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Doku "Kids am Abgrund"Sex and the Ghetto

Perspektivarm, brutal und voller Sex - so zeigt die Dokumentation "Letzter Halt Sex - Kids am Abgrund" den Jugendalltag in Problemvierteln (Mittwoch, 23.30 Uhr, ARD).

Diese Jugendliche haben nicht viele Hobbys - außer Sex. Bild: swr/manfred bölk

Sex ist für den 16-jährigen Cheeks das Wichtigste im Leben, sechsmal die Woche macht er es, mindestens. Über sein Zuhause, Berlin-Hellersdorf, sagt er: "Hier ist die Gruft, hier sind 80 Prozent im Viertel Hartz IV, sagt doch schon alles, oder?!"

Der Filmemacher, Arzt und Psychologe Manfred Bölk hat Jugendliche aus deutschen Problemvierteln zum Thema Sex, Drogen, Gewalt und Rap interviewt. Mit seinem Film "Letzter Halt Sex - Kids am Abgrund" zeigt Bölk erschreckend nüchtern, wie das ganz normale Leben in Berlin-Hellersdorf oder Hamburg-Jenfeld aussieht: perspektivarm, aber kinderreich, brutal und voller Sex.

Sein erstes Mal hatte Cheeks mit 14, nach kurzem Blick ins Handy versichert er, dass er inzwischen mit elf verschiedenen Mädchen im Bett war. Normal in dem Alter oder nicht? Was ist normal mit 16? Die Frage wird in dem Film leider nicht beantwortet, stattdessen läuft die Schlagzeile "Sexalarm: immer früher, immer öfter, immer extremer" durchs Bild. Auf urteilende Akademiker verzichtet Bölk weitestgehend und lässt seine Protagonisten für sich selbst sprechen, was den Film umso lebensnaher wirken lässt.

Auch Nadine wohnt in Berlin-Hellersdorf, sie hat zwei Kinder und ist schwanger: "Mit 15 hab ich meinen ersten Sex gehabt und hab mir das dann auch gleich zum Hobby gemacht", sagt sie, die blondierten Haare zum Zopf gebunden. Nadine gibt sich locker vor der Kamera, erzählt von ihrer Leidenschaft, ihren Körper virtuell zu verkaufen, per Webcam im Internet. Ihre vierköpfige Familie lebt von 725 Euro Hartz IV im Monat. Die Trostlosigkeit vor der Tür ignoriert Nadine: "Tür zu, und dann seh ich das nicht", sagt sie, schließlich habe sie sich in ihren vier Wänden was aufgebaut.

"Porno-Rap" spielt eine große Rolle. Die Rapper verkörpern das, was viele Jugendliche sein wollen. Ihre Texte handeln von der Realität, vom harten Leben, von Sex und Gewalt. Klischees bedient der Film zur Genüge. Und natürlich darf auch Kool Savas nicht fehlen. "Absolut krank", beschreibt der 34-jährige Rapper das Verhalten der 13-, 14-, 15-Jährigen, die gleich von Anfang an mit dem ganzen "dirty Scheiß" anfangen würden, ohne ihre Sexualität wirklich entdecken zu können. Etwas seltsam, wo doch Kool Savas einst mit dem Lied "Lutsch mein Schwanz" selbst zu einem der Idole dieser Jugendlichen geworden war.

Irgendwie krass, denkt man dann, hört man die Geschichte der 20-jährigen Yasmina aus Köln, die ihre Unschuld im Internet an den Höchstbietenden versteigert hat. Noch krasser wird es, als die Hamburgerinnen Sandy oder Chayenne ihre Geschichten erzählen: kaputtes Elternhaus, Vergewaltigung mit sechs, Schwangerschaft, Abtreibung, volles Programm. Schonungslos zeigt der Film, was in manchen Familien Alltag zu sein scheint.

Die Sozialpädagogin Mirjam Müller erklärt, wie die Abwärtsspirale funktioniert: Zu Hause zerstritten, schlecht in der Schule, wenig Perspektiven, kaum Geld, um Dinge zu unternehmen, dreht sich bei den Kids viel um Sexualität, auch verbunden mit Alkohol und Drogen. Bernd Siggelkow, Gründer des Kinder- und Jugendwerks Arche e. V., sagt, die Kinder stünden unter Leistungsdruck, wollten im Trend sein. Manfred Bölk lässt hier zwei Praktiker zu Wort kommen, die nah am Leben der Kinder dran sind. Den größten Teil des Films erzählen die Jugendlichen aber selbst, was sie erleben, ehrlich und ohne Blatt vorm Mund. Zwischendurch werden immer wieder Rapperszenen eingespielt, ausschnittweise Internetpornografie gezeigt.

Abschließend werden die Filmprotagonisten nach ihren Zukunftswünschen gefragt. Cheeks Traum ist, später als Hotelkaufmann in Österreich zu arbeiten. Den eigenen Kindern was bieten können oder ein Haus mit Garten, so lautet die häufigste Antwort der Jugendlichen, ganz normal eben.

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6 Kommentare

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  • BK
    bi käi

    was mich vorhergehend (tom) und an der sendung

    störte, is für mich ein ehr gespaltenes problem aus rap, rave oder anderer "ghettokultur". ich verteigige als these, daß sexualität das individuum ausmacht, also würde ich den filmemacher noch in schutz nehmen, wenn er kein urteil fällen will im ghetto. lösung hab ich keine, nur guten willen wie andere bei der arche.

    was mich aber wirklich geärgert hat, daß sie hier irgendwie king kool savas noch als verantwortlichen bezeichnen, er ist selber in dieser welt groß geworden, und versucht nur in ihr

    zu überleben, bekannt dafür, daß er sich mit dieser welt nicht abfinden will.

  • T
    Tom

    Sehr geehrte Alexandra Gdanietz,

     

    ich schätze die TAZ auf Grund ihrer hohen journalistischen Qualität.

     

    Doch wenn selbst SpiegelOnline (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,640534,00.html) diese Serie differenzierter darstellt und auf die Problematik des Film-Aufbaus hinweist, tut es mir als Leser weh.

     

    Ohne die Dokumentation gesehen zu haben, nur durch die Hinweise dieses Artikels wird beim lesen bereits klar, warum die Dokumentation scheinbar eher tendenziös und emotionalisierend ist.

     

    Sie schreiben:

    "Auf urteilende Akademiker verzichtet Bölk weitestgehend und lässt seine Protagonisten für sich selbst sprechen, was den Film umso lebensnaher wirken lässt."

     

    Wenn man also mit sehr starken Geschichten, geschnitten mit Pornobildern und "Porno-Rap" einen Film dreht, dann appelliert dies wohl eindeutig an die Emotionsebene des Zuschauers und bringt nicht gerade einen sachlichen Exkurs voran.

     

    Wir sehen hier wohl nur Einzelfälle und Vergleichszahlen werden von den Jugendlichen geschätzt. Dabei ist es doch altbekannt und dürfte vielen jungen Männern auch noch ein Schmunzeln auf das Gesicht zaubern, wie gerne Jugendliche in diesem Alter mit den Sexualpartnern prahlen, auch wenn sie diese nie gehabt haben.

     

    Dass wir mächtige Schwierigkeiten in unseren Problembezirken haben, wird niemand bestreiten. Auch nicht, dass Jugendliche ohne Bildung, mit wenig Medienkompetenz und einem komplizierten Erziehungshintergrund für gewisse Probleme gefährdeter sind.

     

    Aber in fast sämtlichen Studien der letzten Jahre, wurden Zahlen gezeigt, die weitestgehend normal sind. Sexualforscher und Sozialwissenschaftler sehen die Entwicklung der Sexualität der Jugendlichen, abgesehen von den biologisch-normalen Verschiebungen, als ganz natürlich an.

     

    Hier scheint ein Thema im wahrsten Sinne des Wortes "aufgesext" zu werden um Klicks zu bekommen oder die persönliche Sicht zu dokumentieren. Dies ist einer TAZ, die für gute Recherche und ausgezeichnetem Journalismus steht, einfach nicht würdig.

     

    Ich hoffe demnächst auf mehr Vorsicht und mehr Hintergründigkeit bei diesen Themen und vor allem bei Ihnen.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Tom

  • R
    RedDevil

    Stimmt momentan fallen wir wieder in die Barbarei zurück.

    Auf der anderen Seite ist das hier von der ARD gezeigte Weltbild sehr konservative, aber klar die Konservativen sind ja gerade überall am Drücker.

  • A
    Amos

    Das Gesellschaftsproblem wird demnächst von unten gelöst

    werden-, die da oben können es ja nicht.

  • P
    por-no

    Ich bin mir nicht sicher, was ich erschreckender finde. Das sich die Gesellschaft eher um Kinder kummern moechte, wenn sie erkennt, dass sich diese dem Rausch und der Sexualitaet hingeben (statt Farbige durch die Innenstaedte zu jagen), oder dass sich stueckweise Verhaeltnisse einstellen, die denen der Arbeiterviertel in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aehneln ...

  • G
    Gockeline

    Wir wissen dieses Problem schon längst.

    Es ist auch nicht mehr nur in Berlin.

    Es schleicht sich von allen Großstädten quer durch das Land.

    Eine sehr traurige Sache,wenn Kinder keine Bildung mehr haben sondern als Zuwendung nur Sex sehen.Dazu mit wechselnden Partnern und so noch mehr Defizite erleben und Zurückweisung.

    Wer diesen Weg einschlägt kommt kaum zurück zur Normalität.Meistens landen sie als Prostiuierte

    auf der untersten Schiene auf der Straße.

    Es zeigt das Probleme auf aber nicht die Lösung.