berlinmusik: Direkt auf den Körper zielen
Manchen Leuten jagen Wörter wie „Jazz“ oder „Free Jazz“ richtiggehend Angst ein. Wenn daher eine studierte Jazztrompeterin wie Marie Tjong Ayong sich an den Computer oder anderes elektronisches Gerät setzt, um Clubmusik zu produzieren, mag das unter Umständen für Stirnrunzeln sorgen. Doch das nur solange, wie man diese Dinge rein gedanklich verbindet, ohne sich anzuhören, was dabei herausgekommen ist.
„Motherland“ nennt die in Berlin lebende Musikerin ihre Debüt-EP. Es ist dabei nicht die erste Platte, die sie veröffentlicht hat. 2021 etwa erschien das Jazzalbum „Trio“, das sie gemeinsam mit den Kollegen Jannis Sicker und Jan Philipp eingespielt hat. „Motherland“ hingegen konzentriert sich ganz auf Beats, die zum Zweck des Tanzens komponiert sind.
Marie Tjong Ayong arbeitet mit Sounds, die nach Perkussionsinstrumenten klingen, andererseits synthetisch genug wirken, um nicht ausschließlich an ethnische Musik denken zu lassen. Sie bevorzugt komplexe Konstellationen, verwendet etwa gern Polyrhythmen, die so ineinandergreifen, dass man beim Zuhören den einzelnen Figuren stets hinterlaufen zu müssen meint, um nicht den Überblick zu verlieren. Doch dienen diese Arrangements, in denen es lediglich rudimentäre Melodien gibt, nicht bloß der intellektuellen Spielerei. Sie verstärken vielmehr den Groove. Dadurch kommunizieren die Tracks von „Motherland“ immer auch sehr direkt mit dem Körper. Und der kann dieses Angebot, sich zu bewegen, nicht ablehnen.
Tim Caspar Boehme
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