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Diskriminierung in der Schweiz„Drecksasylant“ geht

„Sauausländer“ ist kein diskriminierender Ausdruck, urteilt ein Schweizer Bundesgericht. Nicht jede Beschimpfung sei ein Angriff auf die Menschenwürde.

Wer nicht der Norm entspricht, darf beschimpft werden in der Schweiz Bild: dpa

LAUSANNE dpa | Wenn Schweizer Polizisten Asylbewerber als „Sauausländer“ oder „Dreckasylant“ beschimpfen, ist das nach Ansicht des obersten Gerichtshofs der Eidgenossenschaft noch keine Rassendiskriminierung. Mit dieser am Freitag veröffentlichten Entscheidung hob das Bundesgericht in Lausanne ein Urteil gegen einen Polizisten wieder auf.

Der Beamte hatte 2007 in Basel einen algerischen Asylbewerber wegen des Verdachts auf Taschendiebstahl festgenommen und ihn dabei vor Schaulustigen beschimpft. Ein Gericht in Basel sprach den Polizisten der Rassendiskriminierung schuldig und verhängte eine Geldstrafe.

Das Bundesgericht befand hingegen, der für eine Diskriminierung erforderliche gezielte Bezug zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion sei durch die verwendeten Worte nicht gegeben – anders als zum Beispiel bei einer Beschimpfung als „schwarze Sau“ oder „Dreckjugo“, wie es dazu in der Urteilsbegründung heißt.

Zudem seien Begriffe wie „Sau“ oder „Dreck“ im deutschen Sprachraum seit jeher als Unmutsäußerungen verbreitet. „Derartige Äußerungen werden als bloße Beschimpfungen und nicht als Angriffe auf die Menschenwürde empfunden.“

Kritik vom UN-Auschuss

Das sei auch dann kaum anders, wenn diese Worte in Verbindung mit bestimmten Nationalitäten oder Ethnien benutzt werden. „Solche Äußerungen werden, jedenfalls soweit sie gegen konkrete einzelne Personen gerichtet sind, vom unbefangenen Dritten als mehr oder weniger primitive fremdenfeindlich motivierte Ehrverletzungen, aber nicht als rassistische Angriffe auf die Menschenwürde aufgefasst“, heißt es. Ob der Polizist nun wegen Beleidigung belangt werden kann, war laut Gericht nicht in diesem Verfahren zu entscheiden.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung kritisierte, dass dieser Tatbestand in der Schweizer Gesetzgebung nicht klar genug erfasst sei. In einem Bericht, der zufällig am selben Tag wie das Urteil des Bundesgerichts veröffentlicht wurde, rief der Ausschuss die Eidgenossenschaft auf, in allen Bereichen des Rechts und des öffentlichen Lebens für eine „klare und umfassende Definitionen rassistischer Diskriminierung, einschließlich der indirekten“ zu sorgen.

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16 Kommentare

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  • Ihr habt auch mal kritischeren Journalismus gemacht. Wieso recherchiert Ihr nicht richtig und nutzt jedes vermeintliche Aufregerthema für platte Propaganda. Ich lese Euer Blatt seit vielen Jahren und habe mich auch an Eurer Genossenschaft beteiligt, weil ich unabhängige solide und vorurteilsfreie Berichterstattung für unabdingbar in einer Demokratie halte.

    Es ist wirklich nicht alles korrekt und vieles schwer erträglich, was in der Schweiz migrationspolitisch läuft, aber die Lausanner Bundesrichter wegen eines nicht leicht zu fällenden Urteils im zweifelsohne aufgeheizten Klima der Diskussionen über Ausländerfeindlichleit für eine Institution zu halten, die Rassismus nicht erkennen will, ist ziemliche Diffamierung.

    Albrecht Müller schreibt zu Eurer Berichterstattung über die Ukraine in den Nachdenkseiten, Ihr seid ein Hetzblatt geworden, das ist sicher überzogen, aber es zeigt doch eine traurige Tendenz.

    Macht endlich wieder wofür wir Euch brauchen: guten kritischen Journalismus! Hetzblätter haben wir genug in Deutschland und der Schweiz.

  • P
    Peggy

    Die Bezeichnung "Drecksasylant" wurde als nicht rassistisch bewertet. Nicht mehr und nicht weniger. In dem Begriff "Asylant" steht keine Bezeichnug, welcher Hautfarbe der Angesprochenen ist. Man kann es als Beleidigung ansehen, aber keineswegs als rassistich.

    • G
      gast
      @Peggy:

      Das Wort Asylant ist herabsetzend, daher sagte man dann Asylsuchende und genau das sind die Menschen auch, sie suchen eine Heimat wo sie bleiben können und sei es nur für ein paar Jahre um die Familien zu unterstützen, oder eben in Sicherheit leben zu können, bis sich im Heimatland die Lage entspannt hat.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Es gibt doch wirklich kein Gesetz, das von der Justiz nicht nach Gutdünken ausgelegt werden kann. Polizisten haben einen Bonus vor Gericht. Das ist in der Schweiz genauso, wie in der restlichen Welt.

  • Z
    ZuFrühGefreut

    @Anteater

    Wenn „Dreckjugo“ laut

    Bundesgerichtshof nicht erlaubt ist, wird wohl

    "Drecksschweizer" auch nicht erlaubt sein.

  • M
    m-black

    So, jetzt reichts! Köännte hier mal jemand richtig recherchieren, anstatt nur Sensationsstorys zu bringen? Natürlich wird der Polizist wegen Beleidigung und üblicher Nachrede bestraft, ausserdem hat er ein Disziplinarverfahren am Hals. Aber er wird nicht bestraft wegen RASSENdiskriminierung. Sorry TAZ, die Schweizer bauen viel Mist, aber ganz so schlimm sind sie auch nicht.

  • G
    Gastname

    "[...] Bezug zu einer bestimmten Rasse [...]".

     

    An diesem Punkt ist dann auch schon alles klar.

  • Hm, als anpassungsfähige Menschen sollten wir die Schweizer künftig vielleicht Drecksschweizer nennen. Scheint ja normal, möglicherweise gar gewünscht zu sein. Etwas weiter gedacht erklärt das auch, warum die Deutschen bzw. Ausländer dort zu unbeliebt sind. Mangelnde Anpassung an den gegebenen Sprachgebrauch. Also, liebe im schweizerischen Exil lebende Deutsche (und sonstige nicht Schweizer). Morgen früh beim Bäcker schön mit "Hallo, Sie Drecksschweizer" grüßen. Dann klappt es auch mit der Integration.

    • H
      Heidi
      @anteater:

      Warum Drecksschwiezer, wenn sie nicht geklaut haben? das geht ja wohl zu weit?

      Wo ist denn bei Ihnen das großartige europäische Gefühl, das alle Parteien fordern, auch die Linke?

      • @Heidi:

        1. Rechtfertigt ein Diebstahl keine Beschimpfung als "Dreck" und

         

        2. ist im Artikel von einem VERDACHT auf Taschendiebstahl die Rede.

         

        Könnte also z. B. auch sein, dass irgendein Drecksschwiezer einfach seinem rassistischen Weltbild freien Lauf gelassen hat - und einfach mal den Ausländer angezeigt hat, denn der "muss" es ja gewesen sein ...

  • T
    Tommy1

    Das Schweizer Gericht hat nur festgestellt, dass die beiden Begriffe nicht gegen RASSEN oder ETHNIEN gerichtet sind und daher keine RASSENdiskrimierungen darstellen. Das ist absolut korrekt. Das heißt nicht, dass sie keine Beleidigunen sind.

    Wenn in Bayern mich jemand "Dreckspreusse" oder "Saupreusse" nennt, ist das auch keine Rassendiskrimierung.

    Also viel Lärm um gar Nichts, liebe taz.

  • J
    John

    Wie kann es Rassendiskriminierung geben, wenn es keine Rassen unter den Menschen gibt? Oder reden wir hier von Hunden?

  • Ich finde es problematisch, den Rechtsbegriff "Rassendiskriminierung" des Schweizer Rechts unkommentiert zu übernehmen. Es dürfte heute Konsens sein, dass der Homo Sapiens lediglich über Phänotypen verfügt und dieser Rassenbegriff immer noch auf die Nazi-Ideologie zurückzuführen ist. "Rassendiskriminierung" beträfe also ggf. alle Menschen.

    • SW
      S. Weinert
      @Jürgen Gerdom:

      Ihre Ansicht ist weder Konsens, noch ist sie richtig.

       

      Zum einen beinhaltet der Begriff Phänotyp in seiner Definition weitergehende Merkmale, als der wissenschaftliche Begriff der Rasse. Sie hätten also - wenn - dann allenfalls vom Genotyp schreiben dürfen. Mit dem Begriff vom Phänotyp werden nämlich weitgehend komplexe Verhaltensweisen wie z.B. Intelligenz, Vorkommen bestimmter Erkrankungen, Kriminalität etc. zwischen verschiedenen Vergleichsgruppen gemessen. Eine Vergleichsgruppe unter anderen kann auch die Rasse sein.

       

      Weiterhin ist der Rassebegriff nicht auf die Nazi-Ideologie zurückzuführen. Er ist weit älter und in seiner Form unabhängig vom Missbrauch durch die nationalsozialistische Ideologie in manchen Bereichen enger, in anderen weiter formuliert. Und er besitzt auch heute noch Gültigkeit, wie ein Blick ins Grundgesetz, in die europäische Menschenrechtskonvention oder seit kurzem ins AGG zeigt.

       

      Dies ist nicht unumstritten und es hat viele Versuche gegeben, den Rassebegriff abzulösen. Jedoch waren alle Versuche in der Praxis bislang untauglich. Wie sieht es z.B. mit der "ethnischen Herkunft" eines Afroamerikaners aus, der seinen Stammbaum seit 200 Jahren auf us-amerikanische Wurzeln zurückverfolgen kann? Bezeichne ich ihn einfach nur als Amerikaner, werde ich der komplexen und schwierigen Geschichte nicht gerecht, was als verharmlosend gegenüber dem Leid der Sklaverei und Rassendiskriminierung bis in die Neuzeit gewertet werden kann. Ihn jedoch als "aus Afrika kommend" zu bezeichnen ist weder logisch, noch wird es oft auf Zustimmung beim Betroffenen stoßen.

       

      Der Begriff der Rasse ist derzeit nicht wirksam zu ersetzen. Konsens besteht jedoch eindeutig darin, dass der Begriff der Rasse nicht geeignet ist, eine soziale Wertigkeit oder gar eine Höher- bzw. Minderwertigkeit zu begründen.

    • C
      Cheval
      @Jürgen Gerdom:

      Es ist genau andersrum:

      Der Begriff Rasse wurde stehen gelassen, damit eben nicht bestimmte Personen gegenargumentieren können.

       

      Rechtsextreme akzeptieren bspw den Begriff Ethnie nicht. In Rechten Kreisen ist der Begriff Rasse beliebt.

       

      Auch im GG steht noch Rasse, auch im AGG steht es noch. Aus gutem Grund, damit kein Rechter sagen kann "Wieso? Rasse ist ein fester biologischer Begriff, wenn Sie den ausklammern ist das ihr Problem."

       

      Man wollte damit also Vorbeugen und gewissen Personengruppen keinen Nährboden geben.

       

      Nebenbei, da Sie den Begriff Phänotyp einführen, der Begriff Rasse umfasst immer subjektive Eigenschaften, er existiert in keiner biologischen Systematik. Auf der anderen Seite ist es möglich bereits am Schädel zu erkennen, ob das Gesicht Schwarz, Weiß, Asiatisch oder Hispanic einzuordnen ist (forensische Anthropologie).

      Also von "allgemeinem Konsens" zu sprechen ist ebenso dumm wie von "menschlichen Rassen" zu sprechen.

    • G
      gast
      @Jürgen Gerdom:

      Da liegt der Hase im Pfeffer! Rasse ist ein Konstrukt von Rassisten zur Propagierung von Rassismus. Die biologistische Argumentation dieser Weltsicht ist schon längst wissenschaftlich wiederlegt worden, aber der Begriff Rasse findet sich noch immer in zahlreichen Verfassungen und Gesetzen sowie in den Köpfen, als habe er seine Gültigkeit nie verloren. Das Ergebnis sind solche, juristisch korrekten Urteile, welche die Xenophobie über Umwege ermöglichen.