Digitalpakt ausgelaufen: Fortsetzung gefährdet
Der milliardenschwere Pakt zur Digitalisierung der Schulen ist im Mai ausgelaufen. Bund und Länder haben sich noch auf keinen Nachfolger geeinigt.
Damit erreicht das Bildungsbudget einen neuen Höchststand: 22,3 Milliarden Euro. Ein Achtungserfolg für die wegen der „Fördergeld-Affäre“ angezählte Ministerin. Der mittelfristige Finanzplan, auf den sich die Ampel vorigen Sommer geeinigt hatte, hatte für ihr Haus im kommenden Jahr zunächst sogar nur 20,6 Milliarden Euro vorgesehen.
Und noch einen Erfolg kann Stark-Watzinger vorweisen: Erstmals hat die Ministerin in ihrem Haushalt eine konkrete Summe für den Digitalpakt 2.0 eingeplant. Rund 1,6 Milliarden sind als „Zuweisungen an die Länder zur Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur für Schulen“ vorgemerkt.
Damit erfüllt Stark-Watzinger, was die Länder seit Monaten fordern: ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung des im Mai ausgelaufenen (ersten) Digitalpaktes. Zumindest auf den ersten Blick.
Auf den zweiten ergibt sich ein anderes Bild. Zum einen, weil bereits feststeht, dass von dem Posten für den Digitalpakt noch mindestens ein „Konsolidierungsbeitrag“ in Höhe von 163,5 Millionen Euro abgezogen wird. Insgesamt muss Stark-Watzinger von ihrem Rekordbudget sogar 833,5 Millionen (die so genannten globalen Minderausgaben) einsparen – also fast exakt die Summe, die sie 2025 „mehr“ bekommen soll.
Nur eine Mogelpackung?
Zum anderen, weil die Länder daran zweifeln, ob vom Bildungsetat tatsächlich Geld für den Digitalpakt 2.0 zur Verfügung stehen wird. Sie werfen dem Bund Taschenspielertricks vor. „Der vorliegende Haushalt erweckt den Eindruck, als wolle man durch Buchungstricks das Fehlen der wichtigen zusätzlichen Investitionen in die digitale Bildung verschleiern“, sagte Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin und Koordinatorin der unionsgeführten Länder in der Kultusministerkonferenz, Karin Prien, der taz.
Auch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die für die SPD-regierten Länder spricht, äußerte sich gegenüber der taz irritiert: Es sei an der Zeit, dass das Bundesbildungsministerium „jetzt schnell und deutlich erklärt, ob und welche Gelder für den Digitalpakt 2.0 im Haushalt 2025 vorgesehen sind“.
Der Vorwurf: Die 1,6 Milliarden für digitale Schulen im Haushalt seien in Wahrheit keine neuen Gelder für den versprochenen Digitalpakt 2.0, sondern noch nicht abgerechnete Restmittel aus dem Digitalpakt 1.0. Also Gelder, die die Länder schon längst ausgegeben, dem Bund nur noch nicht in Rechnung gestellt haben. Zudem seien für die Folgejahre keine Mittel für den Digitalpakt 2.0 eingeplant.
Laut Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP soll dieser bis 2030 laufen und die „Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration“ bezahlen. Entgegen der Ankündigung des Ministeriums komme im Haushalt 2025 das Wort Digitalpakt an keiner Stelle vor, kritisieren mehrere Ministerien auf taz-Anfrage. Karin Prien nennt den vorgelegten Haushalt deswegen „enttäuschend“. Der sächsische Bildungsminister Christian Piwarz (CDU) sprach gegenüber der Sächsischen Zeitung von „dreistem Vertrauensbruch“.
Streit, Streit, Streit
Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang mit dem Digitalpakt schwere Vorwürfe laut werden. Vor einem Jahr berief die Kultusministerkonferenz sogar eine außerplanmäßige Pressekonferenz ein, um öffentlich das „fehlende Vertrauen“ in den Bund und dessen „mangelnde Verlässlichkeit“ anzuprangern. Ihr Ziel – eine nahtlose Anschlussfinanzierung zum Juni 2024 – erreichten die Länder damit nicht. Anfang Juli nun kam es zu einem erneuten Schlagabtausch – dieses Mal im Bundesrat.
Dort mahnten die Länder die Fortsetzung des Digitalpaktes an, „um den positiven Impuls der bisherigen Projekte aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen“. Dort blaffte der BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg zurück: „In Ihrem Entschließungsantrag steht: ‚Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern müssen (…) zügig und belastbar abgeschlossen werden.‘ Da kann ich Ihnen auch persönlich nur zustimmen. Um es ganz deutlich zu sagen: Es ist nicht der Bund, der auf der Bremse steht“.
Zu den aktuellen Vorwürfen der Länder wollte sich das Bundesbildungsministerium (BMBF) gegenüber der taz nicht äußern. Stattdessen spielte eine Sprecherin – ähnlich wie Staatssekretär Brandenburg – den Ball zurück: „Die Gesamtfinanzierung, die vonseiten des Bundes im Haushalt 2025 und den Folgejahren angelegt ist, hängt maßgeblich von der Bereitschaft der Länder ab, hierzu die Voraussetzungen zu schaffen und einen substantiellen finanziellen Beitrag zu leisten.“
Länder sollen mehr zahlen
Bereits seit Anfang Dezember 2022 verhandeln Bund und Länder nun über den Nachfolger des Digitalpakts. Seit 2019 hat der Bund insgesamt 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung an Schulen bereitgestellt. Mit den Mitteln aus den Ländern standen sogar mehr als 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Bislang waren sich Bund, Länder und Kommunen immer einig, dass der Digitalpakt fortgeführt wird. Doch ob sich die Beteiligten einigen können, ist nach wie vor unklar.
Der größte Streitpunkt ist das Geld: Beim ersten Digitalpakt mussten die Länder gerade mal zehn Prozent der Gesamtmittel aufbringen. Beim Nachfolger aber pocht der Bund auf eine finanzielle Beteiligung der Länder in Höhe von 50 Prozent – und hat bereits Fakten geschaffen: Ein Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2024 verbietet dem Bund, bei künftigen Bund-Länder-Programmen mehr als 50 Prozent der Kosten zu tragen. Zu einer so hohen Beteiligung sind die Länder aber nicht bereit.
Den Ländern sei der Kabinettsbeschluss bewusst, teilt etwa eine Sprecherin aus Rheinland-Pfalz mit. Gleichzeitig appellierten die Länder an den Bund, diesen Beschluss „zu überdenken und auch flexibel bei der Frage nach der Anrechenbarkeit von Landesleistungen zur Digitalisierung“ zu sein. Schließlich hätten die Länder und Kommunen bereits massiv in die Digitalisierung ihrer schulischen Infrastruktur investiert.
Vorbild Startchancen-Programm
Dass der Bund durchaus bereit ist, die Investitionen der Länder anzurechnen, zeigen die Verhandlungen zum „Startchancen-Programm“, mit dem in den kommenden zehn Jahren insgesamt 4.000 Brennpunktschulen bundesweit gefördert werden sollen. Auch hier müssen die Länder 50 Prozent der Gesamtmittel stellen.
Ob dies ein möglicher Ausweg auch beim Digitalpakt wäre? Anfang August kehren Bund und Länder an den Verhandlungstisch zurück. Nach Angaben des BMBF ist der Bund bereit zu „intensiven und konstruktiven“ Verhandlungen. Die Länder erwarten zunächst „Klarheit“ bei ihren Fragen zum Haushalt, bevor sie über die strittigen Punkte wie die Co-Finanzierung reden.
Für die Kommunen geht das große Warten also erst mal weiter. „Wenn sich Bund und Länder nicht bald einigen, sind wir die Leidtragenden“, sagt der Gießener Stadtrat Francesco Arman der taz. Seine Stadt habe wie die meisten Kommunen und Städte die Gelder aus dem Digitalpakt 1.0 bereits vollständig ausgegeben. Derzeit liefen die letzten Aufträge, darunter die vollständige Ausstattung aller Klassenzimmer mit digitalen Tafeln.
Sollte der neue Digitalpakt nicht bald kommen, könne Gießen maximal den laufenden Betrieb aufrechterhalten, so Arman, „auf Sparflamme. Den Ausbau und die Verbesserung der IT-Infrastruktur können wir dann nicht stemmen“.
Die Bundesschülerkonferenz befürchtet, dass letztlich die Schüler:innen das „aktuelle Gerangel“ zwischen Bund und Ländern ausbaden müssen. Trotz des Digitalpaktes fehle es heute an sehr vielen Stellen noch an digitaler Ausstattung oder Digitalisierung des Unterrichts, sagt Generalsekretärin Louisa Basner der taz. „Wenn der Digitalpakt 2.0 nicht zustande kommt, werden aktuelle Probleme noch größer und die Schulen werden im Punkt Digitalisierung immer mehr zurückfallen“. Auch sie fordert eine baldige Einigung. Wie alle Seiten.
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