Discofeeling in Neukölln: Die Würfel sind gefallen

Neukölln wird vom Szenebezirk zur Partymeile: Am Wochenende eröffnete das "Cube" im Rollbergkiez. Mit dabei Heinz Buschkowsky und mehr als 2.000 Besucher.

Angesagt sein wollen alle Clubs. Nicht allen gelingt es jedoch. Bild: reuters

Kurz vor sieben am Freitagabend ist es leer in der ehemaligen Abfüllstation der Neuköllner Kindl-Brauerei. Dass hier mal Bier hergestellt wurde, ist kaum noch zu sehen: Die Maschinen wurden ausgebaut, die Backsteinwände spärlich verputzt. Unter den zehn Meter hohen Decken hängen Scheinwerfer und Boxen. In dieser mehr als 1.000 Quadratmeter großen Halle soll in zehn Minuten das Opening des neuen Clubs „Cube“ beginnen. Doch noch stapeln sich Getränkekisten vor der Bar, die DJs testen die Anlage, im Eingangsbereich wird roter Teppich ausgerollt. Ein Wochenende zuvor musste die Pre-Opening-Party ausfallen, weil Genehmigungen fehlten. Die immerhin sind jetzt da: Gestern gab das Gewerbeamt grünes Licht für die Eröffnung.

Jana Reich, eine der drei BetreiberInnen des Cube, läuft schnellen Schrittes durch die Halle, ihre blonden Haare wippen auf und ab. Die 28-jährige Berlinerin trägt ein enges schwarzes Kleid und schwarze Lederstiefel. Eine Frau wie sie würde man eher in München vermuten als in Neukölln. Aber eben hier, im Rollbergkiez, haben Reich und ihre Mitstreiter Stephanie Haus und Oliver Lucas die ehemalige Brauerei zu einer Mischung aus Club und Event-Location umgebaut, unter anderem finanziert von der Brauerei selbst und dem Vermieter.

Elektro- und Rockmusik

Die neuen Chefs sind zwischen 28 und 41, sie haben in der Event-Branche, für die Modemesse Bread & Butter und in Clubs gearbeitet. Mit dem Cube, sagen sie, verwirklichen sie ihren Traum, etwas Eigenes zu machen. Cube heißt die neue Location deshalb, weil die Veranstaltungen künftig „zusammengewürfelt“ werden können: Firmen können größere und kleinere Teile der Halle für Veranstaltungen mieten, Elektro- und Rockpartys soll es geben. Nach Subkultur und neuem Szeneclub klingt das nicht gerade.

Heinz Buschkowsky (SPD) findet es trotzdem gut. „Wenn junge Leute hier etwas starten wollen, finde ich das mehr als unterstützenswert“, sagt der Neuköllner Bezirksbürgermeister, der heute Abend die Eröffnungsrede halten soll. Cube und Bezirk haben eng zusammengearbeitet: „Die Stadt kam auf uns zu, weil ihr unser Konzept so gut gefiel. Und aus Erfahrung wissen wir, dass man besser mit als gegen die Behörden arbeitet“, sagt Jana Reich. Die Gefahr, die Partygänger der Stadt durch zu viel Bürokratie zu verschrecken, kann Jana Reich nicht erkennen – und Buschkowsky sowieso nicht.

„Prenzlauer Berg ist out!“, sagt der schließlich vor etwa 100 geladenen Gästen. „Da gibt es keine Clubszene mehr. Hier sind die Leute, die noch auf der Piste sind!“ Sonderlich gut kommt der Bürgermeister allerdings nicht an. Gerade, erzählt er, sei er einem Mann in pastellfarbener Hose begegnet, die ihn veranlasste, den Herrn mit den Worten „Vorsicht, ich bin hetero“ zu begrüßen. Der Mann sei daraufhin gegangen. Buschkowsky findet das lustig. Im Saal lacht niemand.

Die Ersten, die schließlich kommen, sind Leute aus dem Kiez, die den neuen Nachbarn kennen lernen wollen, von dem lange nur Baulärm zu hören war. Dann kommen die Partygänger aus der ganzen Stadt: ein paar Hipster, ein paar Prolls, ein paar Touristen, ein bisschen Szenepublikum. Der Titel der Auftakt-Fete, „Secret Opening“, hätte falscher nicht sein können: Mehr als 900 Gäste hatten sich bereits per Facebook angemeldet. Viele sind aus Neugier da: Sie wollen sehen, wie der neue Club so ist – und am ersten Abend ist noch dazu der Eintritt umsonst.

Etwas brav geht es zu

Die Tanzfläche füllt sich. „Die Location ist der Hammer“, findet eine Besucherin aus Bremen. Die Elektromusik kommt ebenfalls an, die hohen Getränkepreise weniger. Man könnte es fast brav nennen, wie es hier zugeht: Die Wartezeit ist kurz, die Polizei sagt Hallo, um festzustellen, dass nichts passiert ist. „So bildet man keine Legende“, sagt ein Besucher bald ein wenig enttäuscht. Andere rufen „Neukölln ist tot!“, als sie aus dem Cube kommen, oder sprechen vom „Möchtegern-Berlin“. „Das will zu sehr allen gefallen“, sagt ein junger Mann im überlangen Schlabberpulli, bevor er geht.

Jana Reich ist trotzdem zufrieden. Zeitweise waren mehr als 2.000 Gäste da, die Betreiber öffneten einen gesonderten Raum, um alle unterzubringen. Die letzten Gäste gingen um elf Uhr früh. Noch ist nicht klar, welches Publikum sich künftig im Cube sammeln wird. Beeindruckt haben auf jeden Fall die Dimensionen: Fast alle Besucher staunten über die Ausmaße der einstigen Brauerei. Doch mit schie- rer Größe allein hält man Clubgänger nicht lange bei der Stange – schon gar nicht, wenn man nicht mehr mit freiem Eintritt lockt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.