Diskussion um Olympiaabsage: Verschobene Verschiebung
Kanadas Olympisches Komitee wird seine Athleten nicht zu den Olympischen Spielen schicken. Das IOC gerät immer weiter unter Druck.
Zeitspiel ist in den Tagen und Wochen exponentiell wachsender Kurven von Corona-Erkrankten eine wenig erfolgversprechende Strategie. Seit Sonntag ist die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio (24. Juli bis 9. August) für das Internationale Olympische Komitee (IOC) zwar erstmals offiziell ein mögliches Szenario, entscheiden will man das aber erst im Laufe der nächsten vier Wochen. IOC-Chef Thomas Bach erklärte am Sonntag: „Menschenleben haben Vorrang vor allem, auch vor der Austragung der Spiele. Das IOC will Teil der Lösung sein.“
Derartige Langmut werden wohl weder die Athletinnen und Athleten noch die Sportverbände und jeweiligen nationalen Olympischen Komitees aufbringen. Nachdem am Wochenende schon Deutschlands Athletensprecher und Fechter Max Hartung seinen individuellen Verzicht auf Sommerspiele in diesem Jahr bekannt gab, teilte am Sonntag das kanadische Olympische Komitee auf seiner Internetseite mit, nur bei einer Verschiebung seine Sportlerinnen und Sportler nach Japan zu schicken. Das Paralympische Komitee Kanadas folgte der Entscheidung für die Paralympics. Derartige Entschlüsse könnten durchaus beispielgebend sein.
Es zeichnet sich ab, dass dem IOC Stück für Stück die Entscheidung aus der Hand genommen wird und die Dachorganisation einen großen Autoritätsverlust hinnehmen muss. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) forderte seine Athleten am Wochenende auf, sich in einer Abstimmung für oder gegen die planmäßige Austragung der Sommerspiele auszusprechen. „Der DOSB macht es sehr gut“, lobte Hartung die Dachorganisation und erklärte zur Abstimmung: „Es ist das klare Bekenntnis da, das Votum der Athleten mit in die Position des DOSB zu den Spielen einzubeziehen. Das ist einmalig auf der Welt.“
Befragung der Athleten
Dass die deutschen Sportler sich für eine Verschiebung aussprechen werden, ist absehbar. Und der DOSB könnte dann kaum darüber hinweggehen.
Die Stimmung unter den Sportlern ist nicht nur in Deutschland recht eindeutig. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler, der zugleich auch Athletensprecher des Leichtathletik-Weltverbands ist, erklärte am Montagmorgen im ZDF: „Wir Athleten – international kann ich da für die Leichtathletik sprechen – sind der Meinung, dass 2021 aktuell die maximale Sicherheit bietet.“ Man werde das in einer für Montagabend anberaumten Videokonferenz dem Weltverbandschef Sebastian Coe vortragen.
Der Druck auf das IOC wächst also von allen Seiten. Japans Premierminister Shinzo Abe hatte am Montag vor dem Parlament in Tokio erklärt, es müsse mit einer Verschiebung gerechnet werden. Es sei schwierig unter den gegenwärtigen Umständen, die Spiele durchzuführen. Die Entscheidung liege aber beim IOC.
„Respektlos“ und „verantwortungslos“ gegenüber den Athleten nannte Dagmar Freitag, die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags, die zögerliche Haltung des IOC. Die SPD-Politikerin sprach von einem „eklatanten Führungsversagen“.
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