Diskussion um Beobachtung der Partei: AfD-Materialsammlung im Gespräch
Bevor er über eine Beobachtung entscheidet, will der Verfassungsschutz Informationen zur AfD zusammentragen – zumindest prüft er das.
AfD-Politiker haben in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht mit rassistischen Äußerungen oder Verbindungen zu rechten Gruppen. Auf fast jeden Zwischenfall dieser Art folgte die Forderung, der Verfassungsschutz müsse die Partei unter Beobachtung stellen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) lehnte das bislang ab – mit der Begründung, es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsextremistisches Bestreben der Partei insgesamt. Die Kriterien dafür seien nicht erfüllt: Eine bundesweite Einflussnahme oder gar Steuerung der AfD durch Rechtsextremisten sei nicht erkennbar. Der Verfassungsschutz habe zu bewerten, ob eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehe. Das sei nicht bei jeder radikalen oder grenzwertigen Äußerung der Fall.
Die Sprecherin des Innenressorts betonte aber, die offen vorliegenden Informationen zur AfD würden durch die Verfassungsschützer in Bund und Ländern fortlaufend bewertet. Man habe die Partei genau im Blick. „Die neue Dynamik aufgrund von Äußerungen nehmen wir auch wahr.“ Daher stimme sich das BfV nun eng mit den Ländern über das weitere Vorgehen ab – und eben über die Frage einer Materialsammlung.
Keine Grundlage für bundesweite Beobachtung
Die Leiter der Verfassungsschutzämter aus Bund und Ländern trafen sich am Mittwoch zu einer Tagung in Köln. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte vorab berichtet, einige Landesämter drängten die Verfassungsschützer im Bund dazu, deutschlandweit Material für eine mögliche Beobachtung der AfD sammeln zu lassen.
Den Verfassungsschützern aus den Ländern stünde es theoretisch frei, unabhängig vom Bundesamt bereits den jeweiligen Landesverband der AfD unter Beobachtung zu stellen. Der Chef des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag, Armin Schuster (CDU), etwa sagte der Berliner Zeitung, er halte eine Beobachtung der AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wegen dortiger rechtsextremer Flügel der Partei für angemessen. Eine Grundlage für eine bundesweite Beobachtung sehe er dagegen nicht. Bislang sehen aber auch viele Landesämter noch keine ausreichende Basis, um in eine Beobachtung einzusteigen, wie eine dpa-Umfrage ergab. Man behalte die weitere Entwicklung jedoch im Auge.
Der Verfassungsschutz könnte auch Teile der Partei unter Beobachtung stellen – wie das etwa bei der Linken passiert ist. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte der Stuttgarter Zeitung: „Wenn der Verfassungsschutz die Kommunistische Plattform unter Beobachtung hat, muss er sich auch der Patriotischen Plattform in der AfD widmen.“ Der Leiter des Verfassungsschutzes in Hamburg, Torsten Voß, sagte dem Spiegel: „Bei einzelnen Plattformen muss der Verfassungsschutz aufmerksam bleiben, wie sie sich entwickeln. Da kann die Schwelle der Beobachtung bald erreicht sein.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für die Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder aus. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) wiederum warnte in der Augsburger Allgemeinen, bei einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz bestehe die Gefahr, der AfD einen „Märtyrerstatus“ zukommen zu lassen.
Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland kommentierte die Debatte nur knapp und sagte auf Anfrage, er halte eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für falsch. Die AfD sei eine „Rechtsstaatspartei“.
Für Diskussionen zwischen den Verfassungsschützern in Bund und Ländern sorgt auch die Frage, ob das Bundesamt mehr Macht bekommen soll. Mehrere Verfassungsschutzämter in den Ländern sprachen sich auf dpa-Anfrage gegen eine weitere Zentralisierung aus – etwa Hamburg, Bremen oder Schleswig-Holstein. Der Chef der Innenministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), sagte der dpa, die Kompetenzverteilung solle unangetastet bleiben. „Bei einer Riesenbehörde besteht die Gefahr, dass der am einen Ende nicht mehr weiß, was der am anderen Ende macht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption