Dokumentarfilm über Godard und Truffaut: Godard dreht weiter Filme

Der Dokumentarfilm "Godard trifft Truffaut - Deux de la Vague" von Emmanuel Laurent und Antoine de Baecque erzählt Filmgeschichte als Familiendrama.

Jean-Luc Godard: Provokateur und ewiges Enfant terrible des französischen Kinos. Bild: DPA

BERLIN taz | Man kann sich darüber streiten, ob François Truffaut und Jean-Luc Godard die wichtigsten Regisseure der französischen Nouvelle Vague waren. Es gäbe gute Gründe, auch an Eric Rohmer oder Jacques Rivette zu denken. Die öffentlichkeitswirksamsten waren die beiden auf jeden Fall: Truffaut durch seinen Erfolg an den Kinokassen, Godard als Provokateur und ewiges Enfant terrible des Kinos.

Antoine de Baecque hat zwei materialreiche, verdienstvolle Monografien über Truffaut und Godard verfasst. "Godard trifft Truffaut - Deux de la Vague", ein von Emmanuel Laurent inszenierter Dokumentarfilm, zu dem de Baecque das Drehbuch verfasste, ist aber eher ein Filmgeschichts-Crashkurs, der an der Oberfläche kleben bleibt. In der vermeintlich korrekten, weil am linearen Verstreichen der Zeit orientierten Reihenfolge wird viel angerissen, aber vertieft wird nichts.

Der ausdauernde Voice-over-Kommentar doziert ein wenig lehrerhaft und vor allem die geläufigsten Interpretationen (kurz zusammengefasst: Godard genial, aber verbiestert, Truffaut ein klasse Typ), die Bilder kommen fast ausschließlich aus dem Archiv. Neben Filmszenen und fetischisiertem Quellenmaterial montiert Laurent historische Interviews: Godard cool posierend hinter der Sonnenbrille, Truffaut als dezent aufmüpfiger Musterschüler, stets etwas steif und nervös.

In die Gegenwart findet der Film nur, wenn die Schauspielerin und Regisseurin Isild le Besco zwischendrin in alten Zeitschriften blättert - was das allerdings soll, bleibt rätselhaft. Le Besco gehört zwar zu den radikalsten französischen Filmemacherinnen der Gegenwart, ihrem lethargisch-pflichtschuldigen Auftritt in Laurents und de Baecques Clipshow sieht man das allerdings gerade nicht an.

Truffaut ist leider tot, aber Godard lebt!

Man erfährt etwas über die Kindheit der späteren Regisseure, ihre Lehrjahre als Filmkritiker bei den Cahiers du Cinéma, die Begeisterung für das klassische amerikanische Kino, den Kampf gegen das Establishment in Cannes. Eher ein Nachsatz bleiben das Engagement von 1968 und die anschließende Politisierung Godards, die zum Bruch zwischen den beiden Regisseuren führt. Das Problem ist nicht, dass der Film sich an diesem Punkt auf die Seite Truffauts und dessen ein wenig naiver Verteidigung der Kunst gegen ideologische Vereinnahmung schlägt. Sondern eher, dass Laurent und de Baecque alles ausblenden, was ihre geradlinige Chronik durcheinanderbringen könnte.

Passend dazu wird der Film vom gefrierenden Blick des jungen Jean-Pierre Léaud in die Kamera, der berühmten letzten Einstellung aus Truffauts Erstling "Sie küssten und sie schlugen ihn", gerahmt. Dieses Bild scheint Laurent zu gefallen, weil man von ihm aus französische Filmgeschichte als Familiendrama erzählen kann: Léaud als "Kind der Nouvelle Vague, gefangen zwischen den beiden Vätern Truffaut und Godard".

Natürlich gibt es schöne Filmausschnitte zu sehen, unter anderem aus den wenig bekannten frühen Kurzfilmen; da partizipiert der Film an seinem Material und bringt Dynamik in die eigene historiografische Behäbigkeit. Gegen ein wenig Kino-Nostalgie ist überhaupt wenig einzuwenden, dennoch möchte man den deutschen Arthaus-Verleihern zurufen: Truffaut ist leider tot, aber Godard lebt - und dreht weiter Filme! Sein aktuelles Werk "Film Socialisme" wartet hierzulande immer noch auf einen Kinostart. Genauso wie "Bas-fonds", der großartige neue Film Isild le Bescos.

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