Diktaturprozess in Argentinien: 12 Jahre Haft für Busunternehmer

Zum ersten Mal wird in Argentinien ein Unternehmer wegen der Verhaftung und Folter eines Arbeiters während der Diktatur verurteilt.

Menschen demonstrieren

Buenos Aires, 24. März 2016: Demonstration zum 40. Jahrestag des Militärputsches Foto: dpa

BUENOS AIRES taz | In Argentinien ist erstmals ein Unternehmer wegen Menschenrechtsverbrechen während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 verurteilt worden. Ein Bundesgericht in der nördlichen Provinz Salta verurteilte am Montag den früheren Eigentümer des Busunternehmens „La Veloz del Norte“, Marcos Levín, zu 12 Jahren Gefängnis wegen der Mittäterschaft bei der Freiheitsberaubung und Folter eines damaligen Mitarbeiters seiner Firma.

Levín war in den 1970er Jahren zugleich Vorsitzender der Transportunternehmervereinigung Festap in Salta (Federación de Empresarios Salteños de Transporte). Ihm wird vorgeworfen, noch vor dem Putsch am 24. März 1976 die Provinzpolizei dazu gedrängt zu haben, gegen Gewerkschaftsmitglieder der „Unión Tranviarios Automotor“ vorzugehen, die sich für verbesserte Arbeitsbedingungen eingesetzt hatten.

Im Januar 1977 hatte Levín bei der Polizei einen mutmaßlichen Betrug seiner Firma angezeigt und eine Liste mit rund 20 Namen seiner Angestellten vorgelegt. Mindestens 16 Personen seien daraufhin verhaftet und unter Folter zu einem Geständnis gezwungen worden, so der Vorwurf. Zum Prozess führte jedoch lediglich die Verhaftung von Víctor Cobos, der sowohl als Fahrer beschäftigt, als auch als führender Gewerkschafter im Unternehmen aktiv war.

Er war am 22. Januar 1977 in der Firma festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht worden. Dort wurde er gefoltert und gezwungen eine Erklärung zu unterschreiben, in der er nicht nur seine Arbeitskollegen des Betrugs an der Firma beschuldigen musste, sondern auch selbst einen Firmendiebstahl gestehen musste. Danach wurde er für drei Monate im Gefängnis Villa Las Rosas eingesperrt. Ob es im Fall der anderen Betroffenen ebenfalls zu Verfahren kommt, muss der Oberste Gerichtshof entscheiden.

Neben Levín verurteilten die Richter auch drei mitangeklagte ehemalige Polizeiangehörige. Zwei erhielten ebenfalls jeweils 12 Jahre Haft, der dritte wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter blieben damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für Levín eine 18-jährige Haft gefordert. Die Urteilsbegründung wird am 23. Mai verkündet.

Zufriedene Menschenrechtler

Vertreter von Menschenrechtsgruppen zeigten sich zufrieden. Es sei ein historischer Prozess, der einen Weg weise, kommentierte Oscar Rodríguez von der Asamblea Permanente de los Derechos Humanos de La Plata. „Wir können annehmen, dass die jetzige Etappe der juristischen Aufarbeitung jenen Teil des zivilen Bereichs der Gesellschaft erfasst, der nicht direkt, sondern als Komplize am Völkermord in Argentinien beteiligt war.“

Das Urteil gegen Levín hat auch eine pikante aktuelle Note. Während der Gerichtsprozess im vergangenen September begonnen hatte, ließ sich der damalige Präsidentschaftskandidaten Mauricio Macri im November mit Levín ablichten. Das Foto der beiden hatte in den sozialen Medien für heftigen Wirbel gesorgt.

Gegenwärtig ermittelt die argentinische Justiz gegen neun Unternehmer wegen der mutmaßlichen Mittäterschaft an den Verbrechen während der Diktatur, ebenso gegen ehemalige leitende Angestellte von Mercedes Benz Argentina wegen Entführung und Folter von siebzehn Arbeitern, von denen vierzehn bis heute verschwunden sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.