Dâm-Funk über die Musikszene in L.A.: „Ich bin eher so Heimwerker“
Der Musiker Dâm-Funk erklärt sein neues Album „Invite the Light“, seinen soften Sound und warum Rapper nicht immer auf dicke Hose machen müssen.
Wenn mich jemand nach meinem Alter fragt, sag ich immer: Ich bin zeitlos!
Eigentlich komme ich aus Pasadena, einem Suburb von Los Angeles, knapp 15 Minuten von Downtown entfernt. Dort bin ich als Damon Riddick in den frühen Achtzigern groß geworden. Musikalisch zählte für uns damals nur der Egyptian Lover! In L. A. war der Lover sogar populärer als Michael Jackson – kein Scheiß. Das war zu einer Zeit, als Rap noch keinen Einfluss hatte, das kam erst später, Ende Achtziger. Der Lover stellte sich mit Drummachine auf die Bühne und palaverte drauflos. Er nannte das Elektro. Es entwickelte sich immer mehr zur Party, und hinterher vertickte er seine Schallplatten aus dem Kofferraum. So wurde er zum Held der Inner Cities.
Er hatte Connections zur Drogenkultur. Das will heute niemand mehr wahrhaben, denn er trat genau zu jener Zeit auf den Plan, als Koks und Crack die Viertel überschwemmten und die Kids begannen, das Zeug zu verticken. Und dann regierte plötzlich Bling-Bling, die Leute trugen flashige Klamotten und fuhren dicke Schlitten. Diesen Szenenwechsel orchestrierte Egyptian Lover mit seinem Uptempo-Gelaber. Heute assoziiert niemand mehr Uptempo mit dem taffen Gangsta-Style von einst, aber das war früher exakt so, wie Egyptian Lover es verkörperte, immer auf die Zwölf, immer krass.
Mein Leben heute könnte nicht weiter davon entfernt sein. Bei mir ist definitiv keine Uptempo-Party. No way. Ich würde sagen, mein Sound entspricht eher meinem müden Lächeln. Wenn ich Musik mache, klickt erst mal ein Feuerzeug im Dunkeln. Abwarten, was so geht. Leute, die sich als Nonstop-Party inszenieren, sind mir zu einseitig. Ich finde Kontraste wichtig, mir liegt an Raffinesse in den Arrangements. Stimmungsschwankungen sollen auftauchen und feine Stilmischungen. Mit unterschiedlichen Leuten arbeiten. Losbrettern kann doch jeder, aber Runterbremsen, das ist eine Kunst für sich, da steckt viel Arbeit drin. Und irgendwann kommt der Boogie von selbst! Ich sag dir jetzt mal was: Ich mache sophisticated Funk mit Straßenanbindung, verstehste?
Funk am Computer im Schlafzimmer
Empfohlener externer Inhalt
„Surveillance Escape“ von Dâm-Funk
Und noch was: Ich spiele dafür alle Instrumente selbst. Ausschließlich Eigenkompositionen! Das hat sicher damit zu tun, dass ich Einzelkind bin, von zu Hause war ich’s gewohnt, Dinge allein zu regeln. Dabei hab ich bereits zu Schulzeiten in Bands gespielt, aber die Typen waren nur darauf aus, beim Rappen vorne an der Bühne auf dicke Hose zu machen. Ich bin eher so Heimwerker, habe mich in die Synthesizer reingefuchst, unterschiedliche Hardware ausgetestet, und inzwischen kriege ich den Funk am Computer im Schlafzimmer hin, maßgeschneidert, aber immer schön mit meiner persönlichen Handschrift.
Was Funk bedeutet? Das willst du wirklich wissen? Ich sag es dir: Funk ist inklusiv. Alle sind willkommen. Ich zum Beispiel liebe diese britische Popband Prefab Sprout. Ich darf das, denn Funk ist zwar verwandt mit R&B und Soul, aber lange nicht so traditionalistisch. Du willst dich mit der Gitarre um den Verstand gniedeln, dann gniedel mit der Gitarre! Keiner hält dich auf, auch das ist Funk. Und der Slang, absolut speziell: Das Funk-Thing ist mehr so ein Funk-Thang, verstehste?
Du kannst alles sagen, aber wenn du Scheiße laberst, ist es Fake. Du hörst sofort, ob es stimmt: Nimm „The Payback“ von James Brown oder „Regulate“ von Warren G, das ist reiner Funk. Der bringt Leute in Wallung. Wenn sie dazu tanzen, entwickeln sie eine andere Perspektive und das führt letztendlich auch zu neuer Erkenntnis. Funk ist immer Vorreiter. Eine Kunstform, die unsere Existenz als Afroamerikaner musikalisch darstellt. Funk ist unser kultureller Beitrag zur Lage der Welt. Dazu zähle ich auch „Invite the Light“, mein neues Album.
In einer 16-teiligen Serie haben wir Flüchtlinge gebeten, uns das zu erzählen, was ihnen jetzt gerade wichtig ist. Wie erleben sie Deutschland, worauf hoffen sie, wie sieht ihr Alltag aus? In ihren Ländern waren sie Journalisten, Autoren, Künstler. Sie mussten Syrien verlassen, Russland, Aserbaidschan oder Libyen. Jetzt sind sie in Deutschland. Was sie zu sagen haben, lesen Sie im Oktober täglich auf taz.de. Alle Geschichten gebündelt gibt es in der taz.am wochenende vom 2./3./4. Oktober, erhältlich am eKiosk.
Nix gegen Beats und Loops
Musikalität ist mir dafür ganz wichtig. Früher galt ich als Synthesizer-Superhirn, aber inzwischen profitieren auch jüngere Kollegen wie Kendrick Lamar oder Flying Lotus von meiner kompositorischen Begabung. Letztendlich verschaffte mein Einsatz auch ihnen größere künstlerische Freiheiten. Sie können stilistisch vielfältiger sein, damit auf ein anderes Level gelangen.
Nix gegen Beats, Loops oder ein paar Samples. Aber die Welt der Musik ist größer. Als ich 2013 zusammen mit Snoop Dogg das Album „Seven Ways of Funk“ produziert habe, hätte ich es mir leicht machen können. Nix da, ich sagte zu ihm, wir machen jetzt richtige Musik! Und vergleich unsere Kollaboration bitte mit dem Mainstream-Zeugs, das er momentan macht. Eben!
Weißt du, L. A. ist ein komplizierter Ort. Es kommt aufs richtige Timing an, wer wem wann weiterhelfen kann, wer Geld für Projekte abzwackt. Da bin ich ziemlich stolz, mit wem ich in den vergangenen sieben Jahren zusammengearbeitet habe. Genauso die „Funky Sole“-Nacht im „Star Shoes“-Club auf dem Hollywood Boulevard. Als wir da mit Plattenauflegen anfingen, wurden die Nasen gerümpft, inzwischen drücken sich die Youngster die Riechkolben platt.
Keine B-Wörter und keine N-Wörter
Mein Debütalbum „Toechizown“ von 2009 wurde allseits belächelt. Was will der Typ mit seinem Funkfimmel, hieß es. Ich hab mich nicht beirren lassen. Und siehe da, inzwischen sind alle ein Stück mehr soulful. Deshalb ist „Invite the Light“ nun ein Dokument der aktuellen musikalischen Vielfalt von Los Angeles. Ich hoffe, wenn irgendwann mal jemand die Geschichte meiner Stadt im frühen 21. Jahrhundert schreibt, dass mein Bemühen berücksichtigt wird.
Meine Musik ist friedlich, auch als Reaktion auf den Konkurrenzdruck im Biz. Ich mach da nicht mit und benutze in meinen Texten keine B-Wörter und keine N-Wörter. Ich verlange nicht, dass es alle so machen, ich zeige damit nur, dass es noch mehr Sprachebenen gibt. So fühle ich mich gerade. Wer weiß, vielleicht texte ich in fünf Jahren über verrückte Scheiße, aber jetzt grade weht bei mir ein positiver Vibe, er reflektiert mein Leben und die Art, wie ich mit anderen umgehe.
Damon Riddick alias Dâm-Funk sorgt seit seinem Debüt „Toeachizown“ (2008) für eine Renaissance von Funk unter elektronischen Vorzeichen. Seine Anfänge als Sessionmusiker auf HipHop-Alben brachte ihn auf die Idee, amtliche Produktionstechniken auf alte Stilprinzipien anzuwenden. Auf seinem tollen neuen Werk „Invite the Light“ (Stones Throw/Groove Attack) lässt er sich von Größen wie Q-Tip und Snoop Dogg, der Musikerin Nite Jewel und dem Funk-Pionier Junie Morrison begleiten.
Eins noch: Der Albumtitel „Invite the Light“ ist nicht nur so ’ne Bauernregel. Ich meine das ganz ernst. Knippst öfter mal die Discobirne im Leben an! Denn das Licht ist der Funk. Wenn eine Gesellschaft keinen Funk mehr hat, wird’s zappenduster. „We Continue“, der erste Song nach dem Intro, fasst die Lage so ein bisschen zusammen: Wir machen weiter, wir haben gar keine andere Möglichkeit. Es passiert so viel Scheiße, aber wir lassen nicht nach, wir halten uns an die Guten da draußen.
Es gibt so viele unbesungene Helden, denen widme ich meine Musik. „Invite the Light“: Denn ich kann miese Stimmung nicht mehr ertragen. Es ist ja nicht so, dass bei mir alles optimal gelaufen wäre, was hab ich für Rückschläge eingesteckt! Manche davon sind in meine neuen Songs eingeflossen. Mein Wunsch, die Leute mögen vorurteilslos meine Musik anhören und sie auf ihr eigenes Leben anwenden. Immer positiv!
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