piwik no script img

Doppel-„Tatort“ aus BerlinRechte Umsturzversuche

Doppelfolge aus Berlin: Der „Tatort“ hat eine neue tolle Ermittlerin und spielt im rechten Milieu von Polizei und Verfassungsschutz. Aber, ach.

Corinna Harfouch als Susanne Bonard ermittelt erstmals an der Seite von Robert Karow (Mark Waschke) Foto: Marcus Glahn/rbb

Der zweite Berliner „Tatort“ nach dem Ableben der Ermittlerin Nina Rubin (Meret Becker) tischt ziemlich opulent auf. Verdächtige und Handlungsort sind Polizei und Verfassungsschutz. Hochbrisant! Der Tatort ist eine Doppelfolge mit drei Stunden Platz zum Erzählen. Cool! Mark Waschke spielt weiter den Ermittler Karow. Yeah! Seine neue Partnerin ist eine der prominentesten deutschen TV-Schauspielerinnen, Corinna Harfouch. Ja, Wahnsinn!

„Es ist größer, als ich dachte“, sagen zwei Polizistinnen im Laufe des Films. Beide sterben. Was genau da größer ist, bleibt zunächst unausgesprochen, wird aber jedem Zuschauer sofort dämmern: die Kreise und Ziele der Rechten in der Polizei.

Man will diesen Tatort gerne gut finden. Aber, ach. Oh Mann. Oh je. Wo bisher ein Ermittlerduo war, das immer etwas nach Späti, Drogen, Sex, Club, Großstadt gerochen und was Dunkles, Unsauberes, Nicht-Ausdiskutiertes hatte, ist jetzt alles spiegelglatt. Die Neue, Spitzname „Heilige Susanne“, hat kein dreckiges -ow oder -ic im Namen, sondern klingt nach französischer Patisserie: Bonard. Karow hat jetzt längere Haare und entwickelt sich ob der Noblesse seiner neuen Kollegin sogar zum Charmeur.

So gut wie alles in diesem Tatort wirkt falsch, verstellt, gekünstelt, bemüht künstlerisch inszeniert, unglaubwürdig

Auch ansonsten scheint alles, was an früher erinnert, aufgegeben. Die Farben sind meist in grau, braun und dunkelblau abgetönt. Selbst die Buntstifte des kleinen Matti, dessen Mutter vor seinen Augen erschossen wird, wirken blass. Die mal durch Elektroklänge, mal durch Panflöte inszenierte Hintergrundunheimlichkeit nervt: Ist ja gut, wir haben verstanden, es ist ein düsteres Thema und die Abgründe sind tief, sehr tief.

So gut wie alles in diesem Tatort wirkt falsch, verstellt, gekünstelt, bemüht künstlerisch inszeniert, unglaubwürdig. So sieht man zum Beispiel mehrfach Finger in Großaufnahme, wie sie gerade Sim-Karten in Laptops stecken. Und so wie die neue Ermittlerin mit ihrem Ehemann spricht bzw. der mit ihr, wirkt das nicht wie bei einem echten Alltag solcher Paare abgeschaut, sondern als hätte sich der Regisseur bei seiner Recherche von Influencerpaaren auf Instagram inspirieren lassen.

Ansonsten sieht man viel Gesicht. Vor allem das von Harfouch. Das guckt man natürlich ganz gern an, so wie auch das von Waschke. Aber keine einzige Einstellung in den drei Stunden hat Witz oder ist so intensiv, dass man vergisst, dass der Rest der Erzählung irre langatmig ist. Dazu gibt es ständig unglaubwürdige Entwicklungen, wie der Umstand, dass sich die neue Ermittlerin einfach selbst eingesetzt hat, obwohl sie gerade offiziell in den Ruhestand geschickt wurde.

Um auch mal etwas zum Thema zu sagen: Ja, auch in echt gibt es Rechtsextreme in der Polizei und es gibt den Verfassungsschutz, dessen Chef bis vor Kurzem ein Rechtsextremer war. Und es gibt guten Grund, wegen Waffen sammelnder und schießender Reichsbürger besorgt zu sein. Aber der Tatort tut so, als hätten die Rechtsextremen den deutschen Staat im Prinzip schon so gut wie in der Hand.

Die Sendung

Berlin-„Tatort“: „Nichts als die Wahrheit“, So. und Mo. (9./10. März 2023), 20.15 Uhr, ARD. Und in der ARD-Mediathek.

Was genau will so eine Erzählung erreichen? Dass die Nazis sich diebisch freuen, weil hier suggeriert wird, dass sie kurz davor sind, ihr Ziel, ihre eigene Zeitenwende, den Umsturz erreicht zu haben? Sicher liefert der Tatort Anlass, um den rechten Filz in den Sicherheitsbehörden zu thematisieren. Weniger apokalyptische Überinszenierung, mehr glaubwürdigere Erzählung hätte trotzdem gutgetan.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    kürzlich habe ich den Artikel bei einem Kollegenblatt gelesen und stelle fest es ist wohl herausfordernd ein Abbild zu schaffen, das die Realität darstellt und dennoch mit der Wahl des Schablonenhaften genügend Raum für die Vorstellungswelt des Zuschauers zu lassen. Leider ist der Text des Kollegen ähnlich oberflächlich wie seine Einschätzung zur Osterfolge, aber immerhin man erkennt der Text ist nicht KI generiert. Aber eigentlich is ja auch egal, Hauptsache der Zuschauer schaltet wieder ein und mit Harfouch kann sich die Figur ja noch anders formen, gell.