■ Bewegungsmelder: Diepgen rennt wirklich
Der Mann ist fit. Das muß man neidlos anerkennen. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) läuft zweimal die Woche und macht selbst bei 15-Kilometer-Strecken keine schlechte Figur. So war das gestrige „Laufen mit Diepgen“, ein 5-Kilometer-Parcours durch den Volkspark Friedrichshain, eine leichte Nummer für ihn. Der CDU-Landeschef, der oftmals als blasser Politiker geschmäht wird, zeigte wenige Monate vor der Abgeordnetenhauswahl im Oktober, daß die Gesichtsfarbe bei Läufern egal ist. Blaß lief er los, ebenso blaß kam er nach zwanzig Minuten ins Ziel. Nur einige Schweißtropfen im Gesicht verrieten die Anstrengung der Strecke, die bezeichnenderweise am Märchenbrunnen anfing, über zwei Bunkerberge führte und wieder am Märchenbrunnen endete.
Richtige Konkurrenz hatte Diepgen eigentlich nicht. Drei der etwa fünfzehn Mitläufer waren Bodyguards, der Rest bestand aus einem Senator, einem Pressesprecher und Wahlkampfmitarbeitern wie Christian Senft. Der präsentierte sich in kurzen Hosen und sagte auch, warum: „Die CDU ist wettergegerbt und friert nicht“, so seine Botschaft. Süffisant merkte er an, daß der Lauf dem SPD-Spitzenkandidaten Walter Momper gewidmet sei, der gestern seinen 54. Geburtstag feierte und zeitgleich einen Politiker-Frühschoppen veranstaltete. Axel Wallrabenstein, Pressesprecher des gutgenährten Kultursenators Peter Radunski, hatte nichts unversucht gelassen, seinen Chef zum Laufen zu überreden. „Ich habe Radunski gestern abend noch angerufen“, war vor dem Lauf aufzuschnappen. „Willst du mich verarschen?“ habe er zur Antwort bekommen. Der CDU-Pressesprecher Matthias Wambach war dezenter und schützte eine „leichte Erkältung“ vor.
Und dann gab es noch einen ganz normalen Berliner, weder Läufer noch Parteimitglied, der sich an Diepgens Fersen heftete und sogar als erster durchs Ziel lief. Das aber nur, weil er in einer Kurve den Anschluß verloren hatte. Doch er wollte ohnehin „nur mal kieken“, wie der Berliner sagt. Immerhin hat er jetzt „was zum Quatschen in der Kneipe“.
Frauen konnte Diepgen gestern kaum motivieren. Vielleicht lag es ja daran, daß der Volkspark ein bekannter Schwulentreffpunkt ist. Wacker schlug sich trotzdem eine Frau aus einer bezirklichen Kreisgeschäftsstelle, die froh war, mit Diepgen „einen Anlaß“ zum Laufen zu haben. Als sie ein Organisator lobte, daß sie trotz mangelnden Trainings mitmacht, antwortete sie: „Du weißt doch, ich mache jeden Quatsch mit.“ Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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