Doku über Karriereziel Fußballprofi: „Geld ist was Schönes“
Hoffnung auf sozialen Aufstieg durch Fußball: Eine Arte-Dokumentation begleitet ein Nachwuchstalent beim französischen Verein Le Havre AC.
Eine naive Allerweltsphrase lautet: Im Fußball geht es nur noch um Geld. Oft sagen das Leute, die sich eine idealistische Berufswahl leisten können, Klassenverachtung schwingt mit. Aber es sagen auch viele andere, es ist also kompliziert.
In der Arte-Doku „Fußball um jeden Preis“ wird eine Menge über Geld geredet. Sie begleitet Abdelmalek Amara, ein 18-jähriges Nachwuchstalent aus nicht ganz einfachen Verhältnissen, im letzten Ausbildungsjahr beim renommierten Le Havre AC. Er will es schaffen auf diesen letzten Treppenlift des Kapitalismus.
Es gibt eine starke Szene im Schulunterricht, da sagt die wohlmeinende Lehrerin: „Nur weil ihr eine Ausbildung zum Fußballer macht, heißt das nicht, dass ihr nichts anderes könnt.“ Die Jungs aber können ihr gar keine anderen Interessen nennen. Und irgendwann sagen alle übereinstimmend, sie interessiere eigentlich nur Geld. Die Lehrerin ist irritiert. Es gehe doch um etwas, was sie erfüllt. Der soziale Graben zwischen beiden Seiten ist metertief. Einer der Jungs empört sich: „Geld ist was Schönes, warum wollen Sie das nicht verstehen?“
Die Doku über sozialen Aufstieg mittels Fußball hat sich mittlerweile fast zu einem Genre ausgewachsen. Die Chancen auf eine Profikarriere liegen im Promillebereich, geplatzte Träume und Drama gibt es fürs Filmteam also fast gratis mit dazu. Oft waren diese Dokus zuletzt aber herausragend differenziert und keineswegs blauäugig, und „Fußball um jeden Preis“ reiht sich ein.
Unmenschlicher Druck
Es gibt nicht die eine Antwort hier. Trainer, Eltern und Agenten üben unmenschlichen Druck aus. Und es gibt andere Momente, wo etwa ein gescheiterter Ex-Spieler erzählt, wie er es aus prekären Verhältnissen schaffte, weil er im Fußball „den Biss“ gelernt habe, ein Synonym wohl für Disziplin; wo derselbe Trainer, der gnadenlos brüllte, für Abdel uneigennützig den Sozialarbeiter macht.
„Fußball um jeden Preis“, Mittwoch, 21.50 Uhr, Arte und in der Arte-Mediathek
Die Lüge an Spitzenfußball als Streetwork ist bloß, dass ein Preisschild an den Jugendlichen haftet. Niemand fasst das so gut zusammen wie Abdels Schwester, die sagt: „Deine Mutter hat dich im Verein angemeldet, sie hat es verdient, dass du einen gewissen Erfolg hast. Und wir wären stolz auf dich.“ Dass Abdel seinen Selbstwert in Euro misst, ist nur folgerichtig. Was er selbst will, erfährt man nie.
Sportdokus schöpfen ihr Drama daraus, dass es um eine Inselbegabung geht, eine einzelne Chance durch den Kuss der Muse. Sie kann enormen Druck ausüben wie bei Abdel – oder Entlastung schenken. Zum Beispiel in der großartigen Doku „Heimspiele“ über eine ukrainische Erstligaspielerin aus tiefster Armut, die sich nach dem Tod der Mutter um ihre Halbgeschwister kümmert. Und ihren Stolz und ihre Kraft aus der Fußballkarriere zieht. Ohne Fußball, ist man versucht zu sagen, würde sie das nicht schaffen.
Oder die libyschen Spielerinnen in „Freedom Fields“, die um das Recht auf ein Nationalteam ringen und auf dem Weg zu Frauenrechts-Aktivistinnen werden. Aufstiegsdokus bauen im besten Fall ein Mosaik der Widersprüche. Im deutschen Film „Nachspiel“ wurden drei BVB-Talente über Jahrzehnte begleitet – ein Deutscher, ein Deutscher mit migrantischer Familiengeschichte und ein Ghanaer. Der Ghanaer ist der Einzige, der sein Scheitern im Fußball nicht auffangen kann, denn er hatte ja nichts anderes gelernt. Er wird Busfahrer.
Fußball verschärft soziale Spaltung, auch hier spiegelt er die Brutalität der Gesellschaft. Und dennoch sieht sich der Mann auch als Aufsteiger, er hat jetzt einen sicheren Job und einen deutschen Pass. Und er liebt Fußball. Ob Abdel ihn liebt? Ob er Erfüllung finden kann? Aktuell spielt er beim MC Oran in Algerien, er brachte es auf 29 Spielminuten in der Saison.
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