Dopingfall Scharapowa: Gleichgeschaltete Antworten
Die Tennisprofis verurteilen Scharapowa wegen ihres positiven Befundes nicht. Die Spielervereinigung WTA verschickt derweil Argumentationshilfen.
Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte sie einen Dankesbrief an ihre Fans, in dem unter anderen stand, sie sei am Tag nach ihrem Auftritt in Los Angeles überrascht gewesen, wie viele Beweise der Zuneigung und des Mitgefühls sie in ihrem vollen elektronischen Postfach gefunden habe.
„Ich wollte euch wissen lassen“, schrieb sie, „dass mir eure wunderbaren Worte ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Ich möchte gern wieder spielen und ich hoffe, dass ich die Chance dazu bekomme. Eure Botschaften ermutigen mich sehr.“
Die Einzelheiten der spektakulären Nachricht aus Los Angeles hatten den Tennisgarden in Indian Wells seit Beginn der Woche wie eine Lawine überrollt. Alle diskutierten, wie eine so selbstbewusste Sportlerin und selbstbestimmte, erfolgreiche Unternehmerin einen so amateurhaften Fehler begehen konnte, die E-Mail der Welt-Antidoping-Agentur Wada mit neuen Regelungen und neuen verbotenen Medikamenten zum 1. Januar 2016 nicht zu lesen oder nicht von Vertrauten aus dem Team lesen zu lassen. Ein Rätsel.
Tennisspielerinnen geben sich schockiert
Im Rahmen des Medientags bei den BNP Parisbas Open ging es auch und fast ausschließlich um dieses Thema. Als Erste nahm Petra Kvitová am runden Tisch Platz. Sie sei schockiert gewesen, als sie davon erfahren habe, sagte die Tschechin, und natürlich sei es ein Riesenfehler gewesen.
„Wir sollten alle wissen, was wir nehmen“, meinte sie. Agnieszka Radwańska berichtete, wie sie mit anderen Spielerinnen in der Umkleide von Scharapowas Pressekonferenz in Los Angeles erfahren hatte, wie alle gleichermaßen schockiert gewesen seien. „Wenn ich gegen irgendeine Krankheit etwas nehmen will, dann kläre ich das vorher mit Leuten, die sich auskennen“, kommentierte die Rumänin Simona Halep. „Das sind jetzt harte Momente für unseren Sport.“
Rafael Nadal
Die Antworten ähnelten sich sehr, und nur wer naiv war, konnte das für Zufall halten. Die Spielerinnenvereinigung WTA hatte die Profis auf die spezielle Fragestunde vorbereitet. Das amerikanische Fachmagazin Sports Illustrated berichtete von einem Rundschreiben mit möglichen Fragen und möglichen Antworten, das quasi als Gedankenstütze und Leitfaden verschickt worden war.
„Menschen machen Fehler“
Die Reaktionen der Herrenkollegen fielen ein wenig vielfältiger aus. Der Tscheche Tomáš Berdych meinte, er sei sehr überrascht gewesen, grundsätzlich sehe er die Sache jedoch so: „Wenn du nichts nimmst, dann brauchst du auf keine Listen zu achten. Aber wir sind alle Menschen und Menschen machen Fehler.“
Ja, meinte Rafael Nadal eine halbe Stunde später, er würde gern glauben, dass es ein Fehler von Scharapowa war. Aber er benutzte ein Wort, in dem die stärkste Beschreibung an diesem Nachmittag in Indian Wells steckte. Das seien schreckliche Neuigkeiten für die Welt des Tennis, sagte er. „Unser Sport muss sauber sein.“
Natürlich weiß er von den Gerüchten, auch solchen, die ihn selbst betreffen. „Ja, das habe ich immer wieder gehört. Aber ich bin komplett sauber. Ich finde, der Sport sollte ein Vorbild für die Gesellschaft und für die Jugend sein, und wenn in dieser Welt des Sports was Negatives passiert, dann bin ich traurig.“
Maximal vier Jahre Sperre
Die maximale Strafe, die Maria Scharapowa nach dem positiven Test zu erwarten hat, wäre eine Sperre von vier Jahren, vorausgesetzt, der Internationale Tennisverband (ITF) geht von wissentlichem Betrug aus. Sieht das Gremium einen Fall von Fahrlässigkeit, könnte die Sperre zwei Jahre betragen, die wiederum könnte unter bestimmten Bedingungen auf ein Jahr oder weniger reduziert werden.
Bei der Frage nach einem gerechten Strafmaß halten sich alle Kollegen bedeckt. Das, so heißt es fast unisono, müsse die ITF entscheiden. Das kann dauern; bis dahin wird es reichlich Gesprächsstoff und Gesprächsbedarf geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“