Diskriminierung von Geflüchteten: Schutz und Vorurteil
Während Berlin die ukrainischen Geflüchteten vor Ausbeutung schützen will, ergreift der Bund repressive Maßnahmen. Ein Wochenkommentar.
B ei der Flucht von zehntausenden Geflüchteten aus der Ukraine nach Berlin wurde vieles besser gemacht als bei früheren Fluchtbewegungen. Zwar haben auch hier die Behörden wieder zu behäbig reagiert, und Ehrenamtliche mussten einspringen, wo der Staat versagte. Auch wurden Fehler gemacht, indem etwa auf die Bedarfe von besonders schutzbedürftigen Menschen nicht adäquat eingegangen wurde. Dennoch stellte die unbürokratische Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden und nicht zuletzt ihre Anerkennung als Kriegsflüchtlinge eine eindeutige Verbesserung im Vergleich zum Sommer der Migration 2015 dar.
Die Geflüchteten, die seinerzeit vor allem aus Syrien nach Berlin kamen, können von den Rechten, die den Neuankömmlingen aus der Ukraine zugestanden werden, nur träumen. Während sie jahrelange Asylverfahren durchlaufen mussten, die teilweise bis heute andauern, während denen sie weder arbeiten noch ihren Wohnsitz frei wählen dürfen, wird den Menschen aus der Ukraine die Integration in ihre neue Heimatstadt wesentlich einfacher gemacht.
Die Ungleichbehandlung von Asylsuchenden je nach Herkunftsland wird zurecht als rassistisch kritisiert. Die besseren Startbedingungen für Ukrainer*innen bedeuten jedoch nicht, dass diese nicht ebenfalls Opfer von staatlicher Diskriminierung und Stigmatisierung werden können. So müssen ukrainische Geflüchtete, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, ab dem 1. Juni eine erkennungsdienstliche Behandlung durchlaufen, um über die Jobcenter Hartz IV oder Sozialhilfe beziehen zu können.
Heißt: Es werden Fotos gemacht, Fingerabdrücke genommen und körperliche Merkmale dokumentiert. Auch Messungen der Körpergröße und des Gewichts dürfen durchgeführt werden.
Warum eine derartige Behandlung, die sonst nach einer Festnahme wegen einer Straftat vorgenommen wird, für die Beantragung von Sozialleistungen notwendig sein soll, ist nur schwer nachvollziehbar. Zumal sie auch für die Menschen gilt, die sich bereits mit ihrem biometrischen Pass registriert haben. Während alle anderen Menschen, die Anrecht auf Sozialleistungen haben – und das trifft auch auf ukainische Kriegsflüchtlinge zu – einfach mit ihrem Ausweis zum Jobcenter gehen und einen Antrag stellen können, müssen sich Ukrainer*innen im wahrsten Sinne des Wortes nackig machen.
Ungleichbehandlung verstärkt Ressentiments
Diese Maßnahme wird vom Bund mit „Sicherheitsinteressen“ begründet, das Land Berlin hat dabei kein Mitspracherecht. Welche Sicherheit hier bedroht sein soll, ist jedoch unklar. Schließlich geht es nicht um die Erlangung eines Aufenthaltstitels, sondern um den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung. Dass dieser für Ukrainer*innen erschwert wird, erinnert nur allzu sehr an das rassistische Vorurteil des „Sozialtourismus“ aus Osteuropa, der von rechten Politiker*innen immer wieder bemüht wird, um ihre Ablehnung gegenüber Migrant*innen zu begründen.
Statt solche Ressentiments durch staatliche Maßnahmen noch zu bestärken, sollte der Staat dafür sorgen, die Rechte von Migrant*innen zu schützen. Schon vor der aktuellen Fluchtbewegung waren viele Osteuropäer*innen, aber auch andere Migrant*innen, Opfer von Ausbeutung. Mit der Not von Menschen lassen sich gute Geschäfte machen, was einige Firmen nur allzu gerne ausnutzen. Lohndiebstahl, Akkordarbeit, die Unterbringung in (zudem überteuerten) Schrottimmobilien bis hin zu Sklaverei sind keine Seltenheit.
Dass Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) vor diesem Hintergrund die Arbeitsrechte von Migrant*innen nun besser schützen und Ausbeutung verhindern will, ist der richtige Ansatz. Denn wenn es im Zusammenhang mit Zuwanderung betrügerisches Verhalten gibt, dann ist es hier zu finden – und nicht bei den Menschen, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben nach Berlin kommen.
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