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Dorf gegen AutobahnMoorburg kämpft nicht allein

Von den Plänen der „Hafenpassage“ ist das Dorf Moorburg besonders betroffen, hat sich aber mit Anliegern zusammengeschlossen, um das Projekt zu verhindern

Stelzenbau neben Bullerbü-Idylle: Die Hafenpassage würde dicht an Moorburg (linker Bildrand) vorbeiführen Foto: Illustration: Verkehrsbehörde

Schmucke Häuser an einer kurvigen Straße, Kirschbäume auf dem Deich und unendlich scheinendes Grün hinter den Häusern – Moorburg ist ein Dorf mit Bullerbü-Qualitäten. Wenn da nicht die A7 wäre, die das über 700 Jahre alte Straßendorf zerschneidet, wenn da nicht am Ostrand das Kohlekraftwerk wäre und nicht im Nordwesten die blau-roten Kräne Altenwerders, die an das Damoklesschwert erinnern, das über Moorburg hängt: dass das Dorf seit 1982 zum Hafenerweiterungsgebiet gehört.

Obendrauf kommen nun die Pläne für eine weitere Autobahn: die A26-Ost, die in unmittelbarer Nähe zum Wohngebiet, im noch unberührten, naturbelassenen Süden von Moorburg verlaufen soll.

Am Mittwochabend haben die Moorburger im vollen, 250 Personen fassenden Saal des Gasthauses „Moorkathen“ den Verantwortlichen der Verkehrsbehörde klargemacht, dass sie sich mit den präsentierten Plänen für die A26-Ost so nicht abfinden wollen. Zusammen mit Initiativen aus den anderen Anliegergebieten wie Bostelbek und Wilhelmsburg hatten sie sich zum „Bündnis Verkehrswende Hamburg“ (BVH) zusammengeschlossen und die Einladung der Behörde, „Kommen wir ins Gespräch“, angenommen.

Doch die Gesprächsbasis ist denkbar schmal. Das Bündnis will nicht über die Linienführung diskutieren, sondern lehnt das gesamte Projekt als „rückwärtsgewandt“ und „zynisch“ ab: Hamburg brauche keine neue Autobahn. Stattdessen müsse die Haupthafenroute über die Köhlbrandbrücke ertüchtigt und der öffentliche Nahverkehr dringend ausgebaut werden, fordern die Gegner der A26-Ost.

Hafenpassage

Die Hafenpassage hat drei Planungsabschnitte: von der A7 bis Moorburg, weiter bis zur Hohen Schaar und bis Stillhorn.

Ein Planfeststellungsverfahren gibt es für jeden Abschnitt. Für den Moorburger Teil beginnt es bereits am 17. Februar.

Für den Abschnitt in Wilhelmsburg soll es erst Mitte 2018 beginnen. Zur Vorbereitung wird am 1. Februar 2017 im Bürgerhaus Wilhelmsburg ein mehrmonatiger Beteiligungsprozess eingeleitet.

Dieses zirka 10 Kilometer lange Stück Autobahn soll laut Verkehrsbehörde „eine Lücke im Hamburger Straßennetz“ schließen und eine seit Jahrzehnten diskutierte Verbindung zwischen den Autobahnen A7 und A1 im Hamburger Süden herstellen.

„Solche Großprojekte lassen sich gar nicht durchsetzen, wenn sie nicht für die Bürger erhebliche Vorteile bringen“, versuchte Peter Pfeffermann das aufgebrachte Publikum in Moorburg zu beschwichtigen. Der Projektleiter der mit dem Bau beauftragten Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) versicherte, dass stark befahrene Straßen wie die B73 in Harburg und der Moorburger Elbdeich entlastet würden, dass an Lärmschutz selbstverständlich gedacht worden sei und die bedrohte Bekassine gar nicht aus Moorburg vertrieben werden könnte, weil es ihr dort ohnehin bereits „viel zu verlärmt“ sei.

„Das ist nicht wissenschaftlich, was Sie uns da präsentiert haben, sondern eher Veralberung“, kritisierte der Wilhelmsburger Matthias Böllkow und war dabei nur einer von vielen, die Pfeffermanns Beteuerung einer allgemeinen Entlastung, die die Hafenpassage angeblich mit sich bringe, als „zynisch“ empfanden.

„Wir werden Gespräche führen mit politischen Parteien“, kündigte der Moorburger Stephan Zins vom Bündnis an und gab sich, unterstützt von den Anwesenden, kämpferisch: „Wir werden nicht nachlassen, dieses Ding zu verhindern.“ Denn der Lärm und die Schadstoffe, die die neue Autobahn mit sich bringe, bedeuteten für Moorburg den „Todesstoß“.

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7 Kommentare

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  • Wer an die Notwendigkeit der Hafenquerspange glaubt, der glaubt offenbar, dass in 30 Jahren immer noch dieselgetriebene LKW mit einem Fahrer am Lenkrad durch den Hafen fahren. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch äußerst gering, weshalb das Bundeskabinett am 25.1.2017 einen Gesetzentwurf für das automatisierte Fahren verabschiedet hat. Dobrinth spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer „historischen Mobilitätsrevolution“ die jetzt ansteht. Dass dieser Verkehr andere Straßen braucht, davon spricht er (noch) nicht. Das müssen dann wohl die Anwohner tun.

  • Es stimmt.

    Herr Pfeffermann von der DEGES hat auf der Veranstaltung tatsächlich versucht eine Autobahn, die den Ort auf drei Seiten umschließen und verlärmen würde und der teuerste Autobahnabschnitt innerhalb des Bundesverkehrswegeplans ist damit zu rechtfertigen, dass ja eine verkehrliche Entlastung des Moorburger Elbdeichs eintreten würde.

    Um etwa 4.000 Fahrzeuge pro Tag.

    Unabhängig davon, dass ich mich sofort gefragt habe, ob überhaupt so viele Fahrzeuge da lang fahren, würde eher das Gegenteil eintreten.

    Die auf der Trasse der A 26-Ost zusätzlich geplante Anschlußstelle südlich von Moorburg, die den Namen Hafen-Süd tragen und mit dem Moorburger Hauptdeich verbunden werden soll, würde aus dem Moorburger Elbdeich einen Autobahn-Zubringer machen und damit die Verkehrsbelastung erhöhen.

    Es gäbe eine direkte Verbindung zwischen der Waltershofer Straße, dem Moorburger Elbdeich und dem Moorburger Hauptdeich hin zur Anschlußstelle Hafen-Süd. Fahrzeuge aus Richtung Autobahn und in Richtung Autobahn würden diesen Weg benutzen, weil er sich einfach anbietet. Besonders bei einem der Staus auf der Waltershofer Straße.

    Wenn es darauf ankommt, den Moorburger Elbdeich von Verkehr zu entlasten, gäbe es eine viel naheliegendere und preiswertere Lösung, die in kurzer Zeit zu realisieren wäre.

    Man bräuchte nur die parallel zum Moorburger Elbdeich laufende Straße hinter dem alten Elbdeich, auf der momentan nur vereinzelt LKW der HPA fahren, für den Verkehr freigeben.

    Diese Straße bräuchte man an den Endpunkten nur mit dem Moorburger Elbdeich verbinden, und könnte so jeden Durchgangsverkehr von den Häusern des Ortes fernhalten.

    Der Moorburger Elbdeich könnte als Sackgasse zur Anwohnerstraße umfunktioniert werden.

    Ein Vorschlag, der schon vor Jahren von den Bürgern formuliert, aber von der HPA verworfen wurde...

    • @Rainer Böhrnsen:

      Eine Anwohnerstraße für Anwohner, die es in absehbarer Zeit nicht mehr dort geben wird, würde zwar zu den vielen Verkehrspossen der Stadt passen, aber man muss es mit schwarzem Humor ja nicht übertreiben. ;-)

       

      Das Fz-Aufkommen für städtische Straßen sind übrigens online auf der Internetpräsenz der Stadt zu finden, falls man daran zweifelt. Planung braucht eben Grundlagen, nicht Bauchgefühle.

      • @Verkehrsfritze:

        Das es am Moorburger Elbdeich in absehbarer Zeit keine Anwohner mehr geben wird, ist zwar offizielle Politik, aber wir arbeiten ja dran, dass dem nicht so sein wird. Und wenn einem dort jemand Verkehrsentlastung einreden will, ist es nicht falsch, das kritisch zu hinterfragen. Übrigens gibt es für das Teilstück des Moorburger Elbdeichs zwischen Kreuzung Kattwykdamm an einem Ende und Kreuzung Waltershofer Str. am anderen Ende keine Daten auf der Internetpräsenz der Stadt, weil es dort keinen Meßpunkt gibt. Das Bauchgefühl dürfte somit auf Seiten der DEGES liegen...

        • @Rainer Böhrnsen:

          Nein, eben nicht, da es sich im sog. induzierte Verkehre handelt, die zwar nicht aufs Fz genau, aber schon recht präzise prognostiziert werden (können). Ohne die Berücksichtigung von Pull- und Push-Effekten könnte man gar keine Straße jemals planen.

           

          Kamü Müller: kann ich nachvollziehen. Veränderungen mögen nur wenige Menschen, insb. wenn es ihr unmittelbares Umfeld betrifft. Bloß gibt ein gepachtetes (auch kein gekauftes) Grundstück kein Recht auf Stillstand des gesamten Umfeldes. Großstädte lebten schon immer von Veränderungen und Projekte, die der Allgemeinheit nützen und u.U. für einzelne auch Einschränkungen bedeuten können. Das sehen wir ja auch bei der U5, die beim Hartzloh (nähe Steilshoop) dieses Jahrhundertprojekt ablehnen, weil sie temporär Baulärm am Tage fürchten. Deren Protest ist natürlich legitim, keine Frage, aber es bleibt zu beantworten, ob man aufgrund solcher Einzelproteste ÖPNV-Projekte für Hunderttausende Bürger der jetzigen und kommenden Generationen einstampft oder sie, ggf. mit einigen Kurskorrekturen, trotzdem umsetzt. Dass Moorburg früher oder später daher Platz für Neues schaffen muss und die Wohnnutzung nur temporär ist, wissen wir ja nun seit 35 Jahren, wenn die Angabe (1982) im Artikel korrekt sein sollte (wovon ich einfach mal ausgehe). Da kann man auch froh darüber sein, dass man es solange für private Zwecke inanspruchnehmen konnte.

          • @Verkehrsfritze:

            Niemand weiss, dass der Ort früher oder später Platz machen muss für etwas anderes. Das mit der "Hafenerweiterung" steht auf dem Papier, dass in der Tat mal vor 35 Jahren mit Absichtserklärungen zum Ort beschrieben wurde, denen aber längst die Grundlagen abhanden gekommen sind. Jedermann weiss, dass Moorburg seit 35 Jahren für den Hafen nicht gebraucht wird, obwohl mal behauptet wurde, es müsse dort spätestens Mitte der 90er Jahre ein Hafen sein. Solche politischen Absichtserklärungen, zumal sie sich faktisch überholt haben, als eine Art Naturgesetz zu betrachten liegt ziemlich neben der Sache...

            Und auf dem Moorburger Elbdeich handelt es sich nicht um induzierte Verkehre, sondern um 4.000 Fahrzeuge, durch die der Moorburger Elbdeich beim Bau der A 26-Ost entlastet werden soll. Ein Meßpunkt liegt auf der Kattwyk-Brücke und einer im Abschnitt Moorburg-West, die Spitzenbelastungen von jeweils 6.000 bis 7.000 Fahrzeugen messen. Hinter beiden Punkten teilt sich der Verkehr, sodass niemand weiß, wieviele Fahrzeuge auf dem Moorburger Elbdeich verbleiben. Eine Entlastung um angeblich 4.000 Fahrzeuge könnte sogar zu einer negativen Bilanz führen. Zusammengeschustertes Geschwafel der DEGES, wie auch an anderen Punkten...

      • @Verkehrsfritze:

        Eine Anwohnerstraße würde mich von einer "Anwohnerin, die es in absehbarer Zeit nicht mehr dort geben wird" zu einer "Anwohnerin, die bleiben würde" machen. Weil ich das "Fz-Aufkommen für städtische Straßen" nach städtischen Berechnungen anzweifele. Wg. der vielen Verkehrspossen eben.... STOP A26!!!