: Discount-ABM
■ Ein kleiner Streifzug durch den Sparhaushalt der Arbeitssenatorin
Das kommende Jahr wird hart für alle, die auf den zweiten Arbeitsmarkt angewiesen sind. Das ist das Fazit eines ersten Überblicks über die Sparhaushalte des Arbeitsressorts für dieses und das kommende Jahr. Heute morgen brütet die zuständige Deputation über den Vorschlägen. Gespart werden soll vor allem in zwei Bereichen: bei der Beschäftigungsförderung und bei der Weiterbildung. Ausgenommen wegen bundesrechtlicher Bindungen oder politischer Verpflichtungen sind Bereiche wie die Schwerbehindertenförderung oder die Wiedergutmachung. Auf den ersten Blick sieht es zwar so aus, als seien die Sparquoten einigermaßen ausgewogen verteilt, auf den zweiten kann man allerdings eine ziemliche Schieflage erkennen. Während der Beschäftigungsbereich seine Sparquote von 1,44 Millionen Mark in diesem und 1,7 Millionen im kommenden Jahr voll einhalten muß, kann sich der Bereich Weiterbildung entspannen. Mit einem kleinen Haushaltstrick haben sich die großen Weiterbildungsträger eines Teils ihrer ihrer Sparquote elegant entledigt.
Gut 3,3 Millionen sollen in diesem und im kommenden Jahr bei der Weiterbildung eingespart werden. Der Trick: Knapp die Hälfte der gesamten Quote, sollen allein aus einem Schattenhaushalt erbracht werden, nämlich dem der IQL. IQL steht für Initiative zur Qualifizierung langzeitarbeitsloser SozialhilfeempfängerInnen, ein Verein, der die Mittel für diese Maßnahmen verwalten soll, Mitglieder sind der Senator für Arbeit und die sechs größten Weiterbildungsträger. Das Programm wurde als Spardose benutzt, harte Einschnitte im sonstigen Weiterbildungsbereich abzumildern. Sparen durch Untätigkeit. 1993 wurden vom veranschlagten IQL-Haushalt von 3,3 Millionen 900.000 Mark nicht ausgegeben. Die gingen schonmal voll in die Sparquote für dieses Jahr. Und der bereits reduzierte Anschlag für 1994 von gut 2,6 Millionen soll nochmal um knapp 400.000 Mark zusammengestrichen werden. Noch ein Sparhappen, der woanders nicht erbracht werden muß. Und für das kommende Jahr hat das Arbeitsressort gleich von vornherein nur 2,3 Millionen Mark angesetzt. Die Hälfte der Weiterbildungs-Sparquote wird also aus Maßnahmen für die Ärmsten entnommen.
Im guten Glauben an die segensreichen Wirkungen von IQL hatte es im Sozialressort schon Überlegungen gegeben, 700.000 Mark aus dem Topf für die Förderung von SozialhilfeempfängerInnen nach dem Bundessozialhilfegesetz in den IQL- Haushalt einzubringen. Doch nachdem auch beim Sozialressort die Kunde vom Spartrick mit IQL durchgesicklert war, wurden diese Pläne erstmal auf Eis gelegt. Es ist eine einigermaßen komische Vorstellung: Die Sparquote des Arbeitsressorts mit mit Hilfe des Sozialressorts erbracht.
Schieflage Nummer zwei: Im ABM-Bereich deutet sich ein Trend ab, der vielen kleineren Beschäftigungsträgern Sorgen macht. Überall da werden nämlich tiefe Einschnitte vorgenommen, wo es um die Qualitätsstandards von Beschäftigungsprojekten geht. Leitlinie vieler Beschäftigungsträger ist die Qualifizierung in der Beschäftigung, das heißt: Wer als ABM-Bezieher in eine solche Maßnahme kommt, der soll nicht nur was zu tun haben, sondern unter fachkundiger Anleitung an den ersten Arbeitsmarkt wieder herangeführt werden. Dazu braucht es allerdings einen qualifizierten Überbau, der aus gesonderten Haushaltstöpfen finanziert wird, „Stammkräfteprogramm“ und „Anleiterprogramm“. Und die sind nun akut gefährdet. Während 1993 noch mehr als 10 Millionen in beide Töpfe gepackt worden waren, sollen es im kommenden Jahr nur noch 5,5 sein. Das hat zur Folge, daß die Qualifizierungsstandards erheblich sinken.
Es drängt sich der Verdacht auf, das diese Schieflage gewollt sein könnte, denn gleichzeitig sollen mehrere hundert ABM-Stellen im öffentlichen Dienst, vor allem beim Gartenbauamt, geschaffen werden. Das, so eine Interpretation, sei Beschäftigung pur nach dem Motto: Schippe in die Hand und fertig. Allerdings ist das auch eine Strategie mit positiver Außenwirkung, denn: Je billiger die ABM-Stelle für die öffentliche Hand, desto mehr Leute können in Beschäftigung gebracht werden. ABM-Politik zum Discount-Tarif - in Wahlkampfzeiten besonders nützlich
. J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen