Diskriminierende Werbung: „Pinkstinks“ gegen Sexismus
NGOs wollen per Gesetz geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten lassen. Aber Wirtschaft und Parteien signalisieren Ablehnung.
BERLIN taz | Die Mutti hat das richtige Spülmittel, das Luder bewirbt das neue Handy, und mit dem Deo Axe können sich minderbemittelte Männer vor ebensolchen Frauen überhaupt nicht mehr retten. So weit, so normal, die durchschnittliche sexistische Werbewelt. Wer sich beschwert, erwirkt im Höchstfall eine Rüge vom Deutschen Werberat, der sich der „Frauenwürde“ verpflichtet fühlt – so formuliert er es in seinen Schreiben.
Deutschlands größte Frauenorganisationen wollen das nun ändern. Das antisexistische Bündnis Pinkstinks hat einen Gesetzentwurf entwickelt, der sexistische Werbung verbieten soll. Unterstützt wird das Vorhaben u.a. vom Deutschen Frauenrat, Terre des Femmes und dem Deutschen Juristinnenbund und damit den drei wichtigsten Frauenrechts-NGOs in Deutschland.
Die Autorinnen des Gesetzentwurfs argumentieren, dass Geschlechterstereotype zu Diskriminierungen führten. „Die Darstellung von ’Männlichkeit‘ bedient oft Vorurteile hinsichtlich geringer sozialer Kompetenz und Aggressivität. Frauen werden hingegen als weniger kompetent und autoritär als Männer dargestellt; nicht selten auch als bloße Dekoration, stark sexualisiert und/oder für den Haushalt zuständig“, heißt es in ihrer Begründung, die sie gestern auf der Website werbung.pinkstinks.de veröffentlichten.
Werbung diene der Beeinflussung und sei keineswegs von der Meinungsfreiheit gedeckt, so die VerfasserInnen. Sie schlagen vor, im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das auch die Werbung reglementiert, einen Paragrafen 7 a einzufügen. Darin soll geschlechtsdiskriminierende Werbung verboten werden. Als Geschlechtsdiskriminierend wird definiert, was ein „Über-/Unterordnungsverhältnis“ der dargestellten oder angesprochenen Geschlechter darstellt, den Geschlechtern bestimmte soziale Rollen zuordne, sexuelle Anziehung ausschließlich als Wert von Frauen darstelle oder Frauen „auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch reduziert“.
Ein Beispiel sei der Kampagne zufolge etwa das Axe-Plakat, in dem eine nackte Frau brünstig einen Astronauten bespringt. Mario Barth, der in der Media-Markt-Werbung sagt: „Neu für Frauen: mehr einkaufen, weniger ausgeben!“ wird ebenso angeführt wie ein Hotel, das mit einem weiblichen Unterleib mit der Aufschrift „24 h open“ wirbt. Männerdiskriminierend sei etwa die Almdudler-Werbung: „Auch Männer haben Gefühle: Durst!“
Was gilt als sexistisch?
Der deutsche Werberat, das Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft, lehnt das Vorhaben ab. Sprecherin Julia Busse sagte der taz: „Der Staat muss hier nicht den Tugendwächter spielen.“ Das Verfahren des Werberats, sexistische Werbung zu rügen, sei erfolgreich, meint Busse: „In 96 Prozent der Fälle wurde diese Werbung dann auch eingestellt.“ Zudem sei unklar, was als sexistische Werbung gelte.
Die Regierungsparteien reagieren bisher ablehnend. Die Union spricht gar in einer Anleihe bei Thilo Sarrazin von „Tugendterror“. Während die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen das Vorhaben unterstützt, gab sich die Gesamtpartei zurückhaltend, als die Aktivistinnen sie fragten.
Grüne und Linke wollen dringend eine gesellschaftliche Debatte, aber noch kein Verbot. „Ob jetzt die Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb der Weg der Wahl ist oder ob es andere Möglichkeiten wie Rahmenkriterien gibt, müssen wir gründlich prüfen“, sagte Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, der taz. „Der Werberat hat sich in den letzten Jahren jedenfalls nicht unbedingt als Bollwerk gegen Diskriminierung hervorgetan.“ Der Gesetzentwurf soll dem Justizministerium als Petition überreicht werden. Er kann online unterzeichnet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe