: Digitalfaschismus in Pastell
Prompt: „Echte Frauen“ und „wahre Helden“. Wie KI-generierte Bilder zur visuellen Propagandasprache der neuen Rechten wurden

Von Katharina Stahlhofen
Echte Frauen sind rechts“, schreibt die Junge AfD Baden-Württemberg kürzlich in einem Social-Media-Post. Den Hintergrund des Schriftzugs bildet ein Porträt einer jungen, blonden, normschönen Frau, die inmitten einer idyllisch anmutenden Berglandschaft in die Ferne blickt. Doch gibt es da nicht einen performativen Widerspruch? Denn die Frau auf dem Bild ist nicht „echt“, sondern KI-generiert – und das ziemlich offensichtlich. Die sterile Symmetrie ihres Gesichts, die gummiartige Haut und die klaffende Leere in ihrem Blick lassen die Illusion von „Echtheit“ gar nicht erst entstehen.
Dieser Widerspruch scheint keine Irritation unter den Followern der Jungen AfD Baden-Württemberg auszulösen. Text-to-Image-Modelle wie Midjourney, DALL·E oder Stable Diffusion, mit denen auch das Bild dieser „echten, rechten Frau“ generiert wurde, mögen zu Beginn noch über alle gesellschaftlichen Lager hinweg eine leicht nervöse Faszination ausgelöst haben, inzwischen hat ihre Nutzung jedoch eine eindeutige politische Färbung. Es sind vor allem Akteur:innen aus dem rechten Spektrum, die KI-generierte Bilder verbreiten. Nicht selten setzen sie diese für Propagandazwecke ein.
Ob „Ghibli“-fizierte Abschiebeszenarien, Gaza als „Riviera of the Middle East“ oder Trump als Papst – die radikale Rechte weltweit liebt KI-generierte Bilder, wie unter anderem der Bildwissenschaftler Roland Meyer herausstellt. Die Ästhetik von KI sei alles andere als zufällig zur bevorzugten Propagandasprache des digitalen Faschismus avanciert. In der Logik und Funktionsweise von KI-Tools, zumindest in ihrer derzeitigen kommerziellen Form, seien die Voraussetzungen für eine besondere ideologische Affinität mit rechten Bild- und Vorstellungswelten bereits angelegt.
Warum? Entgegen ihrer Aura des technologischen Fortschritts, sei KI sogar „strukturell nostalgisch“, so Meyer. Sie produziere nichts anderes als Rekombinationen von bereits vertrauten Mustern – und zwar von solchen, die in der Vergangenheit besonders beliebt waren. Bestehende Tendenzen werden dabei noch verstärkt. Denn kommerzielle KI-Tools werden darauf trainiert, möglichst eindeutige und lesbare Muster hervorzubringen. Und was wäre eindeutiger und leichter lesbar als das bereits Bekannte, das Normative, das Klischee?
Ambivalenzen und Störfaktoren werden beseitigt, während ohnehin schon beliebte Motive eine Idealisierung, Übertreibung, ja Maximierung erfahren. Eine „Ästhetik des Superlativen“, wie es der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich beschreibt.
Ein Prompt, also eine schriftliche Anweisung an ein KI-Tool, um ein gewünschtes Bild zu erzeugen, vermag dem Nutzer vielleicht das Gefühl vermitteln, etwas Neues zu generieren. Doch sowohl „neu“ als auch „generieren“ ist irreführend. Denn das Ergebnis ist ein statistisches Rendering von bereits vorhandenen Motiven und Ästhetiken. Ein Bild, „das sowohl erwartet als auch unerwartet ist, sofort lesbar und überraschend zugleich“, so Meyer.
KI-Tools überführen Fantasien in anschauliche Bilder. Auf denen können sich dann gothische Kathedralen, zu erobernde Landschaften und die Helden napoleonischer Historienmalerei zu visuellen (Alb-)Träumen vermengen. Rechte Vergangenheitsfantasien nach imperialer Größe, männlicher Stärke und weiblicher Unterwerfung lassen sich so in eine eindeutige Bildsprache überführen, die zugleich den Anschein des Neuen besitzt.
Darin liegt eine besondere Verführungskraft. So befeuert sie etwa neoimperiale Träume von der Eroberung neuer Territorien, auf denen dann sogenannte Network-States errichtet werden sollen – ultralibertäre Utopien, gestützt auf Blockchain-Technologie und Krypto-Währungen. Diese verheißen ein höchstmögliches Maß an Unabhängigkeit von staatlicher Regulierung. „Reclaim the West“ ist auch der Slogan von Praxis, ein von Peter Thiel finanziertes Start-up, das den ersten solcher Network-States auf dem ressourcenreichen Grönland errichten will.
Durch das Primat der Sprache bedient generative KI dabei das faschistoide Bedürfnis nach Klarheit und Kontrolle. KI-Bilder sind immer nur visuelle Renderings dessen, was sprachlich formulier- und abrufbar ist. Sie sind letztlich oft billige Schlagworte, die sich als Bilder verkleiden.
Faschistische Proganda wurde schon historisch von einer autoritären, sterilen Bildsprache getragen. Die Abstraktion, Uneindeutigkeit und Metaebenen des Expressionismus oder des Dadaismus oder Surrealismus waren etwa den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Sie verfolgten vielmehr einen faschistischen Realismus: Figürliche, heroische und idealisierte Darstellungen von Arbeit, Familie und Natur. Wer heute „eine glückliche deutsche Familie“ als Prompt bei Midjourney eingibt, erhält Bilder, mit denen die Nationalsozialisten äußerst zufrieden gewesen wären. Blonde Mütter, Väter und Kinder in der Idylle eines Landlebens, wie man es lose zwischen Vorindustrialisierung und Gründung der Weimarer Republik verorten würde, eingetaucht in der konkreten und zugleich suggestiven Naturmalerei wie der eines Caspar David Friedrich. Dass jene Kulissen nur einer vagen pseudohistorischen Vergangenheit entsprechen, die der US-Literaturtheoretiker Fredric Jameson als pastness bezeichnet und mehr fiktiv als real sind, ist für ihre propagandistische Wirkung unerheblich. Solch eine pastness wurde durch die Bilder oft genug als real inszeniert, um allmählich zu der Vorstellung eines „Originals“ zu sedimentieren, dessen „Wiederherstellung“ die Rechten immer wieder versprechen.
Beispiele dafür finden sich international – ob in Donald Trumps vagem „Make America Great Again“ oder den kontrafaktischen Erzählungen der AfD von einer „christlich-abendländischen Kultur“ und der Nation als homogene Einheit, die es zu „beschützen“ gilt. Diese Beispiele operieren weniger mit einer realen Vergangenheit als mit ihrer starken Vereinfachung und Idealisierung. Oder wann hat es eine Nation gegeben, die in sich vollkommen homogen und widerspruchsfrei war?
Die USA der 1940er und 1950er Jahre – jenes nostalgische Trugbild, von dessen „Wiederherstellung“ Trump und seine Anhänger fantasieren – jedenfalls waren denkbar weit davon entfernt.
So wird auch der Widerspruch im Social-Media-Post der Jungen AfD Baden-Württemberg, eine KI-generierte Frau als repräsentativ für „echte Frauen“ zu platzieren, nur ein scheinbarer. Denn in der Mustererkennung von künstlicher Intelligenz sehen Rechte gerne ein Wahrheitsversprechen. Die rassistischen und sexistischen Verzerrungen, die KI-Modellen aufgrund ihrer Datenbasis eingeschrieben sind, werden als objektive, auf statistischer Wahrscheinlichkeit gestützte Belege einer unverfälschten, ideologiefreien Realität gewertet. KI zeige die Realität schließlich, wie sie ist.
Doch diese vermeintlich unverfälschte Realität ist letztlich auch nur die Summe vieler subjektiver Geschmacksurteile. Die KI „lernt“ ja, wie es euphemistisch heißt, welche Bilder von den User:innen als besonders ansprechend empfunden werden. Eine Recherche des Journalisten und Informatikers Christo Buschek und des Datenexperten Jer Thorp zeigte dabei, dass die 5 Milliarden Bild-Text-Paare, die etwa zum Training der Bildprogramme Stable Diffusion und Midjourney verwendet wurden, von einer sehr spezifischen Nutzergruppe bewertet wurden. Sie bestand vorwiegend aus weißen, männlichen und technikaffinen Mittelschichtsangehörigen aus Europa und Nordamerika. Das ist so erwartbar wie verstörend – ganz wie die Bilder, die KI-Tools erzeugen.
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