: „Donnerwetter, Henning“
■ Klaus Wedemeier zieht Bilanz / „Ich will Scherf unterstützen, wo ich kann“ / Kandidatur als Mitglied im Landesvorstand, aber nicht als Parteichef
„Henning Scherf war zehn Jahre lang loyal, jetzt will ich diese Loyalität zurückgeben und ihm so gut es geht helfen.“ Pünktlich zu seinem Auszug aus dem Rathaus hat Klaus Wedemeier am Donnerstag abend vor der Landespressekonferenz Bilanz gezogen und angekündigt, wo er in den nächsten Jahren seinen Platz sieht: Nicht als „Besserwisser“, wohl aber als „Ratgeber“ für alle, die ihn fragen.
Anders nämlich als Hans Koschnick, der sich nach seinem Rücktritt 1985 völlig aus der Bremer Politik herausgehalten hat, will Wedemeier im August sein Abgeordnetenmandat annehmen. In der Fraktion hat er sich schon um den Vorsitz im Europa-Ausschuß beworben: „Da kann ich die SPD-Position gegen Perschau vertreten“. Und falls es wieder einen Ausschuß zur Verfassungsreform gibt, werde er sich „auch melden“.
Da will Wedemeier dann eine Forderung endlich durchsetzen, die er schon 1975 als Juso-Landesvorsitzender erhoben hatte: die Richtlinienkompetenz für den Präsidenten des Senats. „Wenn ich die gehabt hätte, dann wäre zum Beispiel ein Herr Jäger schon längst nicht mehr im Senat. Den hätte ich gleich nach dem Koalitionsbruch der FDP entlassen“, sagt Wedemeier heute. Und auch Ralf Fücks wäre nicht mit einem Mißtrauensvotum abgewählt worden: „Manchmal muß man auch zurücktreten, wenn man sich nicht schuldig fühlt.“
Das Kollegialprinzip im Bremer Senat passe einfach nicht mehr in die politische Landschaft. Gerhard Schröder habe ihn immer bedauert, so Wedemeier, wenn er hörte, daß sein Bremer Kollege jeden Antrag für eine Industrie-Subvention „60 mal kopieren muß, um sie durch den Senat und 120 mal, um sie durch die Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse zu bringen“. Auch in Bremen dürfe nicht länger alles „auf dem Marktplatz“ verhandelt werden.
Wedemeier sieht keine schlechten Chancen, die Sache jetzt doch in seinem Sinn zu regeln. Schließlich sei die CDU – zumindest in der Opposition – immer für die Richtlinienkompetenz gewesen. Und auch in der SPD würde die nächste Abstimmung über die Frage nicht wieder an einer einzigen fehlenden Stimme scheitern. „Selbst Scherf kann dreimal sagen, daß er die Richtlinienkompetenz nicht will – ich werde dafür kämpfen, daß er sie kriegt“, verkündet Wedemeier.
„Donnerwetter, Henning“, habe er sich nämlich in den letzten Tagen gesagt: „das Votum von zwei Dritteln der SPD-Mitglieder hat Scherf zu einer unglaublichen Energie verholfen. Ich gönne ihm das.“ Und auch deswegen werde er seinen Nachfolger jetzt „unterstützen, wo ich kann – auch wenn es im Koalitionsvertrag Punkte gibt, mit denen ich nicht einverstanden bin“. Besonders gefreut habe ihn, daß „Scherf großen Wert darauf legt, daß ich mit ihm in Wirtschaftsfragen zusammenarbeite“. Tatsächlich wird Wedemeier wohl einige der Aufsichtsratsposten übernehmen, die eigentlich dem Präsidenten des Senats zustehen.
„Ich will nicht nur Abgeordneter sein, das ist sicher“, weiß Wedemeier schon vor seinem offiziellen Abschied aus dem Rathaus. Nachfolger von Tine Wischer als Parteichef, das allerdings kommt für ihn nicht in Frage: „Ich war Jusovorsitzender, Unterbezirksvorsitzender, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Senats, da fehlt noch der Landesvorsitz. Aber man muß nicht jede Sammlung komplettieren.“ Als einfacher Beisitzer im Landesvorstand will er jedoch kandidieren.
An der konstituierenden Sitzung der neuen Bürgerschaft wird Wedemeier nicht teilnehmen: „Die Wahl meines Nachfolgers muß ich mir nicht antun.“ Erst vor der folgenden Parlamentssitzung will er dann sein Abgeordnetenmandat annehmen.
Vorher fährt Wedemeier für fünf Wochen in Urlaub. Dann will er auch in Ruhe über seine berufliche Zukunft nachdenken. „Vielleicht gibt es demnächst einen Mittelständler mehr in Bremen“, meint er, „ich habe keine Hemmungen, mich irgendwo zu bewerben.“ Schließlich sei er „kein Versorgungsfall; ich kann was“. Aber ein Vorstandsposten beim Bremer Vulkan müsse es trotzdem nicht gleich sein.
Jeder habe „eben so seine Qualitäten“, weiß Wedemeier – er selber in der Wirtschaft und Scherf – „der bringt es doch auf 300 bis 400 Küßchen am Tag. Diese Weltrekorde kann ich nicht aufstellen, das ist nicht mein Temperament.“
Dirk Asendorpf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen