Digitales Verfassungsschutzarchiv: Googeln in Geheimdienstakten
Die Papierakten des Verfassungsschutzes sollen eingescannt und zu voll recherchierbaren Dateien werden. Doch Datenschützer von Bund und Ländern sehen Gefahren.
FREIBURG taz | Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern warnen vor den Folgen der Digitalisierung von Polizei- und Verfassungsschutzakten. Wenn in hochsensiblen Akten künftig eine Volltextsuche möglich wäre, wäre dies "im Widerspruch zum geltenden Recht", heißt es in einer Entschließung der Datenschützer, die sich in Freiburg zu ihrer halbjährlichen Konferenz trafen. "Google darf nicht das Vorbild für die Recherche in den Dateien von Polizei und Verfassungsschutz sein", sagte der Stuttgarter Datenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil, der Gastgeber der Konferenz.
Anlass der Kritik sind Pläne der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern. Sie wollen viele Vermerke und Berichte, die bisher nur auf Papier vorliegen, einscannen, um sie besser für Recherchen nutzen zu können. Über das Datenbanksystem Nadis hätten dann auch die anderen Verfassungsschutzbehörden direkten Zugriff auf solche Dokumente.
"In den Akten befinden sich auch Daten von Personen, gegen die sich die Maßnahmen der Behörden gar nicht gerichtet haben, zum Beispiel weil sie zufällig bei der gleichen Veranstaltung waren wie ein Verdächtiger", beschreibt Klingbeil das Problem. "Wenn künftig solche Namen zentral recherchierbar sind, wäre die Zweckbindung der Datenverarbeitung nicht mehr zu gewährleisten", gibt er zu bedenken.
Der Verfassungsschutz habe die Aufgabe, bereits weit im Vorfeld konkreter Gefahren Informationen zu sammeln, so Datenschützer Klingbeil. "Er darf auch Erkenntnisse zu legalem Verhalten und mit noch unklarer Relevanz registrieren". Hier würden also wohl besonders häufig auch unbescholtene Bürger in den Akten erfasst. Auch sein Kollege Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, kritisiert: "Automatisierte Volltextsuchen sind in Akten der Sicherheitsbehörden nach der derzeitigen Rechtslage nicht möglich."
Die gesetzlichen Grundlagen müssten dazu geändert werden. "Wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben sind dabei aber sehr hohe Anforderungen festzulegen", fordert Schaar. Die Datenschützer gehen davon aus, dass nach dem Geheimdienst bald auch die Polizei die Möglichkeit der Volltextrecherche in ihren Akten einführen will.
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