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Doku „Zum Teufel mit den Barrieren“Bewegende Bilder gegen Barrieren

In der Bremer Dokumentation „Zum Teufel mit den Barrieren“ schildern Menschen mit Behinderungen, ob die Gesellschaft für sie inklusiver geworden ist.

Wem wird der Stempel Behinderung aufgedrückt? Der Film geht mit dieser Frage behutsam um Foto: Compagnons Film

Können wir wissen, ob andere Menschen sich durch unser Handeln und unsere Worte verletzt oder ausgegrenzt fühlen? Können wir nicht auch mit guten Intentionen diskriminieren? Florian Grams erlitt bei seiner Geburt einen Hirnschaden, der seinen Bewegungsapparat beeinflusste. In der Dokumentation „Zum Teufel mit den Barrieren“ erzählt er davon, dass er als Kind auf der Straße oft von Fremden angesprochen wurde, die ihm sagten, wie traurig und schlecht sein Leben doch sei, und die ihm dann zum Teil Geld gaben oder für ihn beten wollten.

Grams war aber ganz zufrieden mit seinem Leben und erlebte diese Begegnungen als ausgrenzend und verletzend. Dies ist ein gutes Beispiel für die Vermittlung von Erfahrungswissen, und der Film ist immer dann am stärksten, wenn die Prot­ago­nis­t*in­nen so persönlich ihre eigenen Erfahrungen schildern.

So spricht eine Autistin davon, wie sie in der Schule gemobbt und von einer Lehrerin drangsaliert wurde. Heute ist sie selber Dozentin und Sozialarbeiterin. Eine andere Frau war aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ausgestiegen und wurde dadurch so traumatisiert, dass sie psychisch erkrankte. Die schlimmste Barriere für sie war die fehlenden Akzeptanz bei ihrem Versuch, in ein gesundes Leben zurückzufinden.

Der Filmemacher und Dozent für Behindertenpädagogik Jürgen J. Köster macht in Bremen schon seit den frühen 1980er-Jahren integrative Filmarbeit. Der von ihm inszenierte Spielfilm „Erden und Tschüss!“ war ein auf allen Ebenen inklusiver Film in dem Sinne, dass nicht nur die Prot­ago­nis­t*in­nen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen waren, sondern sie auch im Filmteam gleichberechtigt miteinander arbeiteten und etwa das Drehbuch gemeinsam entwickelten.

Der Film

„Zum Teufel mit den Barrieren“, Regie: Jürgen J. Köster, mit Isabelle Gersiek, Arne Frankenstein, Florian Grams und anderen, Deutschland 2022, 79 Minuten

Vorführung: 24. Mai, 17.30 und 20 Uhr, Bremen, City 46

„Zum Teufel mit den Barrieren“ wurde vergleichsweise konventionell gedreht. Zusammen mit der Produzentin Elizabeth Dinh ist Köster für den Dreh, die Montage und Postproduktion verantwortlich. Die Prot­ago­nis­t*in­nen hatten allerdings ein Mitspracherecht, und so erklären sich die vielen idyllischen Stadtansichten, etwa von der Böttcherstraße oder dem Bremer Rathaus.

Köster will mit „Zum Teufel mit den Barrieren“ dokumentieren, wie es um die Inklusion in der Stadt Bremen steht. Er beginnt den Film mit einem historischen Prolog, bei dem in einer fiktiven Tagebuchnotiz geschildert wird, wie Patienten im Jahr 1975 in „irgendeinem Landeskrankenhaus“ mit hohen Dosen von Beruhigungsmitteln ruhiggestellt oder im Bett dauerfixiert wurden. Köster arbeitete damals selber als Pfleger unter solchen Bedingungen, der von ihm geschriebene Text ist also autobiografisch.

Nach diesem persönlichen Beginn tritt Köster als Filmemacher konsequent in den Hintergrund, denn der Rest des Films ist betont kunstlos gemacht. Er besteht aus Gesprächspassagen, also sogenannten „talking heads“, in denen neben den persönlichen Erinnerungen auch viele gesellschaftspolitische Analysen und Kommentare formuliert werden.

Der Landesbehindertenbeauftragte der Freien Hansestadt Bremen, Arne Frankenstein, spricht etwa lange und fundiert darüber, wie „die Behindertenbewegung seit den 1970er-Jahren schon ein ganzes Stück des Weges gegangen“ ist. Aber er tritt im Film als reiner Funktionsträger auf. Alle persönlichen Informationen werden ausgespart, und dies geht so weit, dass Köster ihn nur in der immer gleichen Einstellung, einem „Brustbild“, gefilmt hat, man also nur indirekt an einer Kopfstütze erkennen kann, dass Frankenstein Rollstuhlfahrer ist.

Auch sonst werden die Behinderungen der Prot­ago­nis­t*in­nen nur dann thematisiert, wenn sie selber sie ansprechen. Köster vermeidet also auch filmisch den Blick von außen auf die Menschen und ihre Behinderungen.

Film als Teil der Bewegung

Stattdessen zitiert er sich oft selber mit Ausschnitten aus eigenen Filmen, durch die entweder das Gesagte illustriert wird, oder in denen etwa Isabelle Gersiek selber als Schauspielerin auftritt. Und Köster scheint auch immer mit der Kamera dabei gewesen zu sein, wenn Menschen mit Behinderungen in Bremen auf die Straße gingen, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Da zündet sich bei einer Straßenperformance eine namenlos bleibende Aktivistin ihren Arm an, die Straßenkehrer des Blaumeier Ateliers spielen in ihren Masken aus Pappmaché auf dem Bremer Marktplatz und die Musikerin Hanna Buhr singt Protestlieder.

Schon der Titel „Zum Teufel mit den Barrieren“ macht deutlich, dass Köster kein um Objektivität bemühter Dokumentarist ist, sondern den Film selbst als Teil der Bewegung versteht. Und so feiert er sie dann auch mit starken Prot­ago­nis­t*ìn­nen und Bildern, die Mut machen sollen. Die Premiere findet am 24. Mai im Bremer City 46 statt. Und das ist selbstverständlich ein barrierefreies Kino.

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