Digitalisierte Medien und Rechtefragen: Früher war alles einfacher

Internet und Fernsehen sind längst verschmolzen – außer vorm Gesetz. Jetzt wollen Bund und Länder einen gemeinsamen Rahmen schaffen.

Smart-Gerät oder second screen? Gab's in den 70ern nicht. Bild: imago/Blickwinkel

Für das Publikum macht es längst keinen Unterschied mehr, ob es Filme schaut, die über eine Internetplattform oder über einen Fernsehsender ausgestrahlt werden. Für den Gesetzgeber schon: Denn Verbreitungen via Internet werden als Telemedien eingeordnet, die Sendungen über klassische TV-Stationen als Rundfunk. Für beide Bereiche gelten verschiedene Regeln.

Angesichts der gravierenden Umbrüche durch die Digitalisierung ist dieses Modell veraltet. Jetzt will die Politik in Deutschland den großen Wurf wagen: Zum ersten Mal sollen Bund und Länder gemeinsam auftreten, wenn es um Medien- und Rundfunkbestimmungen geht.

Warum dürfen deutsche TV-Kanäle aus kartellrechtlichen Gründen keine gemeinsamen Video-on-Demand-Portale einrichten, während voraussichtlich im Herbst Netflix – eine der größten Internetvideotheken weltweit – ohne derartige Auflagen bei uns starten wird? Dem Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), Claus Grewenig, fallen noch viele weitere Beispiel dafür ein, warum die Gesetzgebung aus Sicht der Medienbranche dringend reformiert werden muss: „Zurzeit werden unter dem Begriff Plattform, der 2008 definiert wurde, nach wie vor nur netzgebundene Plattformen verstanden. Inzwischen gibt es aber mit den Smart-TV-Geräten oder mobilen Endgeräten weitere Plattformen, da sie auch Gatekeeper für TV- oder Telemedieninhalte sind.“

Auch der Integritätsschutz – der sicherstellen soll, dass das Signal des Senders so wie es ausgestrahlt wurde und nicht anders beim Zuschauer ankommt – sei nicht mehr auf dem neuesten Stand: „Es gibt Endgerätehersteller, die damit begonnen haben, über das Signal der Sender eigene Inhalte zu legen, etwa eigene kommerzielle Dienste“, sagt Grewenig: „Man generiert Reichweite mit einem Programmangebot eines anderen Veranstalters.“

Als noch mit Kassettenrekordern hantiert wurde

Für das Urheberrecht stammen die Bestimmungen für Sendeunternehmen aus den 80er und 90er Jahren – einer Zeit, in der noch mit Video- und Kassettenrekordern hantiert wurde.

In Sachen Medienrecht ist die Situation in Deutschland aufgrund der föderalen Struktur nicht einheitlich. Während die Länder über das Kulturgut Rundfunk wachen, ist der Bund für Telekommunikation und Wettbewerbsrecht zuständig. Da es wie bei dem Verbot übergreifender Videoplattformen von Fernsehsendern, wie beispielsweise dem von ARD und ZDF verworfenen Projekt „Germany’s Gold“, oft unterschiedliche Positionen gab, soll nun eine bessere Abstimmung herbeigeführt werden.

Wie das realisiert werden kann, dazu werden Winfried Kluth und Wolfgang Schulz den Ländern im Sommer ihren Bericht vorlegen. Die Wissenschaftler wurden beauftragt, ein Gutachten zu einem neuen Medienstaatsvertrag zu erstellen.

„Wir prüfen, wie die verschiedenen Teile des Medienrechts im Rahmen der Medienkonvergenz besser aufeinander abgestimmt werden können“, erklärt Kluth, der als Professor für öffentliches Recht an der Universität Halle-Wittenberg lehrt, die Aufgabe. Bisher haben die rundfunkrechtlichen Entscheidungen immer bei den Ländern gelegen. Kommt jetzt der Bund dazu, wäre das im Rahmen eines Staatsvertrags ein Novum.

Modelle für gemeinsames Medienrecht

„Solch ein Staatsvertrag ist aber eine schwerfällige Angelegenheit“, weiß der Hochschullehrer, „daher wäre er nur eine Handlungsoption unter anderen. Es gibt schon jetzt wichtige Bereiche getrennter Zuständigkeiten, in denen Bund und Länder sich abstimmen: Die Arbeitsgruppen aller Ministerien gleichen sich untereinander ab, woraus eine Selbstverpflichtung ergeht, dass jedes beteiligte Land seine Gesetzgebung entsprechend ändert.“ Auch das sei ein mögliches Modell für ein gemeinsames Medienrecht.

NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann, der auch den Vorsitz innerhalb der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand einnimmt, hofft auf eine baldige Lösung, um die großen Herausforderungen zu bewältigen: „Wir müssen den Rundfunkbegriff, der sich bisher durch lineare Übertragungsformen definierte, neu fassen. Die traditionelle Trennung zwischen Rundfunk und Telemedien ist nicht mehr lange aufrechtzuerhalten“, sagt er.

Außerdem gelte es sicherzustellen, dass „gesellschaftlich relevante Inhalte und Informationen“ auf sämtlichen Plattformen auffindbar seien und auch der Zugang zu ihnen gewährleistet werde. „Das ist für eine Demokratie unerlässlich“, sagt Eumann.

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