Doppelanschlag in Jerusalem: 16-Jähriger stirbt im Krankenhaus
In Israel hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge gegeben. Doch die tödlichen Explosionen am Mittwochmorgen hatten eine neue Qualität.
Terroranschläge hat es in Israel auch in den vergangenen Jahren gegeben, nicht nur im palästinensischen Westjordanland, auch innerhalb Israels. Doch in der Regel waren es Angriffe von Einzeltäter*innen, meist mit Messern, teils auch mit Schusswaffen.
Die Anschläge vom Mittwoch haben eine neue Qualität: Die Polizei vermutet, dass die Explosionen durch ferngesteuerte Sprengsätze verursacht wurden, die in Taschen an den Bushaltestellen abgestellt wurden. Die Tat sei sorgfältig geplant gewesen und von einer organisierten Zelle durchgeführt worden.
Bekannt hatte sich bis Redaktionsschluss am Mittwochnachmittag niemand zu den Anschlägen. Die militanten Palästinenserorganisationen Islamischer Dschihad und Hamas bejubelten sie lediglich. Aus Washington und von der EU kamen scharfe Verurteilungen.
Nicht die dritte Intifada
Viele Israelis fragen sich, ob dies der Anfang einer neuen Welle von Anschlägen auch innerhalb Israels ist.
Wie sich die Situation entwickelt, wird auch von der Stoßrichtung der noch zu bildenden, neuen israelischen Regierung abhängen. Itamar Ben Gvir, Chef der rechtsextremen Partei „Jüdische Stärke“ und möglicherweise künftiger Minister für Innere Sicherheit erhalten, will den Status Quo auf dem Tempelberg verändern und auch jüdischen Gläubigen ermöglichen, dort zu beten. In der aufgeheizten Atmosphäre könnte dies schwerwiegende Folgen haben.
Auch ein Zusammenbruch der bröckelnden Palästinensischen Autonomiebehörde könnte, so der ehemalige Berater der Einheit Cogat im Verteidigungsministerium Michael Milshtein, die Sicherheitslage dramatisch verschlechtern. Israel und die Palästinensischen Autonomiebehörde arbeiten in verschiedenen Sicherheitsfragen zusammen. Er warnt davor, diese Zusammenarbeit zu gefährden.
Im nördlichen Westjordanland ist eine hoffnungslose Generation von Palästinenser*innen herangewachsen, über die die Autonomiebehörde (PA) weitgehend die Kontrolle verloren hat. Im August 2022 hat sich in Nablus etwa die Gruppe „Höhle des Löwen“ gegründet – junge Palästinenser*innen, die mit dem Islamischen Dschihad, den Al-Aksa-Märtyrerbrigaden und der Hamas verbunden sind, aber autonom agieren.
Noch, so sagen viele Expert*innen, ist nicht von einer dritten Intifada zu sprechen. Dafür fehle noch eine breite, aktive Unterstützung unter den Palästinenser*innen. Doch das könnte sich ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit