Döring, Dänen, Dieter Bohlen: Schön wirds nicht, aber es muss sein
Ein zu friedlicher Friedensgipfel und die Schuldzuweisungen einer Bildungsministerin. Dazu der dänische Versuch, etwas Gerechtigkeit zu schaffen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kein Fortschritt in der Gaza-Katastrophe.
Und was wird besser in dieser?
Proteste in Israel gegen keinen Fortschritt in Gaza-Katastrophe.
Am Ukraine-Gipfel in der Schweiz nahmen über 90 Delegationen teil, Russland und China blieben fern. Was bringt ein Friedensgipfel, bei dem Akteure, die den Krieg beenden könnten, nicht mit am Tisch sitzen?
Im besten Fall genau diese Frage, nur lauter. Die Ukraine fordert, in vielem zu Recht, eine Ächtung Russlands. Das wäre noch eine von vielen Unterstützerkonferenzen. Für diesmal wurde Russland „nicht eingeladen, weil es kein Interesse“ habe, am großen Ächtzeremoniell teilzunehmen. So gelang dem Schweizer Treffen hoffentlich auszuformulieren: Schön wird es nicht, aber sein muss es doch – nämlich nächstes Mal auf irgendeiner Ebene mit Russland zu sprechen. Erdoğan anerbietet sich, Saudi-Arabien unterschrieb vieldeutig das Schlusskommuniqué nicht. Dann war der Bürgenstock eine besonders demonstrative Art, nicht mit Russland zu reden, um es danach tun zu können.
Nach Kritik an Bildungsministerin Stark-Watzinger, die die Kürzung von Fördermitteln für Wissenschaftler anhand politischer Kriterien erwogen haben soll, versetzte diese ihre Staatssekretärin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand. Wird sich Stark-Watzinger im Amt halten können?
Der bloße Gedanke, WissenschaftlerInnen für unbotmäßige Meinungen das Geld zu streichen, widerspricht der Kernidee von Wissenschaft. Soll sie mehr sein als Wiederholung gehabter Irrtümer, besteht sie wesentlich aus unbotmäßigen Gedanken. Starkwatz begnügt sich mit der Schuldzuweisung an eine Untergebene. Das mag so gelaufen sein, man weiß es nicht. Dass jedoch die Ministerin zur Missbilligung sich vielstimmig treiben ließ, statt an der Spitze gegen unwissenschaftlichen Geist in ihrem Hause anzutreten, ist offensichtlich und außerdem – ein Rücktrittsgrund.
Politiker von CDU und FDP fordern, ukrainischen Geflüchteten Bürgergeldzahlungen zu verwehren, um so mehr Arbeitsanreize zu schaffen. Neuer Tiefpunkt populistischer Asyldebatten oder sinnvoller Vorschlag?
Roderich Kiesewetter – sein Vorname lässt ahnen, dass hinter ihm kein Gras wächst – ramentert schon länger, wehrfähigen Ukrainern in Deutschland das Leben ungemütlich zu machen. Einmal in Schwung, sägt der stillgelegte Berufsoffizier und Gelegenheitsfeldjäger auch am Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Und sieht die Streichung von Bürgergeld als „Anreiz“, dem russischen Krieg neue Opfer zu liefern. Krawallbotschafter Melnyk räumte ein, sein Sohn setze lieber sein Studium in Berlin fort, neulich erklärte Bürgermeister Klitschko seine Söhne für im Ausland geboren und unzuständig. Schön, wenn man Geld zu Hause hat. Wehrfähige Ukrainer bekommen ihre Pässe hier nicht verlängert, sitzen fest. Das Junktim bedient ausländerfeindliche Affekte und militaristisches Gejohle zugleich. Beim EM-Sieg der ukrainischen Mannschaft schwenkte die Kamera über eine begeisterte Fancrowd – man darf Geflohene, vaterländisch Gesinnte, Drückeberger, Soldaten, bangende Angehörige, alle Farben darunter vermuten. Das war zum Heulen.
Das dänische Fußballteam der Männer verzichtet auf eine Gehaltserhöhung, um so den Gender-Pay-Gap im Vergleich zum Frauenteam nicht zu vergrößern. Ist das ein sauberer Anfang oder reine Symbolpolitik?
Erst recht sollte Dieter Bohlen von den Millionen, die er mit seinem mäßig einfallsreichen Tonschlamm kassiert, ordentlich abgeben müssen. An irgendwelche unbekannten Zupfer, die beruflich eher so von der Musik herkommen. Mixolydisch-Tonleitern auf der kleinen Bühne des Jazzclubs vor acht zahlenden Zuschauenden, so was. Das ist aber nicht so. Die andere große Unterhaltungsbranche – Fußball eben – zahlt auch nach Leistung, nicht auf dem Platz, sondern an der Ticketkasse, Merch, Werbung, TV-Rechte. Das mag, gemessen an der Qualität der Spielerinnen, genauso schreiendes Unrecht sein. Aber seit wann hat Marktwirtschaft etwas mit Gerechtigkeit zu tun? Die Geste des dänischen Teams wird fruchtbar, wenn sie – neben equal pay – zu equal play führt, also dem Frauenfußball in den untersten Spielklassen, bei den Amateurinnen und im Nachwuchs bessere, gleichwertige Bedingungen verschafft. Langzeitwirkung: mehr Zuschauer, mehr Kasse. Wer weiß – mit kindgerechter Förderung wäre Dieter Bohlen vielleicht Musiker geworden.
Und was macht der RWE?
Inzwischen sind es zehn Spieler, die den Klub verlassen. Und vermutlich in einem Paralleluniversum neu gründen. Keine Ahnung, was da los ist, Wechsel im Management, Finanzierung unklar.
Fragen: Joscha Frahm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“