Doku zum Klimawandel in Indien: Dichter Dunst
Der Dokumentarfilm „Invisible Demons“ zeigt die Folgen des Klimawandels in Delhi. Regisseur Rahul Jain findet starke Bilder für das Leben im Extremen.
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Keuchend zieht ein Ochse einen Karren durch Delhi, das Atmen bereitet ihm hörbar Schwierigkeiten. Der Eisklotz auf der Schulter eines Lieferanten schmilzt tropfend auf die Straße. In den Bussen dämmern die Fahrgäste vor sich hin oder versuchen bei Außentemperaturen von knapp 50 Grad Celsius eine kühle Brise des Fahrtwinds zu erhaschen.
Auf den Straßen stauen sich Autos bis zum Horizont. Unterdessen rattert Journalistin Divya Wadhwa unermüdlich die aktuellen Luftverschmutzungswerte herunter, gibt die offiziellen Warnungen vor längeren Aufenthalten im Freien an die Öffentlichkeit weiter.
Sozial teilt sich die Welt der Stadt in jene, die mit Klimaanlagen leben, und jene ohne. „Auf den Anstieg der Temperatur haben Sie oder ich keinen Einfluss. Wie kann ein Rikscha-Fahrer sagen, warum die Temperatur steigt?“, fragt ein Mann an einem Eisstand lachend. In Rahul Jains Krisenbild Delhis im Dokumentarfilm „Invisible Demons“ greifen eskalierende Umweltverschmutzung und sommerliche Hitzewellen ineinander, um infernalische Lebensbedingungen in der indischen Hauptstadt zu erzeugen.
„Invisible Demons“. Regie: Rahul Jain. Finnland/Deutschland/Indien 2021, 77 Min.
Am Abend nach einem Tag mit besonders hoher Luftverschmutzung fängt der Filmemacher die Partikel mit der Kamera auf. Weiße Blitze zucken durch das Bild: „Ich sehe sie als Giftpfeile, die unsere Lungen durchbohren.“ Die Folgen der weißen Blitze sind einfacher sichtbar. In einer Lungenklinik pusten Menschen kraftlos in eine Röhre, Röntgenbilder zeigen die Schäden an ihren Lungen. Mikroendoskopische Aufnahmen zeigen die Ablagerungen von Rußpartikeln überall in den Atemwegen. Inhalationsapparate sollen Linderung verschaffen. Ansonsten herrscht Ratlosigkeit.
Auf die Hitze folgt Regen, so viel Regen, dass das Wasser in den Straßen steht. In den Pfützen und Lachen brüten Moskitos. Um die wiederum in den Griff zu bekommen, werden Chemikalien versprüht, die jede Form von Leben vernichten.
„Den Pflanzen geht es wie uns. So wie der Mensch an Krankheiten leidet, sind auch die Pflanzen krank geworden“, so ein Reisbauer. Wie der Rikscha-Fahrer am Eisstand ist auch er ratlos, wie der Krise beizukommen ist. „Wie soll sich die Verschmutzung reduzieren? Ich kann nichts dazu sagen.“ Wenn er keinen Reis anbauen kann, fährt er Lastwagen. Drei Taxifahrer berichten, dass sie hinter Lastwagen und anderen großen Fahrzeugen herfahren, wenn der Smog besonders dicht ist, weil man kleinere Autos nicht mehr sieht.
Noch während seines Studiums am California Institute of the Arts realisierte Rahul Jain seinen Debütfilm „Machine“ über eine gigantische Textilfabrik, die dem Regisseur über das konkrete Beispiel hinaus als Sinnbild globaler Arbeitsteilung stand. „Invisible Demons“ entfaltet nun den ganzen Umfang der Zerstörung von Umwelt und Lebenswelten rund um die indische Hauptstadt.
Der Film entstand als finnisch-deutsch-indische Koproduktion. Auf finnischer Seite wurde der Film von Iikka Vehkalahti betreut, der schon an Jains erstem Film beteiligt war und als Produzent geholfen hat, Filme wie Joshua Oppenheimers „The Look of Silence“ (2014) zu realisieren.
Jains Film zeigt den Preis, den Indien für den wirtschaftlichen Aufstieg an Umweltschäden und Krankheiten zahlt. Nur in wenigen Bildern ist die Luft über der Stadt halbwegs klar, meist verhängt dichter Dunst den Himmel. Die lokalen Probleme verbinden sich mit den globalen Klimaschäden zu einem katastrophalen Kreislauf. Dazu zwei Männer im Büro einer Stahlfabrik: „Es geht darum, dass alles besser und günstiger wird. Statt die Technologie zu nutzen, betreiben wir damit Raubbau. Das führt zu Umweltproblemen.“
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Trailer „Invisible Demons“
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Die Kraft von „Invisible Demons“ besteht in den Bildern, die Jain findet. Von den weiß blitzenden unsichtbaren Dämonen der Luftverschmutzung, die sich in den Lungen der Menschen ablagern, bis in die Weite der Landschaften. Als der Film per Kameradrohne dem Fluss Yamuna aus Delhi heraus folgt, wird das Wasser immer trüber. Etwas weiter flussabwärts treibt weißer Schaum auf dem Wasser.
Gegen Ende des Films trägt eine Prozession die Statue einer Gottheit zum Fluss, badet sie zwischen Schaumschollen, eine Gruppe Frauen steht im Fluss und wäscht sich rituell das Gesicht mit dem Wasser. Längst schon hat das Wasser die Kraft zur Reinigung verloren.
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