: „Dildas, Töchter der Aufklärung“
■ 41 weibliche Kunstschaffende stellten auf der Künstlerinnen-Messe „Nord Art“in Oldenburg aus, darunter zehn Bremerinnen
Mutig, kreativ und hemmungslos – die 41 Frauen auf der Künstlerinnen-Messe „Nord Art“bewiesen am Wochenende über 3.000 BesucherInnen in Oldenburg: Sie preschen auf dem nationalen und internationalen Kunstmarkt unaufhaltsam vor. „Noch immer erhalten viele Frauen nur die Förderpreise und Männer die Hauptpreise“, sagt dazu die Bremer Künstlerin Mechthild Böger, „doch das soll jetzt anders werden!“
Über 300 Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet hatten sich beworben, um auf der 2. Oldenburger Messe für kunstschaffende Frauen ihre Arbeiten zu präsentieren, zu diskutieren und im besten Fall auch an Privatpersonen und GaleristInnen zu verkaufen. Ausgewählt wurden von einer Fachjury dann lediglich 41 Künstlerinnen, die drei Tage lang in der Weser-Ems-Halle die Chance hatten, das Vorurteil: Frauen seien nur deshalb auf dem Kunstmarkt unterrepräsentiert, weil es so wenig „gute“Künstlerinnen gebe, zu widerlegen. Mit dabei waren zehn Frauen aus Bremen, die mit Malerei, Objekten, Installationen, Zeichnungen, Videos und Grafiken für Aufsehen sorgten.
Gleich im Eingangsbereich der Messehalle präsentierte die Bremerin Klaudia Kadel mit ihrer Arbeit „The Dildas oder die Töchter der Aufklärung“ein kleines, erotisches Unikum. Leise brummten auf einem Sockel Miss Bonita, Miss Rosa und Miss Jeany vor sich hin. Frauenfiguren, die sich wie Tänzerinnen im Kreise drehten, doch in Wirklichkeit waren es Dildos: Dünne, dicke, kurze, lange, genoppte und ungenoppte – alle waren mit prächtigen Kostümen geschmückt und zogen die Blicke der BesucherInnen magisch an. „Das soll Kunst sein?“, fragte lautstark ein Mann, eine Frau kicherte leise vor sich hin. Klaudia Kadel sagt zu ihrem Werk: „Zum einen trifft ein Reiz auf die eigene Sexualität, zum anderen auf die Frage nach ,Weiblichsein'. Glitter und bunte Accessoires in Kombination mit einer Gummimaschine dürfen und möchten eher Unwohlsein mit Witz kombinieren.“
Das Thema Weiblichkeit stand bei den Teilnehmerinnen der Messe jedoch eher im Hintergrund. Die Tendenz in der zeitgenössischen Kunst von Frauen geht offenbar in Richtung kulturelle und gesellschaftspolitische Darstellungen, phantasievoll umgesetzt. „Frauen sind in der Kunst einfach kreativer“, konstatiert die Bremerin Mechthild Böger in derart weiblich geschütztem Rahmen. „Wir benutzen mehr Materialien und haben ein breiteres Gedankengut.“
Daß Frauen dennoch auf dem männerdominierten Kunstmarkt noch immer unterrepräsentiert sind, führt die Künstlerin auf die Skepsis vieler SammlerInnen zurück. „Die glauben, nur weil wir Kinder bekommen, daß sie sich nicht auf unser fortwährendes Kunstschaffen verlassen können, und damit die Werke an Wert verlieren. Das ist Unsinn!“
Mechthild Böger sagt von sich selbst, sie versuche mit ihrer Kunst, die „Gesellschaft aufzuzeichnen“. Sie reibt Fleisch, Zwiebeln oder Pilze mit Farbe ein und bedruckt mit den präparierten Eßwaren Tischdecken aller Art: So entstehen anmutige, aparte Rosetten aus Schweinekoteletts, Käse und Salat. Der Anblick ist alltagsvertraut – und man scheut ihn instinktiv. Symptomatisch, findet die Künstlerin: „Wir spielen mit Lebensmitteln, jeden Tag, weil wir keinen Hunger leiden müssen, doch den Spiegel möchte niemand vorgehalten bekommen, und so schauen wir lieber weg.“
Ziel dieser zweiten Spezial-Kunstschau im Nordwesten Deutschlands ist auch, Frauen neue Perspektiven zu eröffnen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich einem speziell interessierten Publikum zu zeigen. Monika Gunst, Projektleiterin der Nord Art, ist von dem Erfolg der „exklusiven“Messe überzeugt: „Viele Galeristen kommen nach Oldenburg und knüpfen Geschäftskontakte. Für die Frauen lohnt sich die Messe auf alle Fälle.“
Für den Veranstalter, die Weser-Ems-Halle, ist die Kunstmesse hingegen ein Verlustgeschäft. Die Einkünfte aus den Eintrittsgeldern reichen nicht aus, um die Nord Art kostendeckend zu finanzieren. Sponsoren haben sich bislang nur für den Ausstellungskatalog gefunden, die Restfinanzierung ist ungewiß, und so wird im nächsten Jahr die Messe erstmal ausfallen. An eine Erhöhung der Standgebühr für die Künstlerinnen ist jedoch nicht gedacht, schließlich betonen die Messeorganisatorinnen Astrid Hübe-Mosler und Bärbel Hinsche, „daß Frauen ein kostengünstiges Forum geschaffen werden muß, um ihnen Begegnungen mit Galerien, Museen, Kunstinstitutionen und Besuchern zu ermöglichen.“
Die Zahlen der ersten Nord Art bestätigen die Intention: Über 40 Prozent der ausstellenden Künstlerinnen meldeten im Nachfeld Verkäufe und weitere Einzelausstellungen. Monika Gunst ist bis auf weiteres motiviert: „In zwei Jahren findet die Nord Art wieder in Oldenburg statt. Und dann wird es auch einen Sponsor geben!“
Maik Günther
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