Direkte Demokratie vor Gericht: Taktisch gefoult
Vor dem Verwaltungsgericht wird über das Bürgerbegehren für Ikea in Altona verhandelt: Anti-Ikea-Initiative zieht Klage gegen das Bezirksamt zurück.
Die Initiative "Kein Ikea in Altona" hat ihre Klage wegen der Art, wie sie von Bezirk und Senat ausmanövriert wurde, zurückgezogen. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht angedeutet, dass die Bürgerinitiative im weiteren Verfahren kaum Aussicht auf Erfolg haben würde. Nach vorläufiger Einschätzung des Verwaltungsgerichts haben die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens kein Klagerecht. Darüber hinaus dürfte die Zulassung eines Pro-Ikea-Bürgerbegehrens die Kläger nicht in ihrem Recht verletzt haben.
Die Anti-Ikea-Initiative hatte geklagt, weil ihr ein Bürgerentscheid mit einem Trick verwehrt worden war. Nachdem ein Bürgerentscheid für die Ansiedlung des Möbelhauses mitten in Altona mit einer Dreiviertelmehrheit angenommen worden war, hatte der Senat das Planungsverfahren an sich gezogen. Die Bezirksversammlung übernahm pro forma das Anliegen der Anti-Ikea-Initiative, so dass deren Bürgerentscheid obsolet wurde.
Diese Vorgehensweise sah das Gericht kritisch: Möglicherweise sei die Anti-Ikea-Initiative durch die Evokation um ihr Recht gebracht worden. Allerdings gebe die derzeitige Gesetzeslage eine Evokation her.
Einig sind sich die klagenden Ikea-Gegner und das beklagte Bezirksamt Altona darin, dass das Verfahren unbefriedigend gelaufen sei. "Das Gericht hat deutlich gemacht, dass bei gegenläufigen Bürgerentscheiden zur gleichen Thematik, die vorhandenen Regelungen weiterentwickelt werden sollten", sagt der Sprecher des Bezirksamts Altona, Nils Fischer.
Weil es das Evokationsrecht des Senats gibt und weil die Bezirksversammlung Altona das Begehren von "Kein Ikea in Altona" übernommen hat, sei das Klagerecht leer gelaufen, so die Anwältin. "Der Skandal ist, dass das Bürgerbegehren für Ikea überhaupt zugelassen wurde, zumal keine Wahlbürger hinter dem Begehren stehen, sondern mit der ECA eine Lobby-Gemeinschaft." Immerhin sei jetzt im Protokoll festgehalten, dass sich ohne eine Gesetzesänderung in Hamburg an dieser Verfahrenslage nichts ändern werde.
Für Dierk Becker, der als Vertreter des Vereins Mehr Demokratie in der Verhandlung auftrat, ist das Kaufhaus in Altona eine Bezirksangelegenheit. Das gesamtstädtische Interesse sei als Verfahrenstrick vorgeschoben worden. Und das, obwohl die Senatssprecherin Kristin Breuer noch im August 2008 gegenüber der Welt eine Evokation ausgeschlossen hatte.
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