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Doppelmord aus LiebesmangelDie Eislady mit der Kettensäge

Estis Eissalon bleibt zu: Die Wiener Eisverkäuferin gab zu, ihre beiden Liebhaber ermordet, zerstückelt, in die Gefriertruhe gesteckt und dann einbetoniert zu haben.

Eiskalter Engel: Eisverkäuferin Estibaliz. Bild: reuters

WIEN taz | In Österreich kennt man sie als die Eislady. Das Lächeln der ehemaligen Inhaberin des Eissalons „Schleckeria“ in Wiens proletarischem Bezirk Meidling ist dank der Boulevardpresse in allen Haushalten gegenwärtig. Und sicherlich hätte die Werbewirtschaft die 34-jährige Estíbaliz C. längst als Sympathieträgerin entdeckt, wären da nicht diese unschönen Blutflecke in ihrer Biographie.

Esti, wie sie von manchen Blättern liebevoll genannt wird, gestand am Montag gleich am ersten Verhandlungstag beide Morde, die ihr von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen werden. Und sie sparte nicht mit drastischen Worten. Da ist von abgetrennten Gliedmaßen die Rede, von Leichenteilen im Plastiksack und blutgetränkten Matratzen.

Estíbaliz C. hat, wie ihr Verteidiger entschuldigend ausführte, einen Hang zu dominanten Männern. Die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner, die die Angeklagte 30 Stunden lang interviewte, beschreibt sie als „Prinzessin“, die auf den Prinzen warte, der sie retten würde. Der Deutsche Holger H., den sie vor zehn Jahren in Deutschland ehelichte, war sicherlich kein Prinz, der sie auf Händen trug.

Gemeinsam übersiedelten sie 2005 zunächst nach Wien, wo sie den Eissalon übernahmen, doch bald stellte sich bei der Frau Ernüchterung ein. Das Geschäft ging nicht gut, der Mann war lieblos. Es dürfte gar nicht Brutalität gewesen sein, die die Ehe zerstörte, sondern Gleichgültigkeit. Die unverstandene Ehefrau, so das Resümée der Psychiaterin, habe schließlich Tötungsphantasien entwickelt, die dann von einer möglichen Alternative zum einzig denkbaren Ausweg aus dem Ehegefängnis gewachsen seien.

Zerstückelt und eingefroren

Die Ehe war bereits geschieden und Estíbaliz hatte einen Liebhaber, doch das Paar lebte noch zusammen. Eines abends kam es zum Streit mit dem Ex. Dann „habe ich seine Waffe gesehen, sie genommen und von hinten auf ihn geschossen“, wie Estíbaliz vor Gericht schilderte. Das Verbrennen des Leichnams soll zuviel Rauch erzeugt haben. Also erwarb die Witwe eine Motorsäge und zerstückelte die sterblichen Überreste Holgers, die sie dann in Plastik verpackte und im Keller des Eissalons in der Tiefkühltruhe lagerte.

Doch auch Manfred H., der neue Lebensgefährte, verstand den Mädchenträumen der Geschäftsfrau nicht gerecht zu werden. Vor den Geschworenen am Wiener Landesgericht sagte sie Montag aus, er habe sich über ihren „wabbligen Hintern“ lustig gemacht. Wohl nur ein Exempel für zunehmende Lieblosigkeit. Manfred H. wurde im November 2010 im Schlaf erschossen, ebenfalls per Kettensäge portioniert und im Keller zwischengelagert. Die Tiefkühltruhe nahm sie dann vom Netz und ließ sie hinter einer Betonschicht verschwinden. Zumindest bis Anfang letzten Jahres die Ermittler, die nach dem verschwundenen Mann forschten, in den Keller vorstießen.

Die flüchtige Eislady wurde wenig später im norditalienischen Udine gefaßt, wo sie schnell einen neuen Gefährten gefunden hatte. Auch aus der Untersuchungshaft verfehlte das gewinnende Lächeln der Verdächtigen nicht seine Wirkung. Der 47jährige Roland R., der sie nach eigenen Angaben für einen „liebenswerten aber gestörten“ Menschen hält, verliebte sich via Internet in die Doppelmörderin und entlockte ihr vergangenen März in der Justizanstalt das Jawort. Schon am 11. Januar hatte Roland Junior – quasi hinter Kerkermauern – das Licht der Welt erblickt, wurde der Mutter aber umgehend abgenommen. Er wächst jetzt bei der Großmutter in Spanien auf.

Dass Mutter und Kind jemals wieder vereinigt werden, ist unwahrscheinlich. Estíbaliz C. selbst bat zwar um eine Therapie und Überstellung nach Spanien, wo sie sich an den Nachmittagen im Gefängnis um ihr Kind kümmern will. Gerichtspsychiaterin Kastner hält C. aber für unfähig, ein Kind zu erziehen. Gleichwohl sei sie zurechnungsfähig aber wegen ihrer „hochgradigen psychischen Gestörtheit“ gefährlich. Nach gängiger Praxis wird die Richterin dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen, die Frau wegen zweifachen Mordes unbefristet in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. Man kann davon ausgehen, dass an den Filmdrehbüchern über die „Eislady mit der Kettensäge“ bereits gearbeitet wird.

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6 Kommentare

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  • JM
    J. Murat

    Chapeau, "polytechniker", diese Ihre Analyse ist - mit Verlaub - brilliant.

    Ob sich die BILD-Redaktion der "taz" jedoch ihres genialen Werkes bewusst ist wage ich zu bezweifeln.

     

    Je vous prie d’agréer, Monsieur, mes respectueuses salutations.

     

    Joachim Murat

  • KF
    karl friedrich

    Mich graust schon vor den in nächster Zeit sich häufenden Berichten über starke Frauen - bis dann endlich die Quote der belegten Vollzugsplätze erfüllt ist.

  • PG
    Pech gehabt

    Das gibt eine verödete Leserkommentarspalte hier. Keine Moslems, keine Nazis, keine Ostdeutschen, keine Türken .... Nur die Erkenntnis, daß Menschen halt manchmal unheimlich gestört und brutal sind. Schöne Sch.... aber auch... Sollte das vielleicht doch einfach zum Menschsein dazugehören?

    Kann nicht wenigstens noch mal schnell jemand darauf kommen, daß sie vielleicht eine christliche Erziehung hatte oder so was? Dann können wenigstens wieder die üblichen Verdächtigen alles auf ihre liebste Weise erklären.

  • P
    polytechniker

    @J.Murat

     

    Das verwendete Bild ist eine fantastische Komposition und könnte aus der Pressemappe des zukünftigen Films stammen: der unschuldige, kindliche Blick einer dezent geschminkten Guapa im grauen Büßergewand! Daneben der glatzköpfige (Kompetenz!) Anwalt, der sich seinem Blick nach, niemals trauen würde seiner Mandantin den Rücken zu zudrehen. Für die Edgar-Wallace Überschrift gibt es einen Extrapunkt.

     

    Das deckt die gesamte Bandbreite ab, von Jeanne d’Arc bis Ed Gein. Und als Soundtrack: Jeanette - porque te vas.

    Kann man sich gar nicht ausdenken sowas.

  • O
    OPP

    @Murat: Wie wärs, wenn du dich erstmal um deine eigene ideologische Verblendung und deine Vorurteile kümmerst? Die taz ist nämlich weniger ideologisch, als du selbst. Und über was Journalisten einer unabhängigen Zeitungen schreiben, hast du auch nicht zu bestimmen. Wenn dir ein Thema nicht gefällt, solltest du es einfach nicht lesen, Punkt! Und wer diesen durchaus gelungenen Artikel auch nur in die Nähe der Bild rückt, hat wohl entweder null Ahnung, Tomaten auf den Augen oder eine heftige Leseschwäche.

  • JM
    J. Murat

    Wow, Sex & Crime ohne Politik oder Ideologie in der "taz"?

    Ihr wollt wohl der darbenden "Bild" ein paar Leser abspenstig machen?

    Da gibt es aber ansprechendere Bilder von ihr.

    Aber die waren der "taz" wohl zu teuer (SCNR).