Doku über Val Kilmer bei Arte: Über Batman lästern
Die Doku „Val Kilmer“ ist ein tiefes, persönliches und narzisstisches Denkmal für den Schauspieler. Trotzdem sei es ihm gegönnt.
Seine Abschiedsvorstellung hat Val Kilmer eigentlich schon gegeben. Wer im vergangenen Jahr den inzwischen mehrfach Oscar-nominierten Blockbuster „Top Gun: Maverick“ gesehen hat, bekam eine Idee davon, dass es um die Gesundheit des US-Schauspielers nicht gerade bestens bestellt ist. Den Kehlkopfkrebs hat er zwar überwunden, doch die Krankheit hat ihn geschwächt und Spuren hinterlassen; sprechen etwa kann Kilmer nach einem Luftröhrenschnitt nur noch unter größten Schwierigkeiten. Seine Rückkehr als Mavericks Rivale Iceman, einer seiner legendärsten Rollen, für eine einzige Szene war ein wahrhaftig rührender Moment in dem Tom-Cruise-Vehikel. Auch weil man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, ihn womöglich zum letzten Mal auf der Leinwand zu erleben.
Jetzt gibt es noch einmal ein Wiedersehen mit Kilmer bei Arte, in einem sehr besonderen Film, der wirkt wie der Schlusspunkt vielleicht nicht unter ein Leben, aber zumindest unter eine Karriere. „Val Kilmer – Ein Leben zwischen Top Gun und The Doors“ ist ein Dokumentarfilm, der zwar auf dem Papier von Leo Scott und Ting Poo inszeniert, aber letztlich von dem Schauspieler selbst verantwortet wurde. Denn fast alles, was wir hier neben alten Filmausschnitten und Talkshow-Auftritten zu sehen bekommen, hat Kilmer selbst mit seiner Videokamera aufgenommen.
Mehr als 800 Stunden privater Aufnahmen umfasst das Archiv des heute 63-jährigen Kaliforniers, der schon in den siebziger Jahren mit seinen beiden Brüdern im religiösen Elternhaus in Los Angeles aufwändige kleine Filme drehte. Die Einblicke, die Kilmer nun mit diesem Material sowie dem ausführlichen, von seinem Sohn Jack gesprochenen Kommentar in sein Leben gibt, sind ungemein persönlich. Der frühe Tod seines jüngeren Bruders Wesley nach einem epileptischen Anfall im Swimmingpool, die Trennung der Eltern, später die Heirat mit der britischen Kollegin Joanne Whalley, Windelwechseln bei Töchterchen Mercedes oder telefonische Sorgerechtsstreitigkeiten nach der Trennung – dem Publikum wird wenig vorenthalten.
Auch der berufliche Rückblick fällt freimütig aus, da auch backstage am Theater oder in Drehpausen am Set der Camcorder selten ausgeschaltet blieb. Wir sehen beim ersten Broadway-Engagement, wie die blutjungen Kollegen Sean Penn und Kevin Bacon ihre nackten Hintern in die Kamera halten. Beim Dreh zu „Top Gun“ wird ausgelassen gefeiert und herumgealbert, während Kilmer in den neunziger Jahren dann seinem Frust freien Lauf lässt. Sei es darüber, dass im Superhelden-Kostüm bei „Batman Forever“ bestenfalls Schauspielerei wie in einer Seifenoper möglich wäre oder John Frankenheimer bei „DNA – Die Insel des Dr. Moreau“ die Berufsbezeichnung Regisseur nicht verdient habe.
„Val Kilmer – Ein Leben zwischen Top Gun und The Doors“, bis zum 9. 2. in der Arte-Mediathek
Keine kritische Auseinandersetzung
Man kann erahnen, warum sich Kilmer irgendwann den Ruf einhandelte, schwierig und divenhaft zu sein, und der Dokumentarfilm blendet dies auch nicht aus. Doch um die zweite Hälfte seiner Laufbahn, als für Kilmer ab 2000 die Hauptrollen und Prestige-Produktionen zusehends weniger wurden, macht „Val Kilmer – Ein Leben zwischen Top Gun und The Doors“ eher einen Bogen und widmet sich lieber seinem nie zur hundertprozentigen Vollendung gekommenen Theater-Traumprojekt über Mark Twain.
Statt einer tiefschürfend-kritischen Auseinandersetzung mit einem Künstler, in der auch andere zu Wort kommen, ist der Film eben ein ganz subjektives, anekdotenhaftes Lebensresümee, das nebenbei auf eindrückliche Weise vermittelt, welchen Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und der Kommerz-Maschinerie der Schauspieler-Alltag in Hollywood bedeuten kann.
Sich selbst auf diese Weise ein Denkmal zu setzen, mag narzisstisch anmuten. Doch wenn man mitansieht, wie Kilmer ansonsten seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, bei der Comic-Con bis zur Erschöpfung Autogramme zu schreiben, muss man ihm diesen passend egozentrische Schlusspunkt unter die eigene Karriere einfach gönnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs