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Dokumentation über ProstitutionFucking Germany 

Die Dokumentation „Sex – Made in Germany“ zeigt die Bundesrepublik als Puff der Welt. Gründe sind die „gute Qualität“ und Rot-Grün.

Sextouristen sehen Deutschland als eine Art Thailand Europas. Bild: NDR/Torsten Laap

„Ich finde es absolut okay, wenn man im Internet seine Jungfräulichkeit versteigert“, sagt eine 22-Jährige in der Dokumentation „Sex – Made in Germany“. Unter den hanebüchenen Sätzen, die Menschen in diesem Film sagen, ist das wohl der hanebüchenste. Möglich sind Versteigerungen dieser Art auf der Plattform gesext.de. Ihre Unschuld hat die Vertreterin der steilen Meinung bei gesext.de zwar nicht verschleudert, ihren Körper bietet sie dort aber sehr wohl an.

„Sex – Made in Germany“, Montag um 22.45 Uhr in der ARD zu sehen, dokumentiert die Veränderungen des Prostitutionsgeschäfts, technokratisch ausgedrückt: die Diversifikation des Marktes: Der Rubel rollt nicht nur in Bordellen – vom vermeintlich feinen Laden bis zum Flatrate-Puff –, sondern auch für Webcam-Huren oder eben beim eBay-ähnlich funktionierenden gesext.de.

Grundlage des speziellen Wirtschaftsaufschwungs ist, so die Autorinnen Tina Soliman und Sonia Kennebeck, das liberale Prostitutionsgesetz, das seit 2002 gilt. Sextouristen sehen seitdem Deutschland als eine Art Thailand Europas. Soliman war 2011 Coautorin eines Films für das Magazin „Panorama“, der zur Basis geworden ist für zahlreiche Berichte über das nur aus vier Sätzen bestehende Prostitutionsgesetz.

Auch in „Bordell Deutschland“, der umstrittenen Spiegel-Titelstory der vorvergangenen Woche, klingt der Magazinbeitrag noch an. Soliman sagt, sie plädiere für eine stärkere gesetzliche Regulierung, aber nicht für repressive Maßnahmen wie etwa in Schweden: „Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Wir haben Frauen getroffen, für die die Prostitution eine Lebensentscheidung ist.“

US-Touristen reisen für eine Fick-Sause

Zwei Jahre haben Soliman und Kennebeck an ihrem Film gearbeitet und unterschiedlichste Interviewpartner für ein Gespräch vor der Kamera gewinnen können – darunter Aussteigerinnen, eine transsexuelle Prostituierte sowie ein dänischer Sextourist, der den bei Flensburg gelegenen „Grenz Club“ preist. Manche Landsleute, sagt er, reisten von 200 oder 300 Kilometer entfernt an, wegen der „guten Qualität“.

„Am schwierigsten war es, die Freier zu überzeugen“, sagt Soliman. US-Touristen, die für eine Fick-Sause eingeflogen waren, lehnten Anfragen ab. In dem Fall drehten die Filmemacherinnen mit versteckter Kamera. Auch Finanzbeamte erwiesen sich anfangs als scheu. Für Prostituierte werden heute im voraus Sex- oder Vergnügungssteuer fällig, die Regelungen schwanken von Stadt zu Stadt.

Warum ausgerechnet Prostituierte Vergnügungssteuer zahlen sollen (und nicht die Freier), begründet der Stadtkämmerer von Stuttgart im Film auf besonders reizende Weise. Der Staat freut sich über neue Steuerquellen, aber für die meisten Prostituierten hat sich die Situation nicht gebessert. „Die Mitte der Gesellschaft geht zu ihnen, aber sie sind nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Soliman.

Die Mitte hat einer der Protagonisten längst hinter sich gelassen: Jürgen Rudloff, Bordellbesitzer aus Stuttgart, empfängt das ARD-Team in seinem Haus. Dort sitzen gerade seine vier Kinder am Tisch, die eine Waldorf-Schule und ein englisches Elite-Internat besuchen. Ob eine seiner Töchter einmal den Beruf der Prostituierten ergreifen könnte? „Undenkbar. Das wäre ein Schlag ins Gesicht.“

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10 Kommentare

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  • L
    LittlePandaGirl

    Jürgen Rudloff wäre aber auch dagegen, wenn seine gut ausgebildeten Töchter Kassiererinnen im Discounter werden wollten.

     

    Hoffe ich jerdenfalls.

  • H
    Heike

    Die Aussage:

    "Sextouristen sehen seitdem Deutschland als eine Art Thailand Europas."

    finde ich sehr abstrakt und nicht passend.

    Da das Prostitutionsgesetz (ProstG)im Grund gut und richtig ist.

     

    http://www.divamap.com/sex-wiki/index.php?title=Prostitutionsgesetz_%28ProstG%29

     

    "3. § 181a Abs. 2 wird wie folgt neu gefasst: „(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Bewegungsfreiheit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert..."

     

    Der Zuhälterei wurde ganz klar einen Riegel vorgeschoben. Deswegen ist der Vergleich Thailand mit Deutschland einfach nur absurd.

     

    ganze liebe Grüße

    Heike

  • H
    Hekate

    Was ich in der öffentlichen Diskussin vermisse, ist der Zusammenhang zwischen Sexarbeit und Hartz IV. Sowohl bei diversen kirchlichen Diensten als auch in der Branche selber ist es eine altbekannte Tatsache, dass etliche Frauen die hierzulande anschaffen gehen, Hartz-IV Geschädigte sind, die auf diese Weise ihr Budget aufbessern - oder Billiglöhnerinnen, die sonst nicht über die Runden kämen. Und die FROH sind, dass sie diese Möglichkeit haben. Warum wird das nirgends thematisiert? Weil es nicht ins Bild passt? Laut offiziellen Statistiken des Bundeskriminalamtes liegt der Anteil der Zwangsprostituierten in Deutschland bei unter 1,25%. Aber sie werden hier pars pro toto genommen. Das ist genau so verstiegen, wie die Situation der Lohnsklaven in der fleischverarbeitenden Industrie als repräsentativ für die gesamte Branche zu nehmen.

    Hier wird ein Nebenkriegsschauplatz aufgemacht um von den wirklichen Missständen auf dem deutschen Arbeitsmarkt abzulenken: nämlich der systematischen Entwürdigung und Entrechtung der Arbeitnehmer in Leiharbeitsfirmen, Billiglohnbranchen und bei den Hartz-IV Behörden. Ich für mein Teil bin FROH dass ich die Einnahmequelle "Sexarbeit" habe - und dass ich heute mit einem graden Rücken durch die Welt gehen kann, habe ich meinen Gästen zu verdanken. Denn zwischen der Kommunikation auf der Hartz-IV Behörde und der Kommunikation zwischen meinen Gästen und mir liegen WELTEN. Noch Fragen?

  • HS
    Hans Streck

    Alles in allem eine gute Doku. Die ungezügelten Marktmechanismen gelten eben leider auch für die "Erotik"-Branche. Warum sollten Sie davor auch Halt machen? Die Legalisierung war ein richtiger Schritt, jetzt müssen stattliche Regelungen nur noch den eisigen, menschenunwürdigen Wind der freien Marktwirtschaft für die SexarbeiterInnen stoppen oder zumindest deutlich abmildern.

     

    Gegen Zwangsprostitution hilft es wenig, Prostitution zu verbieten. Langfristig ist es besser junge Mädchen überall auf der Welt zu selbstbewussten Menschen zu erziehen. Nur dann haben sie eine freie Wahl und geraten nicht in emotionale Abhängigkeiten. Nur dann haben sie eine wirkliche Wahl und können sich für oder gegen Zuhälter bzw. den schnöden Mammon entscheiden.

  • JJ
    Jolly Joker

    Guter Artikel. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass in den Kommentaren der Zeitungen verstärkt Bordellbetreiber ihre Auftragsschreiber schreiben lassen, die sich als Leser ausgeben. Es sind Kommentare ohne Sinn. Und es sind 90% der Frauen, die Zwangsprostituierte sind, also das Gegenteil einer kleinen Minderheit.

  • HL
    Hauke Laging

    Wie nennt man eigentlich die journalistische Kategorie, in der Artikel mit dokumentarischem Anspruch mit einer irrelevanten Einzelmeinung begonnen werden, eine drastische Wertung ("hanebüchenen Sätzen") vorgenommen wird, ohne auch nur eine Andeutung, worauf sich das wohl bezieht?

     

    Wie abseitig die Sicht des Autors ist, zeigt sich am Ende seiner Einleitung: "...ihren Körper bietet sie dort [im Internet] aber sehr wohl an". Was, eine Prostituierte bietet ihren Körper im Internet an, ernsthaft? OMG

     

    Von Sextouristen ist dann die Rede. Keine Meinung dazu, ob das nun gut oder schlecht sei. Auch keine Zahl. Sind die nun 5% der Kunden in Deutschland, 1%, 0,1%? Welche Relevanz hat das und für wen? Wie repräsentativ sind die gezeigten Personen? Wieso fällt niemandem auf, dass die Behauptung, man fliege über den Atlantik und bevorzuge dann Flatrate-Bordelle völlig schwachsinnig ist?

     

    Warum zahle ich Gebühren dafür zu erfahren, dass Dänen 300 km bis in einen deutschen Puff fahren? Welche politische Relevanz hat das? Sollen wir über Dänemark lachen? Über die Situation in Frankreich wird dann sogar schamlos gelogen. Da "sollen" also in Zukunft die Nachfrager bestraft werden wie in Schweden? Chancenlose, von Profilsucht getriebene Einzelaktion einer Ministerin. Genauso könnte das öffentlich-rechtliche Fernsehen behaupten, in Deutschland "solle" ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. Das wäre doch mal ein Spaß.

     

    Der Stuttgarter Puffmillionär wäre ganz sicher auch entsetzt, wenn seine Töchter irgendwo Klos putzen würden. Aber, hey, der einzige Job, in dem erfolgreiche Deutsche ihre Kinder nicht wissen wollen, ist Prostituierte. Jedenfalls, wenn es um Propaganda geht statt um informative Berichterstattung. Und was hat er errichtet? Ein "Paradies für männliche Sexfantasien". Ist das nun schlimm? Man erfährt es nicht. Wenn jemand im Sexgewerbe tätig ist und viel Geld investiert, dann liegt es doch auf der Hand, dass dabei etwas Reizvolleres herauskommt als eine Verrichtungsbox. Wird die Frage beantwortet, ob die durchschnittliche Professionelle lieber dort arbeitet als in einem kleinen Wohnungsbordell? Nein, wozu auch. Das wäre ja womöglich die andere Seite der Medaille...

     

    Mich lässt diese Sendung ratlos zurück. Was wurde gezeigt? Lauter Extremfälle. Nichts davon ist repräsentativ für die deutsche Rotlichtbranche. Wir haben nicht einmal erfahren, was der durchschnittliche Kunde von "Flatrate-Bordellen" hält (ich denke: nicht viel). Ich habe keine belastbare Statistik zur Hand, aber der abfälligen (selbstredend unbelegten) Behauptung des Wunsches nach "Frischfleisch" steht einiges an Hörensagen meinerseits über Stammkunden entgegen. Aber warum sollte man über Teile der Realität berichten, die nicht kritikwürdig sind? Wenn schon Stammkunden, dann sind das Halbperverse, weil sie nicht nur f*cken, sondern auch Zärtlichkeiten wollen. Ganz beliebig sind auch die auf der anderen Seite Halbperverse, die eben nur f*cken wollen. Und diese planlose Sendung erdreistet sich dann noch, von Moral zu sprechen.

  • OP
    Otto Pardey

    Gerne zeigen die Medien in Deutschland ein verfaelschtes

    Bild von Prostitution und org. Kriminalitaet.

    Fest steht,das es Minderheiten von auslaendischen

    Prostituierteb sind,welche der Zwangspristitution

    ausgeliefert sind.

    Fakt ist,das angestellte Recherchen unangreifbar sind und

    wie folgt sich ergeben.

    Es sind Prostituierte selbst welche sich im org.Menschen und

    Drogenhandel geschaeftlich bestaetigen.

    Bei Festnahmen kommt es zu Schutzbehauptungen

    wie z.B. Zwangsprostitution.

    Auch ist erwiesen,das Angestellte-und Beamte u.a.

    Schmiergeldzahlungen aus diesem Milieu sich einverleibt

    und dabei gut mitverdient haben.

  • T
    Tyrion

    Allein der Begriff "Unschuld" in diesem Zusammenhang ist doch ein lächerlich moralisierter Begriff. Wo soll bitte die "Schuld" sein, wenn man Sex hat? Ich dachte diesen quatsch hätten wir seit der sexuellen Revolution hinter uns gelassen.

  • V
    vic

    Für die US-Touristen müsste noch im Flugzeug ein Formular rumgehen:

    "Zweck ihres Aufenthalts in Deutschland"

  • F
    friedemann

    Die UNSCHULD wird man ja meist zu einer sehr geringen Gegenleistung los - ob nun beim Sex, in der Politik - oder im Journalismus, nicht wahr, meine Damen und Herren?

    Was soll also hanebüchen sein, diese zu versteigern? Da weiß man jedenfalls, was man kriegt. Es gab mal Soziotope, da brachte die Braut einem Fremden ihre UNSCHULD dar, damit sie nicht UNSCHULDIG in die Ehe ging. Der Fremde wurde dafür bezahlt.

    Andere Zeiten, andere Sitten. Ich ziehe SCHULDIGe Frauen vor.