Diplomatische Initiative Afghanistans: Regierung spricht mit Taliban
Ein US-Sender berichtet über erste geheime Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban - vermittelt vom saudischen Königshaus.
Vertreter der afghanischen Regierung und der islamistischen Taliban haben sich nach Informationen des US-Senders CNN Ende vorigen Monats im saudischen Mekka zu Gesprächen getroffen. Während des Treffens zwischen dem 24. und 27. September habe der saudische König Abdullah mit der 17-köpfigen Delegation aus Afghanistan anlässlich des Ramadan-Endes das Fasten gebrochen, berichtete CNN-Korrespondent Nic Robertson. Er berief sich dabei auf eine ungenannte Quelle.
An den Gesprächen hätten demnach elf Delegierte der Taliban, zwei Vertreter der afghanischen Regierung, ein Vertreter des früheren Mudschaheddin-Kommandeurs und heutigen Taliban-Verbündeten Gulbuddin Hekmatjar sowie drei andere, nicht näher bezeichnete Personen, teilgenommen. Konkrete Ergebnisse wurden nicht erzielt.
Es sei das erste Treffen gewesen, das eine Verhandlungslösung des Afghanistankonflikts zum Ziel gehabt habe. Auch sei es das erste Mal gewesen, dass alle Parteien ihre Positionen offen diskutieren konnten. Dem Treffen gingen laut CNN zweijährige Vorbereitungen voraus.
Die britische Wochenzeitung The Observer hatte Ende September berichtet, dass ein früherer Taliban-Führer, der sich der Regierung gestellt habe, als Vermittler zwischen Kabul und dem im pakistanischen Quetta vermuteten Führungsrat der Taliban diene. Der afghanische Präsident Hamid Karsai erklärte daraufhin, er habe das saudische Königshaus mehrfach um Vermittlung gebeten, es sei jedoch nicht zu Gesprächen gekommen. Karsai hatte die Taliban mehrfach zu Verhandlungen aufgefordert und ihnen auch Regierungsposten angeboten.
Saudi-Arabien war neben Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten das einzige Land, dass die von 1996 bis 2001 dauernde Herrschaft der Taliban über den Großteil Afghanistans diplomatisch anerkannt hatte. CNN mutmaßt, dass Riad mit seinem Engagement einen wachsenden Einfluss Irans in Afghanistan begegnen wolle und zugleich auf die Schwäche Pakistans reagiere.
Der Taliban-Führer Mullah Omar war laut CNN nicht bei den Gesprächen dabei. Er habe aber deutlich gemacht, dass er nicht länger Alliierter des Terrornetzwerkes al-Qaida sei. Während der Gespräche hätten sich alle Parteien darüber verständigt, dass es nur auf dem Gesprächswege eine Lösung für den Konflikt gebe.
Offen ist, wieweit die Geheimgespräche mit Billigung der USA und der UNO geführt wurden. Laut Observer sei die britische Regierung involviert gewesen. Sie habe den Vermittler auch in London empfangen und ihn logistisch unterstützt. Trifft dies zu, dürfte auch Washington informiert gewesen sein. Der US-Kommandeur der Internationalen Afghanistan Schutztruppe Isaf, General David McKiernan, hatte kürzlich gesagt, er schließe Gespräche mit den Taliban nicht aus. Bisher hatte die Regierung Karsai wie die internationale Gemeinschaft stets gefordert, dass die Taliban vor Gesprächen die Waffen niederlegen. Dass die ersten Gespräche offenbar ausgerechnet jetzt stattgefunden haben, zeigt, dass die Macht von US-Präsident George W. Bush, dessen Regierung stets eine harte Linie vertreten hatte, zum Ende dessen Amtszeit schwindet und damit Raum für neue diplomatische Initiativen entsteht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?