergebnisse bekannt geben: Baška Voda an der hochtouristischen Makarska Riviera in Dalmatien.
Aber zunächst versammelt sich das Oppositionsbündnis im kleinen Hotel seines Bürgermeisterkandidaten. Als bekannt wird, dass die Liste „Die Drei Buchten“ zusammen mit dem Oppositionsbündnis zum ersten Mal die Mehrheit im Gemeinderat stellen wird, gibt es großen Jubel, alle liegen sich in den Armen, Tränen laufen.
Nach wenigen Momenten geht es weiter, Männer in engen Anzügen und eine Frau laufen hin und her, rufen telefonierend Zahlen durch die Luft. Irgendwann steht fest: Der seit 32 Jahren amtierende Bürgermeister konnte nicht geschlagen werden. Mit 53 Stimmen mehr als sein Herausforderer wird er seine neunte Amtszeit antreten. Die Stimmung ist bei minus sieben, die Akkordeonspieler packen ihre Instrumente ein, der exquisite Pršut auf dem Büfett beginnt zu schwitzen.
Es gibt aber noch eine Hoffnung: In einer der Buchten fand sich in der Urne mit den Stimmen zur Bürgermeisterwahl ein Wahlzettel mehr als offiziell abgegebene Stimmen. Am nächsten Tag entscheidet die Wahlkommission: Diese Wahl muss wiederholt werden.
Die darauffolgende Woche läuft in den dalmatinischen Buchten ab wie ein Mafiakrimi, Drohanrufe bei der Opposition, Geldangebote, ein zufällig auf dem Mülleimer vor dem Haus eines Oppositionsunterstützers platziertes Stichmesser, Gerüchte über Spione und Verräter, Diffamierung einzelner Kandidaten als Kriminelle und Männer, die in Standbars ihre Bekannte auf Knien anflehen, den alten Bürgermeister wiederzuwählen.
Kroatien ist mini
Dieser klagt bis zum Verfassungsgericht gegen die Wahlwiederholung, wird abgewiesen, gewinnt aber am darauffolgenden Sonntag knapp mit acht Stimmen Mehrheit. Die örtliche Feuerwehr fährt mit Löschfahrzeugen und Martinshorn durch die Buchten. Anwohner und Tourist*innen fragten sich, ob sie ihr Sachen packen und evakuiert werden müssen, weil der Wald wieder brenne.
Es brennen allerdings nur die Sicherungen der Feuerwehrmänner. Die feiern den Sieg des Bürgermeisters so, dass jedem klar wird, wie eng die Bande zwischen ihnen und dem über die Grenzen der Gemeinde hinaus bekannten Rekordbürgermeister sind, der gerade dabei ist, die letzten Flecken Wald seiner Gemeinde an ausländische Investoren zu verkaufen. Zementsäcke, Betonplatten und Metallbuden wurden vor der Wahl wie ein Zeichen platziert: Hier ging wieder viel Geld über die Gemeindetheke.
Allein – das viele Geld, das die Gemeinde durch touristische Einnahmen und den Verkauf von Land erwirtschaftet, fließt nur in geringsten Mengen in den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur.
Kroatien ist mini, Dalmatien noch mehr mini, und die drei Buchten sind nur drei Buchten. Was aber hier in den letzten Wochen zu beobachten war, ist ein beeindruckender Kampf von politisch bisher kaum organisierten Bürger*innen gegen Korruption, Vetternwirtschaft, Einschüchterung und die Demolierung des Lebens durch den Ausverkauf an den Massentourismus.
30 Jahre nach dem Ende der Unabhängigkeitskriege im zerfallenden Jugoslawien sind die postsozialistischen Eliten fällig. Viele der heute unter 30-Jährigen beschreiben sich als unideologisch. Seit Jahren spiegelt sich das in Neugründungen politischer Listen wider, in den beiden größten Städten Kroatiens stellen unabhängige, linksliberale Kandidaten den Bürgermeister.
Auch in den drei Buchten an der Makarska Riviera bereitet man sich nun auf den nicht nur meteorologisch gesehen heißesten Sommer in der Geschichte des unabhängigen Staats vor.
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