Digitale Spiele im taz-Test: GTA V: „Ich möchte doch mal überleben“
Einmal im Monat treffen sich taz-Mitarbeiter und Gäste zum Daddeln an der Konsole. Diesmal steht alles im Schatten von „Grand Theft Auto V“.
3 Konsolen, 4 Spiele, 5 Leute. Neue Spiele, alte Spiele, nur Laien am Werk – die taz-Runde „Digital Spielen“ trifft sich zum siebten Mal. Doch diesmal ist alles anders. 8 Leute spielen nur ein Spiel auf einer Konsole. Aber was für eins: „Grand Theft Auto V“. Dabei sind: Jan Scheper, Rieke Havertz, Maik Söhler, Donata Kindesperk, Julia Neumann, Lalon Sander, Daniél Kretschmar und Louisa Wittke (allesamt taz.de).
1. Grand Theft Auto VNeuerscheinungRockstar Games, Playstation 3
Geht schon gut los – schwarzer Bildschirm. Das TV-Gerät erkennt die Konsole nicht. Fäkalausdrücke. „Probier doch mal die HDMI-Ausgänge.“ Ein zweiter Fernseher muss es richten. Oder auch einfach nur ein HDMI-Kabel. Endlich kann es losgehen.
CVD Maik Söhler hält ein Stehreferat über GTA für die Kolleginnen, die das Spiel noch nicht kennen. Von Adornos „Gangs und Rackets“ bis „Liberty City“ – welch Verheißung! Dieses Mal aber landen wir in Los Santos, also known as Los Angeles. Söhler darf loslegen. Volontär Jan Scheper ist aufgeregt, alle anderen schweigen. Daniél Kretschmar, der bereits angekündigt hat, in seinem bald beginnenden Urlaub den Controller nicht mehr aus der Hand zu legen, guckt starr und schweigsam aus dem Hintergrund.
„Die Figuren sehen so als, als wären sie mit dem Pinsel gezeichnet“, bemüht sich Praktikantin Donata Kindesperk um eine ästhetische Kritik des Spiels, während alle darauf warten, dass acht Gigabite geladen werden. „Was ist denn überhaupt Ziel des Spiels“, fragt Volontärin Julia Neumann, „möglichst viele Kohle, möglichst viele Chicks?“
Grand Theft Auto V! Gewalt! Verrohung der Sitten! Wir können es nicht mehr hören. Dabei ist alles nur ein Missverständnis. Hier geht es zur wahren Geschichte von GTA V.
„Man kann sich immer wieder in die Dramaturgie einklinken, wenn man möchte, die man am Anfang vorantreiben muss, um Stadtviertel zu erschließen und am Ende kann man einfach durch die Landschaft mäandern“, schließt Chef vom Dienst Daniél Kretschmar die GTA-Einführung ab. Der Ladevorgang bedrückt die Runde.
Das sagt die Zielgruppe: „Zu Fuß kommst Du nicht weit.“ (Söhler)
Das sagen die anderen: „Die Musik ist scheiße!“ (Neumann, Wittke, Kindesperk)
Söhler macht sich locker, letzte Dehnübungen, dann: „Oh Gott ist das brutal.“ – „Du musst was machen“, sagt Scheper. Es hat ewig gedauert, aber nun verpasst der Kollege den Einstieg. Geiselnahme, Explosionen, „show me the money!“ Söhler hat Probleme, den ersten Schuss zu setzen. Schafft es aber dann doch. Und ballert gleich noch mal „unsinnig in der Gegend rum“, wie Neumann anmerkt.
Endlich ist ein Auto in Sicht, Söhler hat es aus dem Gebäude geschafft. „Einfach draufhalten, du hast die richtige Knarre dafür“, motiviert Kretschmar. Ein halbautomatisches Gewehr wird gezückt, großflächig draufgehalten. Reicht nicht, Mission gescheitert, Söhler tot.
Scheper übernimmt und macht's gleich richtig: den Finger permanent am Abzug. „Beweg dich, beweg dich“, schreit sein Protagonist. Blut tropft aus dem grauen Parka. Die Frage ist: Wohin bewegt er sich? Die Autos sind in weiter Ferne. Ein Spurt zum Ausgang und zu den rettenden Fahrzeugen. Doch schon wieder kommen neue Polizeiwagen. „Du musst zu einem bestimmten Auto“, gibt Netzredakteur Lalon Sander aus dem Hintergrund Anweisungen. Scheper erreicht das Auto. „Yeah!“
„Ich hab die verfickte Schlampe gegen die Scheibe gedrückt“, die Kolleginnen Kindesperk, Wittke und Neumann, die es sich auf dem taz-Sofa bequem gemacht haben, lehnen die sexistische Sprache des Spiels entschieden ab.
Das sagt die Zielgruppe: „Deckung, Herr Kollege, Deckung.“ (Havertz)
Das sagen die anderen: „Noch mehr Bullen können in dieser Stadt nicht sein.“ (GTA-V-Protagonist)
Sander übernimmt: „Ich hab so was 10 Jahre nicht mehr in der Hand gehabt“. Dafür geht es dann aber doch ganz gut. Bis an einem unbeschränkten Bahnübergang ein Zug den Wagen rammt. Wieder Polizei, Sander muss kämpfen. Er schießt sich den Weg frei und entkommt. Das alles war nur der Vorspann.
Das Spiel selbst startet mit einer Therapiesitzung. CVD Rieke Havertz: „Die Musik wird besser!“ Grandioser Vorspann, tolle Bilder, Sander würgt den Vorspann ab, um sich aufs erste Autorennen einzulassen. Laternen fliegen durch die Luft, dann auch Passanten. Scheper: „Rechts, rechts“. Neumann versteht das nicht, übernimmt aber trotzdem den Controller. Schon fliegt der Wagen durch die Luft, die Motorhaube ist schnell ab. Jetzt gehen alle mit, „rechts, links, rechts, rein da, zurück, ins Haus rein!“ – Neumann: „Ich will erstmal einparken.“
Praktikantin Wittke übernimmt. Fährt gut, bleibt am Konkurrenten dran, scheitert dann aber doch. Bisher die Beste. Wittke: „Kleiner Tipp, in der Kurve vom Gas runter!“ Kindesperk am Steuer, steigt erstmal aus dem Wagen aus. Dann aber. Ab ins Parkhaus. Mit durchdrehenden Hinterreifen weiter. Wird in eine Schägerrei verwickelt, wieder weiter. Erreicht das Ziel. „Ich glaub, ich war am Besten jetzt!“
Die Polizei kommt, Kindesperk versucht einfach weiterzukommen, quetscht sich aus einer Cop-Barriere raus. Wahnsinn. Kindesperk: „Das Auto sieht mittlerweile aus wie ein Smart.“ Immer noch Verfolgungsjagd mit der Polizei, merhrere Passanten überfahren. Fällt aus dem Auto, wird beschossen und getroffen. Steigt einfach wieder ein, weiter, noch zwei Polizeiwagen aus dem Weg gerammt. Das Auto brennt, beim Versuch auszusteigen wird sie unter einen Polizeiwagen geschleudert und überrollt. Misson fehlgeschlagen.
Das sagt die Zielgruppe: „Das alles stresst ganz schön.“ (Sander)
Das sagen die anderen: „Ich habe doch nicht mal den Führerschein.“ (Kindesperk)
Havertz am Steuer, Ende der Fahrt nach 30 Metern, Auto in einer Randerhöhung festgefahren, von den Cops erschossen. Neuer Versuch. Polizeibarriere überwunden. „Scheiße! Geh mir doch aus der Sonne!“ Rast eine Weile durch die Stadt. Rabiate Flüche, als noch ein Polizeiwagen auftaucht. Überschlagen. Mission fehlgeschlagen.
Kretschmar übernimmt und bremst die ersten Bullen aus. „Vom Konzept der roten Ampel muss man sich gleich verabschieden“, sagt er. Fährt über Schienen, dann raus aus der Stadt, hängt die Cops ab. Muss nun die Karre zurückbringen. Im Autoradio wird „Rebel Radio“ eingestellt. Havertz: „Autoballett mit Daniél Kretschmar." Er bringt den Wagen sicher zurück.
Neues Auto. Neuer Auftrag: „Begib dich zu Franklins Haus“. Fährt bis in die Garage. Und reicht den Controller Söhler weiter. Wir haben etwas bestanden, was genau, wissen wir nicht. Söhler darf sich umziehen. „Gegenwärtiges Outfit aktualisiert, wie witzig“, freut sich Kindesperk. Die Spielfigur kifft. Söhler: „Bekifft den Kühlschrank nicht aufkriegen, das ist ja ein Alptraum.“ – „Irgendwie hast du ein Haltungsproblem“, sagt Havertz.
Ein Auto wird geklaut, es geht „Drive“-mäßig durch die Nacht. Na gut, etwas langsamer sind wir dann doch. „Fünf Minuten für einen Kilomter muss man nicht brauchen“, moniert Scheper. Söhler entpuppt sich als Pazifist. Hauen will er nicht. Doch dann hat er keine Wahl, Schüsse fallen. Söhler zieht die Waffe, um gegen diese „Leute mit der schlechten Laune“ anzugehen. Stirbt umgehend.
Havertz darf „endlich ballern“. Es geht wieder in der Garage los: „Ich verstehe das mit dem weißen Punkt nicht“. Zack, erwischt sie eine Kugel. Zweiter Versuch. Havertz jagt einen Gastank in die Luft, der Scharfschütze daneben wird gleich mit fritiert. Die nächsten zwei Statisten hinter den Müllcontainern erwischt sie dann prompt. Munition ist alle. Sie setzt zum Sprint auf den verbliebenen Bösewicht an. Der verpasst Ihr eine Salve aus nächster Nähe.
Das sagt die Zielgruppe: „Das Spiel handelt im Kern nicht von Mode.“ (Kretschmar)
Das sagen die anderen: „Wo ist denn Deutschlandfunk?“ (Scheper)
Sander darf weitermachen und segnet nach 30 Sekunden das Zeitliche. „Guck' mal, der blutet auch schon“, zischt Havertz. Wieder geht's von vorne los, in der – klar – Garage. Wittke am Abzug. Clever. Immer schön aus der Deckung ballern. Eilmeldung zwischendurch: „Massiver Stellenabbau bei Blackberry“. „Wie kann ich mich ducken“, fragt Wittke. „Steht in der Anleitung“, meint Scheper. Wiitke erschießt einen Kaktus.
Havertz am Abzug. Den Ersten erwischt sie mit nur einem Schuss. Dann wird's schwieriger. Der Bildschirm wird schwarz. Wieder alles auf Anfang. „Ich möchte doch mal überleben“. Letzter Versuch. Diesmal erledigt Sie den Gegner hinter dem Dixi-Klo umgehend. Dann geht alles schnell, alle sind tot. Ein Auto explodiert. Es wird hektisch. „Raus, raus, raus“, schreien alle. Wir erreichen das Auto. Puh.
Havertz ist zu langsam: Der Motorradfahrer, den wir einholen sollen, ist weg. Scheper fährt, Söhler als Navi: „Rechts, rechts, rechts, Gas, rückwärts“. Das Auto verhakt sich in einer Sitzbank und will nicht weiter. Plötzlich ist der Motorradfahrer vor uns. Scheper fährt los und vergisst seinen Kumpanen: „Mission fehlgeschlagen“.
Wittke ist dran. „Wie komme ich ins Auto?“ – „Dreieck“. Inzwischen ist der Motorradfahrer entkommen. Das kommt ziemlich oft vor. Kretschmar twittert: „Das Onlineressort spielt GTA. Ein Trauerspiel“. – „Ich kündige mein Abo, wenn das nicht besser wird“, antwortet „Berlinpychoman“. Noch ein Versuch, noch ein Scheitern. „Mit so einem taz-Elektroauto hätten wir keine Chance“, meint Söhler. „Alle 30 Kilometer aufladen.“
Kretschmar muss jetzt ran. Man merkt gleich, hier ist ein Profi am Werk: Nach wenigen Minuten ist der Motorradfahrer vom Roller gestürzt. „Yeah!!!“ Puh. Jetzt darf Kretschmar Moped fahren. Unser Kumpan klaut uns den Roller. Wir kriegen Bonuspunkte für „4 von 6“ Kopfschüssen.
Das sagt die Zielgruppe: „Ich will auch nochmal sterben.“ (Havertz)
Das sagen die anderen: „Mission fehlgeschlagen.“ (GTA V)
Kretschmar zückt seine Waffe und schießt vier Mal. „Was ist jetzt los? Amoklauf, oder was?“ – „Sorry, war keine Absicht“. Im GTA-Autoradio berichten sie über unsere Schießerei mit der Moped-Mafia. „Gibt es jetzt Drogenkrieg?“ fragt der Moderator. Neue Mission. Auf der Fahrt kommt der Anruf vom Chef, der denkt, dass wir den Roller geklaut haben. „Fuck off!“, schreit Kretschmar, als er schon wieder gegen ein anderes Auto fährt.
Wir sind plötzlich in einer Nobelvilla. „Finde einen Weg ins Haus“. Wir springen über das Tor. Erfolg. „Schalte den Gärtner aus“. Wir zücken die Pistole. „Mission fehlgeschlagen“. „Wir müssen den Gärtner verprügeln“, weiß Scheper. „Wie kann ich die Waffe wegstecken?“, fragt Havertz. „Du musst dich anschleichen – und mehrfach zuschlagen“. Wir finden den Schleichmodus und schlagen den Gärtner mit einem Schlag nieder.
Ein Weg ins Haus soll gefunden werden. Hinter dem Haus steigen wir erstmal in den Pool. „Er kann schwimmen!“ Aber ein Eingang ist hier nicht. „Einmal ums Haus. Vielleicht finden wir irgenwo eine offene Tür.“ Über einen Jeep gelangt Havertz durch ein offenes Fenster. Bruder und Schwester streiten sich. In der Küche bringt der Golflehrer der Mutter Golf-Moves bei. Als sie Havertz sehen, zieht er die Frau als Schutzschild vor sich. Beide rufen: „Hilfe, er ist schwarz!“ Mission verfehlt.
Söhler hat mehr Glück, er schleicht in die Garage, steigt ins Auto, fährt auf die Straße – und ins nächste Auto rein. „Vorsicht, du musst das Auto möglichst gut erhalten zurückbringen“. Havertz: „Bremsen ist für Feiglinge“. Ein Mann sitzt auf dem Rücksitz, hält eine Knarre auf den Fahrer gerichtet und sagt uns, wo es lang geht.
Das sagt die Zielgruppe: „Geiles Spiel!“ (Havertz)
Das sagen die anderen: „Dein Schleichwert hat sich verbessert.“ (GTA V)
Neumann möchte ins Drogengeschäft einsteigen. Scheper hat sich ein Auto organisiert, in dem Hits der 80er laufen. Die Praktikantinnen Wittke und Kindesperk fordern, endlich mal in einen Stripclub zu gehen. Scheper spielt „Scheinwerfer“ bei der ersten Stripperin, steuert die Premium-Lounge an und fängt an zu fummeln – was ihn schnell langweilt. Da nimmt er „Nicki“ doch lieber mit nach Hause, im Auto läuft Don Johnsons „Heartbeat“. „Die will nur reden“, sagt Söhler. Oder auch nicht, plötzlich stöhnt die Spielkonsole.
Scheper hat Lust auf postkoitales Tennis, macht kurzen Prozess, Serve and Volley, schnell sind 12 Dollar verdient, eine leere Flasche Prosecco kullert durch die Redaktion. „Mich würde mal interessieren, wie sehr sich die Grafik verbessert hat“, sagt Sander. Scheper sagt nichts, fährt nach Haus und schießt ein Loch in die Garage. Schlafen, umziehen, Havertz: „Du hast gerade so ne Haltung wie ein vollgeschissener Schlumpf.“ Scheper geht in GTA ins Internet – die Suchmaschine „eyefind“ kennt die taz nicht, den Spiegel aber auch nicht.
Nächste Mission, der Sohn hat Probleme. Plötzlich ist auch Franklin wieder da, er hat ein Boot verloren und will es wieder. Wittke erweist sich als Nautik-Expertin, bringt aber erstmal Franklin um die Ecke. Dann: Franklin ist wieder Kapitän und ein anderer will auch Kapitän sein. Dann wird klar: Es ist das falsche Boot. Wittke wirkt, als bringe sie ständig Männer auf Boote, die ihnen nicht gehören.
Havertz übernimmt – zwei Laternenpfähle später ist die Verfolgung aufgenommen und gescheitert. Ständig steigt Franklin zu früh aus und wird geschreddert. Havertz setzt ihn auf dem Boot ab, irgendwelche Leute kämpfen mit ihm, einer fällt von Bord, dann noch einer. Oh, es war Franklin. Alles wieder von vorn. Wo sind die Piraten, wenn man sie mal braucht? Es ist spät geworden, vier Stunden „GTA V“ haben ihre Spuren hinterlassen. Neumann steigt aus. Kindesperk und Wittke auch. Wir machen Schluss.
Das sagt die Zielgruppe: „Geld verdienen, nicht ausgeben!“ (Neumann)
Das sagen die anderen: „Dat is auch ein bisschen Fallobst.“ (Scheper)
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