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Doping in MordwinienKraft der Kartoffel

Kaum eine Stadt hat so viele Dopingsünder hervorgebracht wie Saransk. Dort glaubt man an die Wunderwirkung des heimischen Erdapfels.

Gut zu Fuß: Jelena Laschmanowa (l.) und Anissja Kirdjapkina bei der Leichtathletik-WM 2013 Foto: imago images/Xinhua

I n Mordwinien ist der Sport zu Hause. Die Republik an der Wolga, die zur Russischen Föderation gehört, hat 2018 vier Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft beherbergen dürfen. In der Hauptstadt Saransk wunderte man sich seinerzeit nicht schlecht, als Tausende Peruaner die Straßen fluteten, weil sie das Spiel ihrer Mannschaft gegen Dänemark sehen wollten. Und auch die Peruaner dürften sich gewundert haben, wie das große Weltturnier in die mit knapp 300.000 Einwohnern für russische Verhältnisse doch recht kleine Stadt gekommen ist. Eine Fußballstadt war Saransk bis dahin nun wahrlich nicht. Saransk ist die Stadt der russischen Geherinnen und Geher. Hier wird nicht gekickt, hier wird gegangen.

Immer wenn bei internationalen Wettbewerben eine Geherin oder ein Geher aus Russland in die Medaillenränge gekommen ist, was sehr oft der Fall war, konnte man sicher sein, dass er in Mordwinien trainiert hat. Dort schufteten sie unter der Leitung von Viktor Tschegin. Da ist zum Beispiel Jelena Laschmanowa. Die hat bei den Olympischen Spielen 2012 in London in Weltrekordzeit Gold im 20-Kilometer-Wettbewerb gewonnen.

Und da ist Denis Nischegrodow. Der hat bei den Weltmeisterschaften 2011 im koreanischen Daegu über 50 Kilometer gewonnen. Beide sind wegen Dopingvergehen längst aus dem Verkehr gezogen worden. Das ist beinahe schon üblich für Athleten aus dem Stall Tschegins. Mehr als 30 Geherinnen und Geher aus dem Leistungszentrum von Saransk sind wegen Dopingvergehen gesperrt worden.

Dass Anissja Kirdjapkina, zweifache Silbermedaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften, nicht schon lange aus dem Verkehr gezogen war, hat viele gewundert, als sie im Februar erfahren haben, dass nun auch sie wegen Dopings gesperrt worden ist. Ihre WM-Medaillen aus den Jahren 2011 und 2013 muss sie zurückgeben und ihre junge Trainerinnenlaufbahn beenden.

Geherpapst Tschegin

Viktor Tschegin, ihr ehemaliger Trainer, nach dem das Leistungszentrum in Saransk noch bis vor Kurzem benannt war, ist auch erst 2016 lebenslang gesperrt worden. Dabei hätte es unzählige gute Gründe dafür gegeben, ihn schon früher aus dem Verkehr zu ziehen. Tschegin war schon für spektakuläre Dopingfälle verantwortlich, da redete noch nicht alle Welt vom staatlich orchestrierten Sportbetrug, der bei den Winterspielen von Sotschi 2014 seinen Höhepunkt hatte.

Vor den Sommerspielen von 2008 in Peking wurden drei Geherinnen aus Tschegins Camp mit Epo erwischt. Ein vierter Name, der ursprünglich unter den Ertappten aufgelistet war, verschwand auf wundersame Weise. Es war der des bereits einmal wegen Dopings gesperrten Waleri Bor­tschin. Der hat dann in Peking über 20 Kilometer glatt gewonnen. Und auch wenn der gute Mann nicht lange darauf gesperrt wurde, Bortschins Goldmedaille ist weiter in den Siegerlisten von Peking verzeichnet.

In Saransk sind sie stolz auf solche Leute. Auf Viktor Tschegin sowieso. Als der gesperrte Trainer sich für einen Security-Job am nun nicht mehr nach ihm benannten Trainingszentrum beworben hat, bekam er glatt den Zuschlag. Plötzlich war er wieder ganz nah dran an seinen Geherinnen und Gehern. Nachdem Medien darüber berichtet hatten, wurde der Vertrag mit ihm im Juni dieses Jahres wieder aufgelöst.

Seiner Popularität in Saransk hat das keinen Abbruch getan. Das bekam jüngst die stellvertretende Vorsitzende der Russischen Anti-Doping-Agentur Rusada, Margarita Pachnozkaja, zu spüren. Dem Newsportal sport24.ru berichtete sie von ihrem Besuch in Mordwinien mit eindrucksvollen Worten. „Alle setzen sich dort für Tschegin ein. Irgendwie wirken sie wie Zombies. Sie sind bereit, ihre Seelen an den Teufel zu verkaufen. Da waren Leute, die noch keine 20 Jahre alt waren. Mit glasigen Augen sagten sie: Bei uns gibt es kein Doping. Unser Doping sind mordwinische Kartoffeln.“

Sie berichtete noch davon, dass Dopingkontrolleure in Saransk immer noch an der Nase herumgeführt würden. Ein Anrufer habe sie dann noch gefragt, ob sie wisse, was schon alles mit Mitarbeitern der Rusada passiert sei. Sicher weiß sie das. 2016 sind binnen kurzer Zeit in Russland zwei ehemalige Funktionäre der Anti-Doping-Behörde unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Willkommen in der Sportstadt Saransk!

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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