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Diskussion um Leopard-KampfpanzerBaerbock signalisiert Lieferfreigabe

Wegen seiner Kampfpanzer-Blockade steht Scholz unter Druck. Laut Außenministerin würde sich Deutschland aber nicht gegen einen Export aus Drittstaaten stellen.

Außenministerin Baerbock im Gespräch mit Kanzler Scholz Foto: Fabrizio Bensch/dpa

Berlin dpa | Deutschland würde sich Außenministerin Annalena Baerbock zufolge nicht gegen die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus anderen Ländern an die Ukraine stellen. „Wir wurden bisher nicht gefragt und (…) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen“, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend dem französischen Sender LCI. Baerbock antwortete auf die Frage, was geschehe, wenn Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern würde.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte zuvor angekündigt, notfalls auch ohne Zustimmung Deutschlands Leoparden an die Ukraine zu liefern. Der Nachrichtenagentur PAP sagte er: „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen – mit oder ohne Deutschland.“ Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine „kleinere Koalition“ bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustimmung beginnen, einige ihrer Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.

Die Bundesregierung hat bislang keine Entscheidung über die Lieferung deutscher Kampfpanzer in die Ukraine getroffen. Sie erteilte auch noch keine Liefererlaubnis an andere Länder für die in Deutschland produzierten Panzer. Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“, der sorgsame Abstimmungsprozess mit den Partnern laufe. SPD-Chef Lars Klingbeil wies in der Sendung auf die bereits geleistete Unterstützung für die Ukraine hin.

Krach in Ampel – SPD-Vertreter mahnen Besonnenheit an

Auch andere führende SPD-Vertreter stellten sich hinter den Kanzler. Aussagen auch von Koalitionsmitgliedern in den vergangenen Wochen über den Kanzler schwächten die Politik der Bundesregierung, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Sonntagabend im ZDF-„heute journal“. „Ich habe mich lange zurückgehalten, aber ich fand, am Wochenende war diese Kritik, insbesondere auch einer Kollegin, die immerhin Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist, maßlos.“

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte Scholz öffentlich scharf angegriffen. So bezeichnete sie die Kommunikation des Kanzlers in der Panzer-Frage als „Katastrophe“. Mützenich warnte daraufhin vor einer Politik mit Schnappatmung. Im ZDF sagte er: „Der Bundeskanzler trägt die Verantwortung und nicht diejenigen, die tagaus, tagein twittern und mit irgendwelchen Ratschlägen vorangehen. Ich glaube, dass der Bundeskanzler seine Aufgaben auch sehr deutlich wahrnimmt, aber auch sehr abgewogen wahrnimmt.“ Druck bekamen Scholz und die SPD allerdings auch vom anderen Koalitionspartner, den Grünen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese nahm Scholz ebenfalls in Schutz. Der Rheinischen Post sagte er: „Innerhalb der Ampelkoalition arbeiten wir in dieser herausfordernden Lage konstruktiv und abgestimmt unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Einzelne Abweichungen sollte man aber auch nicht überbewerten.“ Wiese fügte an: „Vielmehr sollte man jetzt die Nerven bewahren und Entscheidungen grundsätzlich nicht aus dem Bauch heraus treffen.“

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sieht die Koalition am Zerbrechen. „Die Szenen, die sich gerade in der Ampelkoalition abspielen, erinnern an ein Scheidungsverfahren“, sagte Frei der Bild. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte der Zeitung: „FDP und Grüne müssen sich fragen, ob sie bereit sind, gegen ihre eigene Überzeugung die Verantwortung für dieses Versagen mit zu übernehmen.“ Die Bündnisblockade von Scholz und der SPD bedeute, „dass Deutschland in einer historischen Bewährungsprobe des Krieges in Europa an einem entscheidenden Punkt versagt“.

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3 Kommentare

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  • Sie zeigt einen Ausweg auf. Deutschland braucht es schriftlich.

    • @What would The Doctor do?:

      Ein denkbarer Ausweg wäre die sowjetische Invasion in der Tschechoslowakei 1968 gewesen. Dort hatte die Bevölkerung seinerzeit ihre Regierung folgend i wesentlichen passiven Widerstand geleistet. Die Schäden und Opferzahlen hielten sich dadurch in Grenzen. Zwar waren die Repessalien in den nächsten Jahren für die Betroffenen nicht angenehm - aber sie haben überlebt.



      Und als sich etwas mehr als 20 Jahre später die politische und gesellschaftliche Lage grundlegend geändert hatte, sind die sowjetischen Besatzer ganz freiwillig wieder abgezogen und die tschechische und slowakische Bevölkerung hat eine säte Genugtuung erfahren.



      Es wird immer Dinge geben, die man einfach mal abwarten muß.



      Leider dürfte es für diese Lösung in der Ukraine zu spät sein - auf die Ukraine und deren Bevölkerung kommt jetzt viel Leid zu und es bleibt ihr jetzt nur noch zu retten, was noch zu retten ist.

      • @Denkender_Buerger:

        Das war für die Ukraine keine "Lösung", denn das bedürfte eines Feindes, der zumindest grundlegende Regeln des Anstands einhält. Zu den Dingen, die man einfach mal abwarten sollte, gehört sicher nicht der Raubüberfall und blutrünstige Vernichtungsfeldzug eines menschenverachtenden Nachbarn. Die Ukrainerinnen wollen frei und selbstbestimmt bleiben in einem demokratischen Europa des 21. Jahrhunderts, nicht auf irgendeine schale "späte Genugtuung" hoffen. Und sie kennen die Bedrohung sicher besser, als wir.

        Wie Dmytro Kuleba am 20. 6. in einer deutschen Gesprächsschau sagte: "Wenn wir keine Waffen erhalten, in Ordnung, dann werden wir mit Schaufeln kämpfen, aber wir werden uns verteidigen. Denn dieser Krieg ist ein Krieg um unsere Existenz."

        Von Deutschland gingen zwei Weltkriege aus, eine Schande, die wir seitdem sorgfältig gewahrt haben. (Und soweit ich weiß hatten die Verteidiger der Freiheit damals auch teils folgenschwer zu lange gezögert.) In diesem Fall sind es jedoch andere Kräfte des Bösen, die souveräne Völker gewaltsam unterwerfen wollen. Dies ist Russlands Schande, welche das russische Volk abschütteln kann, indem es seine brutalen Unterdrücker zum Teufel jagt. Und somit wertgeschätzter Teil und Verbündeter der freien Welt wird.

        Dass wir auf der blauen Mutter Erde alle in einem Boot sitzen und zusammenhalten müssen, 𝘥𝘢𝘴 ist, was selbst zu Beginn des dritten Jahrtausends einige noch nicht verstanden haben.