Doping: "Sie waren verrückt danach"
Doping im Fußball? Der Deutsche Fußball-Bund sagt, das ist unwahrscheinlich. Peter Neururer sieht es etwas anders. Zu Recht?
"Es ist mir bekannt, dass früher Captagon genommen worden ist. Viele Spieler waren verrückt danach." Das hat Peter Neururer jetzt in einem Interview verraten. Diese Beobachtung hat er angeblich als Trainer des damaligen Zweitligisten FC Schalke 04 in der Saison 1989/90 gemacht. Captagon zählt zu den Stimulanzien und steht auf der Liste verbotener Mittel. Bisher galt der Profiradsport als dopingverseucht, auch die Leichtathletik, der Triathlonsport, der Skilanglauf und das Gewichtheben. Aber Fußball?
Kürzlich noch durfte der Mannschaftsarzt von Bayer Leverkusen und Vertreter der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in der Antidopingkommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Thomas Pfeifer, forsch behaupten: "Doping ergibt in diesem Sport keinen Sinn." Und weiter: "In unserem Kontrollsystem kommt Doping früher oder später ans Licht, das würde ich einfach so behaupten. In Deutschland würde ich für jeden Klub meine Hand ins Feuer legen." Es könnte durchaus brenzlig werden für Herrn Pfeifer, denn natürlich macht Doping im Fußball Sinn.
Das Blutdopingmittel Epo erhöht die Ausdauerfähigkeit, Aufputschmittel steigern die Aggressivität, Anabolika beschleunigen das Comeback nach einer Verletzung. Vor allem Stimulanzien scheinen das Mittel der Wahl zu sein. Vorreiter dieser Entwicklung war der DDR-Sport, genauer: die Spitzenteams der Fußball-Oberliga. In einem Kreischaer Analyseprotokoll aus dem Jahr 1983 fielen bei einem sogenannten Ausreisetest - es sollte zum Europapokalspiel nach Belgrad gehen - die BFC-Spieler positiv auf, mit Amphetaminen.
Ein Stasi-IM berichtete: "Im Gegensatz zum 1. FC Lok Leipzig, wo nur vereinzelt Spuren nachgewiesen werden konnten, müssen die Spieler des BFC mit einer ziemlich hohen, () nicht zu verantwortenden Dosis versorgt worden sein." Wer glaubt, Doping im Fußball sei mit dem sportvernarrten Erich Mielke untergegangen, der erinnere sich an den Dopingskandal um Juventus Turin. Der fand in den Neunzigerjahren statt.
Wie sieht es nun aber im deutschen Fußball der Gegenwart aus? Im Jahr 2006 hat es 973 Dopingkontrollen im Auftrag des DFB gegeben (inklusive 87 Trainingstests) sowie 113 Tests auf Erythropoetin (Epo). Alle Ergebnisse waren negativ. Bei drei Kickern wurden zwar Glucocorticosteroide (Triamcinolonacetonid und Budesonid) gefunden; die Fußballer hatten aber Atteste. Der DFB lässt insgesamt in allen vier Profiligen testen (Bundesliga, Zweite Liga, zwei Regionalligen), dazu in den beiden obersten Spielklassen des Frauenfußballs, den drei Juniorenbundesligen und im Rahmen des DFB-Pokals. Nach einer taz-Rechnung wird nur jeder 65. Spieler bei einer Partie zum Test gebeten, bei einem Aufgebot von 30 Spielern (je 11 plus Bankdrücker) also nur ein Kicker in jedem zweiten bis dritten Match. Ähnlich "engmaschig" wird in der US-Basketballliga NBA oder in der Major League Baseball kontrolliert.
Obligatorisch sind Dopingtests laut den Antidopingbestimmungen des DFB nur beim Pokalendspiel "sowie bei möglichen Spielen um die sportliche Qualifikation für die 2. Bundesliga". Fakultativ sind sie bei allen anderen Matches, das heißt, es muss im Finale der deutschen Meisterschaft nicht zwingend getestet werden, es könnte allenfalls der Mann mit dem Urinfläschchen kommen.
Bundestrainer Joachim Löw sagte unlängst, er könne zwar keine Garantie dafür abgeben, dass Doping im Fußball "völlig ausgeschlossen" sei. Doch "grundsätzlich ist Doping bei der Nationalmannschaft nicht vorstellbar". Und auch in der Bundesliga sei alles bestens: "Wir haben seit Jahren sehr strenge Kontrollen."
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!