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Doppelstaatler in der TürkeiDeutschland hilft Deutschen nicht

Die Türkei betrachtet Deutschtürken vor allem als Türken. Das deutsche Konsulat in der Türkei bietet ihnen keine Hilfe an.

Vorsicht beim Reisen, Deutschtürken: Bei „hoheitlichen Maßnahmen“, wie Festnahmen durch die Polizei, gibt es keine Hilfe vom Konsulat Foto: dpa

Freiburg taz | ­Deutschtürken mit doppelter Staatsbürgerschaft sollten bei Reisen in die Türkei besonders vorsichtig sein. Sie können nämlich nicht mit deutschem konsularischen Schutz gegen „hoheitliche“ Maßnahmen des Staats rechnen. Darauf macht das Auswärtige Amt (AA) in einem „aktuellen Hinweis“ auf seiner Webseite aufmerksam.

Als mögliche Maßnahme werden derzeit nur „Reisebeschränkungen bei der Ausreise“ genannt. Der frühere Hinweis auf die sofortige Einziehung zum Militärdienst wurde gestrichen. Eine mögliche Verhaftung von (vermeintlichen) Aktivisten der Gülen-Bewegung wird vom AA nicht angesprochen, dürfte aber eine reale Gefahr sein.

Wenn ein deutscher Staatsbürger im Ausland inhaftiert wird, kann er verlangen, dass die deutsche Botschaft oder ein deutsches Konsulat benachrichtigt werden. Das ergibt sich aus völkerrechtlichen Verträgen. Die Diplomaten können den Deutschen dann besuchen und ihm schreiben. Sie können sich für ordentliche Haftbedingungen einsetzen, den Kontakt zu Angehörigen herstellen und einen geeigneten Anwalt empfehlen. Konsulatsbeamte können freilich nicht auf das Strafverfahren selbst einwirken oder gar die Entlassung bewirken.

Diesen konsularischen Schutz gewährt die Bundesrepublik auch Doppelstaatlern. Nur im Land der anderen Staatsangehörigkeit – also zum Beispiel in der Türkei – ist dies meist nicht möglich. Denn der türkische Staat sieht Deutschtürken zunächst als Türken und nicht als Deutsche. Sie verbittet sich daher die konsularische Einmischung Deutschlands. Das ist international üblich.

Bei Notlagen, die nicht aus hoheitlichen Maßnahmen des türkischen Staates resultieren, können natürlich auch Doppelstaatler in der Türkei deutsche konsularische Hilfe bekommen, etwa bei Krankheiten, Unfällen oder wenn einer der Reisenden unterwegs verstirbt.

Nach dem Zensus 2011 hatten in Deutschland 4,3 Millionen Menschen eine doppelte Staatsangehörigkeit. Davon besaßen rund 530.000 Personen neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit. Die Deutschtürken waren nach Deutschpolen (690.000) und Deutschrussen (570.000) die drittgrößte Gruppe unter den Doppelstaatlern.

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5 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Ich weiß nicht wie es in der Türkei geregelt ist. Aber in meinem Falle kann ich mich in Polen nicht auf meine zusätzliche deutsche Staatsbürgerschaft berufen:

     

    "Doppelte Staatsbürgerschaft

     

    Ein polnischer Staatsbürger kann gemäss polnischem Recht gleichzeitig als Staatsbürger eines anderen Staates anerkannt werden.

     

    Er kann aber nicht seine andere Staatsbürgerschaft auf dem Territorium der Republik Polen in Anspruch nehmen, um sich den Konsequenzen des geltenden polnischen Rechts zu entziehen. "

     

    Quelle: http://www.berno.msz.gov.pl/de/konsulat/polnische_staatsburgerschaft/doppelte_staatsburgerschaft/

  • Wieso wird zunächst in diesem Artikel, und vor allem der Überschrift, suggeriert, dass es ein besonderes, außergewöhnliches Vorgehen der Konsulate ist? Wie IM Artikel selbst erklärt: Zitat : "Diesen konsularischen Schutz gewährt die Bundesrepublik auch Doppelstaatlern. Nur im Land der anderen Staatsangehörigkeit – also zum Beispiel in der Türkei – ist dies meist nicht möglich. Denn der türkische Staat sieht Deutschtürken zunächst als Türken und nicht als Deutsche. Sie verbittet sich daher die konsularische Einmischung Deutschlands. Das ist international üblich." Zitat Ende. Das ist Effekthascherei und in der momentanen Situation wird damit nur Wasser auf die Mühlen derjenigen gegeben, die meinen, Türken würde in Europa besonders schlecht behandelt werden. Dabei geht das jedem mit doppelter Staatsbürgeschaft in seinem "anderen" Heimatland so.

  • Alles andere wäre auch sonderbar ... umgekehrt wäre es doch auch nicht möglich.

  • Diese Leute sind doch in der Türkei Türken. Sie haben in der Türkei Anspruch auf Hilfe wie jeder andere Türke auch. Muttersprachliche Deutsche Haben diese Vorteile nicht. Also sind Deutsche mit deutschmuttersprachlichem Hintergrund in der Türkei im Nachteil. Es gibt gute Gründe (Erbrecht zB.) die türkische Staatsangehörigkeit zu behalten. Aber Deutsche die auf einen Wink von Erdogan in Deutschland Druck gegen Kurden und Oppositionelle machen müßen sich halt den Verdacht ausgesetzt sehen dass es mit dem Deutschsein nicht so ernst gemeint ist.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @conny loggo:

      "Sie haben in der Türkei Anspruch auf Hilfe wie jeder andere Türke auch."

       

      Anspruch auf Hilfe "wie jeder andere" dürfte in den meisten Staaten an die Residenz geknüpft sein.