piwik no script img

Diskreter Deal mit Henri Nannen

■ Kunsttransfer von Bayern nach Ostfriesland / „Ein Glanzstück für Niedersachsen“, freut sich Kulturministerin Helga Schuchardt

Der Verhandlungsführer aus Niedersachsen, der Ende März zusammen mit Henri Nannens Ehefrau Eske den Münchner Galeristen und Kunstsammler Otto van de Loo besuchte, war hochrangig. Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) unterbreitete persönlich den Vorschlag, in einem Anbau von Nannens Emder Kunsthalle die in Jahrzehnten aufgebaute Van-de-Loo-Sammlung mit Werken des abstrakten Expressionismus angemessen und auf Dauer zu präsentieren. Keine zehn Wochen später war die Schenkung der von Experten als hochrangig und einzigartig eingeordneten Sammlung an die Stiftung des Ehepaars Nannen perfekt.

„Ein Glanzstück für Niedersachsen, das immer noch ein Image von Mittelmäßigkeit hat“, freute sich Kulturministerin Helga Schuchardt (parteilos) am Donnerstag abend in Emden anläßlich der der Eröffnung des zweiten Teils der Ausstellungs-Trilogie zum zehnjährigen Bestehens der Kunsthalle. Diese zeigt bis zum 11. August 100 zeitgenössische Werke aus der Sammlung Henri Nannen. Doch im Mittelpunkt standen bislang unbekannte Einzelheiten über den diskret eingefädelten Kunsttransfer von München nach Ostfriesland.

Der 72jährige Otto van de Loo, der sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hat und zur Zeit auf seinem Zweitwohnsitz in Kanada lebt, will seit Jahren – in Einverständnis mit seinen fünf Kindern - seine Bilder verschenken. Als einzige Gegenleistung für die Gabe, deren Millionenwert noch nicht offiziell geschätzt wurde, verlangt er eine öffentliche und vollständige Präsentation seiner Schätze. Weder die Berliner Nationalgalerie, der er einige Bilder überlasssen hat, noch das geplante Museum für Moderne Kunst der Nürnberger Staatsgalerie erfüllten die Bedingungen des Spenders.

„Das Nürnberger Unterbringungskonzept hat meinen Vater vor den Kopf gestoßen“, begründete Marie-Jose van de Loo, Tochter und Geschäftsführerin des Galeristen in Emden den Rückzug ihres Vaters aus Nürnberg. Es könne daher keine Rede davon sein, daß die Emder Kunsthalle den Bayern die Stiftung „abgejagt“ hätte. Mit dieser Unterstellung hatte Museumsdirektor Lucius Grisebach aus Nürnberg die Schenkung nach Ostfriesland kommentiert.

Im Emder Erweiterungsbau werden etwa 80 Bilder vor allem der Gruppe „Cobra“ großzügigen Platz finden. „Cobra“ – zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben ihrer Hauptstädte Copenhagen, Brüssel und Amsterdam – tauften sich junge Künstler, die 1945 stürmisch malend das Ende des Krieges und der deutschen Besatzung feierten. Van de Loos Bilder schließen eine Lücke zwischen den beiden Schwerpunkten der Nannen-Sammlung, der klassischen Moderne bis 1932 und der zeitgenössischen Kunst. Die Finanzierung für den Sieben-Millionen-Erweiterungsbau wurde auf schnellem Weg zwischen Emden, Hannover und Brüssel gesichert.

50 Prozent der Kosten werden kurzfristig aus EU-Fördermitteln für strukturschwache Regionen bereitgestellt. Die andere Hälfte übernehmen die beiden landeseigenen Kulturstiftungen. Der erwünschte Eröffnungstermin der Vereinigung der Nannen- und Van-de-Loo-Sammlungen steht auch schon fest: Es soll der 3. Oktober 1998 sein, wenn die Emder Kunsthalle ihren 12. Geburtstag feiert. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen