Dokureihe über die Folgen des Tourismus: Ganz korrekt entspannen
Urlaubszeit ist die Zeit des politisch schlechten Gewissens. Die WDR-Reihe „Kritisch Reisen“ behandelt die Kehrseiten des Tourismus.
![Ein Schlafzimmer, Sommersonne fällt durchs Fenster Ein Schlafzimmer, Sommersonne fällt durchs Fenster](https://taz.de/picture/2848149/14/Airbnb_WDR21059234.jpeg)
Wer ökologisch, sozial und politisch halbwegs korrekt reisen will, hat es nicht leicht. Der moderne Tourismus versaut an vielen Orten die Umwelt, beutet die Einwohner der Urlaubsparadiese aus und stützt die Herrschaft von Diktatoren. Dafür möchte niemand verantwortlich sein. Andererseits kann man ja auch nicht immer nur zu Hause in der muffigen Bude bleiben.
Aus diesem Dilemma hat der WDR eine Dokureihe gemacht: „Die Story – Kritisch Reisen“ beleuchtet ab Mittwoch wöchentlich in insgesamt sechs Ausgaben negative Auswirkungen des Tourismus. Das Besondere: Während Reportagen normalerweise entweder auf Missstände hinweisen oder die Schönheiten eines Landes erkunden, soll die einheitlich konzipierte Reihe laut WDR beides miteinander kombinieren.
Nach einem Drohnenflug über eine Küstenlandschaft kann ein Gespräch mit mies bezahlten Zimmermädchen folgen. Auf Service-Tipps wird allerdings verzichtet. „Mein Kollege Johannes Höflich und ich haben in den vergangenen Jahren immer mal wieder Dokus dieser Machart produziert, und diese haben exzellente Quoten geholt“, sagt der WDR-Redakteur Jo Angerer. „Das haben wir als Auftrag der Zuschauer verstanden, mehr davon zu bringen.“
Möglichst nicht moralisieren
In Zahlen bedeutet das zum Beispiel, dass die Doku „Die Kanaren – Insel der Arbeitslosen“ im Januar im WDR 350.000 Zuschauer hatte. Diese Folge wird im Rahmen der Reihe wiederholt, die anderen fünf Dokus sind Erstausstrahlungen.
Zum Start steht die Online-Plattform Airbnb im Zentrum. In den weiteren Folgen geht es um die Auswirkungen des Massentourismus auf den Balearen, den Kanaren und in Kroatien, außerdem um Strategien von Safari-Anbietern sowie darum, ob Volontourismus – das Reisen für ein freiwilliges Engagement – eine gute Sache ist.
„Wir wollen den Reisenden ihren Urlaub nicht madig machen, und auf keinen Fall moralinsauer sein“, sagt Jo Angerer. „Wir haben auch nicht für jedes Problem eine Lösung parat, dafür ist vieles zu komplex. Aber wenn es passt, geben wir Hinweise darauf, wie Touristen sich im Kleinen besser verhalten können. Etwa, indem sie nicht in Hotels großer Ketten, sondern in familiengeführten Hotels übernachten; und nicht All-inclusive buchen, sondern in Lokalen essen gehen. Dann haben die Menschen vor Ort auch was vom Tourismus.“
Die erste der insgesamt sechs Folgen "Kritisch Reisen" läuft am Mittwoch um 22.10 im WDR.
Die Reporter sind nur zu zweit unterwegs. Angerer sieht in der kleinen Besetzung Vorteile: „Die Zweier-Teams sind flexibel, unauffällig und können sich wie echte Touristen ins Urlaubsgetümmel stürzen. Wir entwickeln diese Arbeitsweise seit Jahren.“ Sie beinhaltet, dass manche Reporter gleichzeitig als Autoren und Kameraleute arbeiten.
Als zweifelhafte Sparmaßnahme bewertet Angerer das nicht: „Natürlich bedeutet es für einen Reporter mehr Arbeit, wenn er selbst dreht. Aber das Honorar ist dann auch höher, wir beuten die Reporter nicht aus.“
Da alle neuen Dokus erst kurz vor der Ausstrahlung fertig sein werden, gab es für die Presse bislang nur die Auftaktfolge zu sehen: „Das System Airbnb – Im Bett mit dem Supervermieter“ (Mittwoch, 22.10 Uhr). Dirk Bitzer und Fabian Nast untersuchen darin, was passiert, wenn Immobilien der langfristigen Nutzung entzogen und ausschließlich via Airbnb an Touristen vermietet werden.
Die Recherchen sind beeindruckend umfassend: In München begleiten die Reporter Mitarbeiter des Wohnungsamtes bei der Suche nach Airbnb-Anbietern, die Wohnraum zweckentfremden. In Hamburg treffen sie eine Mieterin, der nach 33 Jahren gekündigt wurde, weil der Vermieter via Airbnb mehr Geld einnimmt. In Florenz sprechen sie mit einem Alteingesessenen darüber, wie sich sein Stadtviertel verändert hat, seitdem viele Wohnungen nur noch von Touristen belegt werden.
Sie befragen Politiker und geben Statements von Airbnb wieder, begeisterte Nutzer kommen zu Wort. Das Problem wird anschaulich dargestellt. Allein vom versprochenen besonderen Ansatz dieser Reihe ist nicht viel zu merken. Bilder, Texte, Interviews folgen konventionellen Doku-Mustern. Vielleicht liegt das daran, dass es zum Auftakt um eine Reiseart und nicht um ein Reiseziel geht. Eine etwas speziellere Note wäre angesichts der aufgebauten Erwartungshaltung seitens des Senders trotzdem schön gewesen.
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