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Diplomatischer Streit mit ChinaKanadier zu Haft verurteilt

Das Urteil gegen den Unternehmer Michael Spavor ist eines von mehreren. Peking will damit die Auslieferung einer Huawei-Managerin verhindern.

Veranstaltung in der kanadischen Botschaft in Peking nach der Verurteilung von Michael Spavor Foto: Mark Schiefelbein/ap

Peking taz | Um halb zehn tauchten die ersten Polizisten vor der Haftanstalt in Dandong auf, um rotweiße Barrikadengitter vor dem Haupteingang aufzustellen. Im Gegensatz zu den abgeschirmten Prozessterminen durfte Kanadas Botschafter Dominic Barton diesmal jedoch das Gerichtsgebäude zur Urteilsverkündung betreten. Doch was der Diplomat von den Richtern zu hören bekam, sorgte dennoch für Entsetzen: Der seit über zwei Jahren inhaftierte Unternehmer Michael Spavor wurde wegen „Spionage und der Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ zu insgesamt elf Jahren Gefängnis verurteilt. „Wir kritisieren die Entscheidung aufs Schärfste“, kommentierte Botschafter Barton nur wenige Minuten später per Video-Schalte.

Insgesamt drei Schuldsprüche gegen kanadische Staatsbürger werden diese Woche in der Volksrepublik China erwartet. Alle drei Prozesse spiegeln nicht nur die erodierenden bilateralen Beziehungen zwischen den zwei Staaten wieder, sondern belegen auch, dass Chinas Staatsführung nicht vor mafiöser Geiseldiplomatie zurückschreckt, um auf dem internationalen Parkett seine politischen Interessen durchzusetzen. Somit sind die jüngsten Ereignisse nicht zuletzt auch eine Warnbotschaft an Europa.

Die angeblichen Beweise im Spionage-Prozess gegen Spavor, der im nordostchinesischen Dandong eine Agentur für touristischen und kulturellen Austausch mit Nordkorea betrieb, beziehen sich auf Fotoaufnahmen, die der 43-Jährige von chinesischen Flughäfen und Militärbasen aufgenommen und dem ehemals kanadischen Diplomaten Michael Kovrig als Informanten zugespielt haben soll. Auch Kovrig wartet diese Woche auf sein Urteil. Bei einer statistischen Schuldspruchrate von etwa 99 Prozent in China wird er wohl ebenfalls eine mehrjährige Haftstrafe verhängt bekommen.

„Wir haben von Anfang an behauptet, dass Michael Spavor und Michael Kovrig willkürlich festgehalten werden, und fordern weiterhin ihre Freilassung“, sagt Botschafter Barton und fügt an, was Beobachter für die Krux an der Angelegenheit halten: Die Urteile in China würden nicht zufällig genau jetzt gefällt werden, schließlich wird in Kanada schon bald über den Fall der Huawei-Tochter Meng Wanzhou entschieden.

Kanadier als politische Verhandlungsmasse

Ein Rückblick: Im Dezember 2018 haben kanadische Sicherheitskräfte die damalige Finanzchefin des Netzwerkausrüsters wegen eines amerikanischen Auslieferungsgesuchs festgenommen. Die USA werfen ihr vor, gegen die bilateralen Sanktionen gegen den Iran verstoßen zu haben.

Dass die zwei Fälle miteinander verzahnt sind, legt allein schon die Zeitleiste der Ereignisse nahe: Nur wenige Tage nach Mengs Festnahme wurden Spavor und Kovrig in China verhaftet. Und wiederum drei Wochen später verschärfte ein chinesisches Gericht die 15-jährige Haftstrage gegen den kanadischen Drogenschmuggler Robert Schellenberg zu einer Todesstrafe, die am Dienstag schließlich bestätigt wurde.

„Wenn man nicht den Anschein erwecken will, dass die Strafverfolgung politisch wirkt, dann sollte man nicht die Verurteilung von drei verschiedenen Kanadiern genau in der Woche ansetzen, in der der Fall Meng Wenzhou zu Ende geht und die kanadischen Wahlen anstehen“, kommentiert der New York Times-Journalist Paul Mazur, der bis zu seiner Ausweisung im letzten Jahr in China gearbeitet hat.

Internationale Beobachter haben wenig Zweifel, dass Chinas Staatsführung die Kanadier als Verhandlungsmasse betrachtet, um eine Auslieferung Mengs an die USA zu verhindern. Bereits 2018 warnte Hu Xijin, Chefredakteur der parteieigenen Global Times, in einem Kommentar, dass Chinas Rache auf eine mögliche Auslieferung Mengs „deutlich schlimmer ausfallen wird, als einen Kanadier zu inhaftieren“.

Ein Exzentriker als Spion?

Wie willkürlich die Anschuldigungen gegen die zwei sind, wird am Beispiel Spavor deutlich: An China hegte der 43-Jährige kein sonderliches Interesse, politisch schon gar nicht. Das Land war lediglich Mittel zum Zweck, um seinen Zugang zu Nordkorea aufrecht zu erhalten: Denn in der Grenzstadt Dandong betrieb er eine Agentur, um Kultur- und Sportdelegationen nach Nordkorea zu bringen. Er half auch dabei, den Besuch von NBA-Legende Dennis Rodman zu ermöglichen.

Oft teilte er Anekdoten, wie er gemeinsam mit dem Basketballspieler einen feuchtfröhlichen Nachmittag in der Sommervilla von Machthaber Kim Jong Un verbracht hat. Mit seiner exzentrischen Paradiesvogel-Art war er das exakte Gegenteil eines auf Unauffälligkeit bedachten Spions.

Nach der Urteilsverkündung ließ Spavor drei knappe Botschaften an die Öffentlichkeit ausrichten: „Danke für die Unterstützung, ich bin guten Mutes und ich möchte nach Hause“. Dass sein letzter Wunsch bald in Erfüllung geht, hängt wohl vor allem davon ab, wie das Auslieferungsurteil gegen Meng Wanzhou in Kanada ausfallen wird.

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