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Döbelingern

 ■ M E I N E M E I N U N G

Unabhängig, das heißt Independent vom Geschehen einer Unabhängigkeitsmesse in Berlin, sauste diese mitsamt ihrem Nebeneffekt, der Musik, an mir vorbei. Ich bewundere, daß der selbsternannte „General Manager“ Wolfgang Doebeling unabhängig von allen guten Geistern, das reichlichste, ihm anvertraute Geld dazu verwendete, den schmalen Grad seines Geschmacks durchzusetzen. Anglo-amerikanische Dominanz und als deutsche Beiträge nicht zuletzt die Gruppen seines eigenen Labels.

Alle wichtigen deutschen Gruppen fehlten, aber auch die traditionsreichen und wichtigen Plattenlabels, die ausschlaggebend für die Entstehung des Independent Marktes waren und sind. Als General Manager Doebeling mit der Vergangenheit als 'Tip'-Redakteur in nahezu jeder Ausgabe mit „News“ der Bands seines eigenen Labels in der Rubrik „Inside“ erfreute und sie damit künstlich nach oben döbelte, geschah das noch unter Pseudonym und daher abhängig von vorherrschenden Moralvorstellungen.

„Inside“: Die provinziell inzestiös verfilzte Klatschspalte mit dem verstaubten Charme eines Remakes der Feuerzangenbowle und einem tattrigen Heinz Rühmann. In der großen Politik erstaunen wir über die Unabhängigkeit eines Otto Graf Lambsdorff, der frei von jeder Scham die Spitze der Liberalen Partei erklimmt. Warum sollte das in der Kultur anders sein? Sind die Menschen dort besser?

Natürlich nicht. Wir stehen am Rand und beobachten staunend, daß, der am schamlosesten seine Interessen vertritt, durchaus in die Situation kommt, mit viel Geld Vorsitzender der Unabhängigkeitspartei BID zu werden. Wir wissen natürlich auch, daß viele, die nun ihr Mißfallen ausdrücken, gerne auch Parteimitglied der BID sein wollen. Die sind nun böse, daß sie nichts abbekommen von einem Spektakel, das jenseits der Realität für die Medien inszeniert wird. Das weiß auch der General Manager. So kann er denken: Alles nur Neid! Aber darauf kann er seinen rettenden Anker nicht werfen. Neid als Reaktion entsteht unabhängig von Qualität und Bedeutung einer Angelegenheit.

Wolfgang Doebeling hat für zwei Tage den Begriff „Independent“ Unabhängigkeit für sich gekauft. Ein Begriff, der für viele andere eine ganz andere Bedeutung, Wichtigkeit und Notwendigkeit hat. Für ihn heißt Unabhängigkeit: Steigerung des Marktanteils von zehn auf 20 Prozent. Wenn mir mein Pappi ein Auto kauft, dann bin ich endlich frei und unabhängig, genau wie mein Pappi. Das Unangenehme ist, daß sich da jemand derselben Strategien und Gedanken bedient wie die Industrie. Da erfreut sich jemand der gleichen moralischen Unabhängigkeit und des gleichen Qualitätsbewußtseins wie die Industrie und spielt sich als deren Gegenspieler auf. Jemand ist neidisch auf die Industrie und da diese auf den Marktanteil der Indies auch ein wenig neidisch geworden ist, wittert er die Chance, so zu werden wie der große Pappi. Natürlich mit seinen Musikern, das ist der Unterschied. So lange aber seine eigenen Musikprodukte nur mäßig erfolgreich verkauft werden, sind dies „unabhängige“ Produktionen. Immer noch das beste Etikett für Mittelmäßiges in des General Managers Sinne.

Greift die Industrie daneben, war es ein Verkaufs-Flop. Beim Independent-Label dagegen vielleicht eine schwer verkäufliche, aber wichtige Platte. Der Manager Doebeling jedenfalls betreibt marktschreierisch den Ausverkauf einer guten Idee, die eigentlich nur ohne General Manager seiner Gattung Zukunft haben kann. Er verfügt über „eine riesige Adressenkartei“ und „reichlich Kontakte im In- und Ausland“ ('Zitty‘, 21/88). Darauf ist er stolz wie ein Briefmarkensammler auf die Masse seiner Marken. Und wenn er diese Sammelwut als Befähigungsbeweis aufführt und folgert: „Kein anderer hätte die Messe organisieren können“, dann trifft er platt ins Schwarze. Dann schon lieber Amanda Lear: „Q stands for quality, which is better than quantity.“

Wolfgang Müller (Weinhändler)

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