Dior-Show in Paris: Venus mit geballter Faust
Diors Modenschau bei der Pariser Fashion Week schichtet Mode, Kunst und Politik übereinander. Heraus kommt eine feministische Kollektion.
Ach, ach – „Über dem stockenden Paris Schwimmt der Frühling … und auch nicht der Frühling.“
Was Maksimilian Woloschin, ein russischer Maler, 1915 unter den blühenden Kastanien der französischen Hauptstadt dichtete, ist auch heute noch sehr gut zu verstehen. Woloschin malte ein berühmtes Bild des Place de la Concorde – bei Nacht und bei Regen.
Wo der Place de la Concorde in die Gärten der Tuilerien führt, stand in den letzten Tagen ein Zelt. Während der Pariser Fashion Week, die eben zu Ende ging (Damen Herbst-Winter 2020/21), fand dort die große Show von Dior statt. Und das hat einen Hintergrund. Denn wo sich Berlin in nachhaltiger Mode übt, da betreibt Dior Gartenkunst. Fünf Jahre lang will man die Biodiversität der Hauptstadt fördern, indem man die Tuilerien sponsort, samt ihrer nachhaltig wirtschaftenden Gärtner (Insekten zum Schutz gegen Schädlinge einsetzen statt sie vernichten).
Die Show beginnt um halb drei nachmittags. Langsam trudeln die Gäste in den Garten, ruhige Atmosphäre, man flaniert ein wenig, nur die vielen CD-Logos auf den Taschen fallen auf und einige gezielte Outfits, komplett in grellem Grün oder weißem Total-Look. Es ist eben Frühling. Am Zelteingang lästern die russischsprachigen Gruppen lauthals, was der anhat und die. Als russische Spionin, von Kopf bis Fuß grau in grau: ich. Engel einer Hamburger PR Agentur verwalten die Gästeliste mit den Deutschen und so fühlt es sich gut an hier auf dem Olymp der Mode.
„I say I“
Mitten im Zelt, wo gleich der bekannteste Catwalk der Welt stattfinden wird, laufen die Gäste zuerst frei herum. Diors Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri hat nämlich die Zusammenarbeit mit einer bekannten Künstlerin gesucht: Claire Fontaine – „une artiste collective féministe“, wie sie sich nennt. Sie hat den ganzen Raum in eine Kunst-Installation verwandelt. Man läuft auf einem Boden, gekachelt mit alten Le-Monde-Nummern, wie im Atelier von Henri Matisse (zu sehen auf dem berühmten Photo Robert Capas).
Überall leuchten Sprüche auf: Women raise the upraising, Patriarchy = Climat Emergency, Feminine Beauty is a Ready Made, und knallig in Rot Gelb blinkt unaufhörlich: Consent. Über allem aber thront die Losung: I say I. Sie wird gleich auch als Paillettenstickerei auf T-Shirts zu lesen sein. Der schlichte Satz ist aus dem Italienischen übersetzt: „Io dico io“ und stammt aus einem Manifest, das 1971 die italienischen Feministinnen Carla und Marat Lonzi verbreitet hatten.
Chiuri praktiziert auf ihre Weise Feminismus in der Mode. Sie ist die erste Frau als Chefdesignerin dieser von einem Mann gegründeten Marke, dieses französische Nationalsymbol, das bekanntlich auch seinen Namen trägt. Fontaines Sprüche sind also eine Art feministisches Umlabeln. Aus diesen vielen Schichten von Mode, Kunst und Politik kommt die Richtung von Diors neuer Kollektion: radikaler Feminismus und ein Hang in die 1970er Jahre. Das ist die Jugendzeit Maria Grazias. Die Kollektion, so sagt sie, sei ihr geheimes Jugend-Tagebuch. Damit spielt sie über Bande #MeToo.
Denn man sieht zunächst viele preppy-Oufits: Schülerinnen vor der Aufnahmeprüfung in die Uni (classe préparatoire) in Kniestrümpfen, Minirock, Hemden, oben geschlossen, mit Krawatten. Seht, wie uns mächtige Typen alle zu Schülerinnen machen wollen! Dazu kommen Transformationen eines ikonischen Grundelements Diors: ein Jackett, entworfen für die Frau, die auch mal allein in eine Bar gehen will.
Feminismus?
Auf der anderen Seite stehen Variationen von Hosenanzügen mit maskulinem Einschlag, Kombinations-Weste, Hosen, vom Gesäß ab ausgestellt und weit geschnitten, mit viel Bewegungsfreiheit. Es wird mit Chiuris Lieblingselement kombiniert: dem Plaid, kariert mit Fransen, in vielen Abwandlungen, eine warme Decke (Winterkollektion), um den Körper zu schützen. Dazu Kopftücher, nach hinten gebunden, wie sie die Hippies trugen und zu Sowjetzeiten auf russischen Plakaten an Fabrikarbeiterinnen zu sehen waren.
Feminismus? Um Zweifel auszuschließen, bekommt jeder Besucher eine kleine goldene Münze auf das Pressematerial geheftet: mit dem Venussymbol und geballter Faust drauf.
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