Do-It-Yourself-Bewegung: Mixed Zone der Moderne
Im Punk war die Strategie des D.I.Y. noch subversiv. Beim Moabiter „Festival für selbstgebaute Musik“ glaubt man an das Gute der Marke Eigenbau.
Ein Lied. „Was du auch machst“, singen also Tocotronic, „mach es nicht selbst / Auch wenn du dir den Weg verstellst / Was du auch machst, sei bitte schlau / Meide die Marke Eigenbau“. Was ja erst mal ein kerniges Statement ist.
Selber machen kann man eigentlich fast alles – wenn man nur eine Anleitung dafür bekommt. In den besser sortierten Bahnhofskiosken findet sich zum Beispiel weiterhin dieses Magazin, das noch einigermaßen oldschool im Titel proklamiert: Selbst ist der Mann.
Erstmals erschienen ist das Do-it-yourself-Magazin Ende 1957. Als erste Zielgruppe hatte es die Aufbau-Generation nach dem Zweiten Weltkrieg im Auge, die sich mittlerweile schon ordentlich satt essen konnte und nun auch ihr neues Heim genauso ordentlich einrichten wollte. Ohne dafür allzu tief in die weiter recht klamme Kasse greifen zu müssen. Die Lösung: Heimwerken eben. Der Eigenbau.
Beim Selbermachen – so eine Mixed Zone der Moderne – treffen sich also ökonomische Notwendigkeit und die Selbstverwirklichung, in je unterschiedlichen Kräfteverhältnissen. Und dazu kommt hier ein grundsätzlicher Zweifel an Autoritäten und Fachkräften zum Zug, die einem ja doch nur erklären wollen, dass man besser mal alles von einer Fachkraft erledigen lässt – für das richtige Ergebnis.
D.I.Y., also Do it yourself, ist das Motto des "Festivals für selbstgebaute Musik" in Moabit. Eröffnet wird das viertägige Festival am Donnerstag um 19 Uhr mit einem Moabit mit Wedding verbindenden Brückenschlag-Konzert auf dem Torfstraßensteg. Zwei Chöre und eine Percussion-Gruppe sollen die Brücke dabei auch als Instrument benutzen. Danach Konzerte in umliegenden Kneipen.
Am Freitag spielen zwischen 16 und 18 Uhr dreizehn Bands auf der Turmstraße simultan Konzerte, am Samstag gibt es ab 16 Uhr ein Open-Air-Konzert im Innenhof des Berlin Kollegs, Turmstraße 75, bei dem auch selbst gebaute Musikinstallationen präsentiert werden, die dann am Sonntag ab 15 Uhr beim Experimentiertag ausprobiert werden können. Eintritt frei, www.moabitermusiktage.de
So wäre es allemal hübsch, wenn jetzt bei dem am Donnerstag startenden „Festival für selbstgebaute Musik“ in Moabit hier und da mal auf den Bühnen dieses „Mach es nicht selbst“-Lied von Tocotronic geschmettert würde, und zwar gerade aus dem D.I.Y.-Gedanken heraus, den man bei dem Festival beherzigen will: D.I.Y. wie Do it yourself. Selber machen. Stand ziemlich weit oben auf der Agenda des schon mal prinzipiell autoritätsskeptischen Punk, der auch musikalisch seine Zweifel daran hatte, dass nur Fachkräfte zum „richtig“ klingenden Ergebnis kommen können.
Heimwerken eben
Wobei das Selbermachen die Popgeschichte seit je begleitet. In der Erinnerungsliteratur zu den ersten Beatbands ist so stets auch was von selbst zusammengebastelten Verstärkern und eigenhändig geschraubten Gitarren zu lesen, alles Anfang der sechziger Jahre teure Mangelware.
Bei Punk mit seiner „Lerne drei Akkorde und gründe eine Band“-Faustregel zur Selbstermächtigung ging man das Selbermachen aber doch etwas organisierter und auch ideologischer an. Die Musik selber machen. Sie selbst produzieren, selbst für ihre Vermarktung zu sorgen und für die Konzerte gleich dazu, um so immer die Kontrolle in der eigenen Hand zu behalten.
Wie man das eigentlich auch mal beim Indierock wollte, bevor der Begriff zu einer eher geschmacklichen Kategorie wurde. Indie wie Independent. Unabhängigkeit. Und zwar von den Major-Plattenfirmen, die damals zur goldenen Zeit von Punk und Indierock – bis in die neunziger Jahre hinein – ja wirklich noch eine Macht waren und damit auch die eigentlichen Fachkräfte, die den Zugang zum Markt regulieren konnten.
Mit der Krise der Musikindustrie (und dem sonstigen digitalen Drumherum mit der Krise des Musikjournalismus und so weiter) ist diese Macht längst dahin. Was damit das Selbermachen neu beleuchtet. Nicht nur die Absolventen der Popakademie Mannheim wissen längst, dass neben dem Musikmachen gleichermaßen das Marketing von entscheidender Bedeutung ist, dessen Regeln man schon verstanden haben sollte.
Weil man als Musiker heute oft halt alles selber machen muss. Die Zwänge der Ökonomie. Was man auch vergangene Woche auf der Berlin Music Week diskutierte und dabei von D.I.Y. eben auch als einer neoliberalen Strategie zur Selbstoptimierung sprach. Genau das hatten ja Tocotronic mit ihrem Lied im Auge. „Mach es nicht selbst“ ist ein beinhartes Protestlied.
D.I.Y. in Vollendung
Wo sich aber die eine Tür schließt, heißt es doch immer, muss man eben eine andere aufmachen. Beim „Festival für selbstgebaute Musik“ will man das Selbermachen so noch einmal prinzipiell erweitern. Hier soll an vier Tagen nicht einfach nur selbst gemachte Musik zu hören sein, sondern dazu eine, die an selbst gewerkelten Instrumenten verfertigt wird. D.I.Y. in Vollendung.
Wobei es dabei gar nicht so sehr um die Selbstverwirklichung oder gar um eine Selbstoptimierung geht, sondern eher um die Neugier, wie denn dann so eine Musik aus dem Bastelansatz heraus mit Schlauchtrompeten oder Pappinstrumenten klingt.
Neue Versuchsanordnungen. Irrlichternder Krautrock mit Selbstbauinstrumenten von der Band Kulku wird bei dem Festival etwa zu hören sein oder auch die aus Balkan und Russenska zusammengepuzzelte Schwofmusik vom Skazka Orchestra. Einen Soundtrack des Neoliberalismus sollte man bei dem „Festival für selbstgebaute Musik“ jedenfalls nicht erwarten.
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