Dmitri Medwedew hetzt gegen die Ukraine: Der Scharfmacher aus Moskau
Dmitri Medwedew leugnet wieder öffentlich die Existenz der Ukraine. Will er sich erneut als Nachfolger Putins inszenieren?
So manche dürften es bereits aufgegeben haben, sich mit dem geistigen Zustand von Dmitri Medwedew zu beschäftigen. Immer wieder sondert der Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrats seine Hasstiraden gegen die Ukraine in den sozialen Netzwerken ab – dabei schien er zumindest noch am Anfang seiner Interimspräsidentschaft (2008 bis 2012) liberale Anwandlungen zu haben und einer Modernisierung Russlands gegenüber aufgeschlossen zu sein.
Am Samstag wieder verstieg sich Medwedew auf seiner Seite bei WKontakte, dem russischen Pendant zu Facebook, zu Ausführungen darüber, „warum niemand die Ukraine brauche“ und sie daher „von dem Planeten verschwinden“ werde. Die Ukraine, das seien „künstlich zugeschnittene Territorien, die versehentlich aus dem Staatenverband herausgerissen worden seien“. In der Ukraine lebten Millionen von „Landsleuten“, die Russland im Rahmen einer Sonderoperation verteidige.
Medwedew schreibt, diese Stücke Russlands, die innerhalb der Grenzen von 1991 als Ukraine bezeichnet würden, seien ein Missverständnis, entstanden durch den Zusammenbruch der UdSSR. „Diese Unterukraine brauchen wir nicht, wir brauchen ein großes, erhabenes Russland.“ Und: Die Bürger der Ukraine seien gezwungen, in Angst zu leben, ihre Häuser zu verlassen, damit „eine Gruppe diebischer faschistischer Clowns auf ihren Offshore-Konten gestohlenes westliches Geld“ bunkern könne.
Ein Land, das es eigentlich nicht gibt und dessen Bewohner noch immer nicht gemerkt haben, dass sie in Wahrheit Russen sind: Ein ähnlich abwegiges und realitätsfremdes Geschwurbel war auch einem Interview Medwedews mit russischen Staatsmedien vor etwa zwei Wochen zu entnehmen. Um die Kriegsziele in der Ukraine zu erreichen, müssten die Streitkräfte nicht nur auf Kyjiw, sondern auch auf Lwiw vorrücken, sagte er. Die Aussage scheint doch etwas vermessen angesichts der Tatsache, dass die russischen Truppen bislang trotz erheblicher Anstrengungen noch nicht einmal in der Lage sind, die ostukrainische Stadt Bachmut einzunehmen.
Lawrow redetet über neue „Weltordnung“
Derlei öffentlich geäußerte Vernichtungsfantasien sind kein Alleinstellungsmerkmal Medwedews; sie sind fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses geworden. Dazu genügt es, sich die Talkshow von Wladimir Solowjow anzusehen, wo sechsmal wöchentlich verbale Amokläufe ähnlichen Inhalts zelebriert werden.
Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um die Ukraine. In den Talkshows wird die Meinung verbreitet, Russland befinde sich in einem Krieg mit dem „kollektiven Westen“, der die Ukraine dafür missbrauche, um Russland zu zerstören. Das war übrigens die Botschaft von Russlands Außenminister Sergei Lawrow bei einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu am Freitag in Ankara.
Man sei nicht grundsätzlich gegen Verhandlungen, um eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ukraine zu erreichen – eine Forderung, die am Wochenende bei den Ostermärschen in mehreren deutschen Städten laut wurde. Allerdings sei die Vorbedingung, so Lawrow, dass Moskaus Interessen Rechnung getragen werde. Russlands Chefdiplomat ging noch einen Schritt weiter: Es müsse um die Prinzipien gehen, auf denen eine neue Weltordnung gründe, die alle bräuchten, statt einer einseitigen Weltordnung, „der Ordnung eines Hegemons“.
„Russland steht mit der überwältigenden Mehrheit anderer Staaten dafür, dass die neue Weltordnung auf den Prinzipien der UN-Charta aufbaut, die vom kollektiven Westen direkt verletzt wird.“ Damit leistet er erneut einer Täter-Opfer-Umkehr Vorschub und lässt keinen Zweifel daran, dass es einen Friedensschluss nur zu Russlands Bedingungen geben kann.
Warum sich ausgerechnet Medwedew so weit aus dem Fenster lehnt, ist immer wieder Gegenstand von Spekulationen. Einige halten es für möglich, dass sich Medwedew für eine Nachfolge Wladimir Putins empfehlen will. Ein russischer Journalist, der im Exil lebt und anonym bleiben möchte, sagt der taz: „Medwedew gibt den Hardliner“, sagt er. „Das tut er, um Putin noch einigermaßen adäquat rüberkommen zu lassen.“
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